♕ Prolog.

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Kalte Fingerspitzen wandern langsam über meine rechte Schulter bis runter zu meinen Bauch. Eine leichte Gänsehaut durchzuckt meine Glieder.

Mein Körper fängt an zu zittern. Innerlich.

Ich weiß genau wo ich bin, trotzdem versuche ich vorsichtig die Augen zu öffnen. Wie immer erfolglos. Zwei dünnen Klebestreifen an meinen Augenlidern hindern mich daran.

Die Angst wächst von Sekunde zu Sekunde. Allein der Gedanke an die bevorstehenden Schmerzen, lässt mein Herz verkrampfen. Es zieht sich zusammen, wie ein Häufchen Elend. Ich bin eine leblose Puppe, es scheint als wäre mein Körper tot. Unbrauchbar.
Regungslos liege ich auf dieser weißen Operations- Liege, ich bin nicht fähig auch nur ein kleinstes Körperteil zu bewegen. Das Mittel, das sie mir gespritzt haben, erlaubt es nicht.

Und trotzdem werde ich jede Berührung spüren. Jeden Schnitt. Jeden Schmerz.

Sie lassen mir keine Wahl, ich muss alles erbarmungslos über mich ergehen lassen. Psychisch haben sie mich schon längst umgebracht, die qualvollen Schmerzen rauben einem den Verstand zum Leben. Ich bin nicht fähig zu vergessen, dafür musste mein Körper die grausame Hölle schon viel zu oft durchleben. Durch das stundenlange Leiden wird man geprägt, bedingungslos. Verwunderlich, das mich die Psyche nicht schon längst in den Abgrund gezogen hat. Aber wer weiß, vielleicht bin ich schon längst verrückt, und mein Gehirn ist nur zu inkompetent um das zu checken.

Der Mensch kann nicht unendlich viele Schmerzen ertragen, ab einem gewissen Maß ist das Limit erreicht. Wenn ich eins gelernt habe, dann das.

Jeder Wissenschaftler, der anderes behauptet, hat noch keine Bekanntschaft mit mir und meinem Schicksal gemacht.

Mein Herz schlägt mittlerweile mit rasender Geschwindigkeit gegen die Rippen. Auch der Monitor, der die Herzfrequenz misst, verdeutlicht dies. Im Sekundentakt ist ein lautes Piepsen zu hören, und das, obwohl die Operation noch nicht mal angefangen hat.

„Psssst Süße, bleib ruhig. Du kennst das doch schon." haucht eine warme liebevolle Stimme in mein Ohr. Ich kenne diese Stimme genau.

Ein stechender Schmerz bohrt sich durch meine Brust. Das Gefühl der Hilflosigkeit ist unerträglich.

Die Psychopathen werden mich aufschneiden, mich foltern, mich solange quälen bis ich dem Idealbild entspreche.

Das Handtuch in meinem Mund lässt meinen Gaumen austrocknen, nur das angetrocknete Blut darauf wird jetzt langsam wieder flüssig. Der metallene Geschmack klammert sich an meine Zunge.

Eine kleine Träne kullert über meine erhitzte Wange. Ich fühle mich so schwach, so kraftlos. Einfach machtlos. Selbstmitleid schafft bekanntlich die größte Trauer, aber wenn ich mir nicht selbst Leid schenke, tut es niemand. Die ganzen Psychopathen um mich her rum, erfreuen sich an meinen Schmerzen. Es macht ihnen Spaß mich aufzuschlitzen. Elende Sadisten.

„Lasst uns beginnen." die Stimme lässt mich aus meinem Gedankenchaos erwachen. Erst jetzt nehme ich die anderen Geräusche um mich herum wahr. Der Lärmpegel steigt, und ich spüre, wie jemand mit einem Stift, eine Linie unterhalb von meinem Bauchnabel zeichnet.

Die Realität trifft schlagartig auf meinem Herzen auf. Jetzt geht es los. Ich kann es nicht mehr verhindern, nicht mehr weglaufen, den Schmerzen nicht mehr entkommen. Die Hoffnung, dass ich aus einem bösen Traum erwache, habe ich schon längst aufgegeben. Die Realität ist der Albtraum.

Eine höllische Angst klammert sich an meine Seele. Ich schaffe es nicht mehr diese tödlichen Schmerzen zu ertragen. Nicht schon wieder. Eigentlich nie wieder. Was gäbe ich dafür jetzt sterben zu können. Wieso töteten sie mich nicht einfach?

Rammt mir doch ein Messer ins Herz. Bitte.

Plötzlich spüre ich eine warme Hand über meinen Oberarm streichen.

„Du schaffst das Liebste. Wir sehen uns in drei Stunden wieder, ich werde auf dich warten." Alvaros Stimme.

Jetzt vermischt sich meine Angst mit Wut. Er lässt das alles zu, er akzeptiert mein Leiden. Er ist kein Stück besser.

Dann höre ich wie sich seine Schritte wieder entfernen.

Ein paar Sekunden später spüre ich das kalte Skalpell auf meiner Bauchhaut. „Wer schön sein will, muss leiden."

Ich höre die Worte nur noch aus weiter Entfernung. Die Hilflosigkeit raubt mir den Verstand, ich bin den Ärzten erbarmungslos ausgeliefert.

Die kalte Angst strömt immer noch unerbittlich durch meine Blutgefäße. Mein Herz rast, dabei wünsche ich mir so sehr das es aufhört. Einfach aufhört zu schlagen.

Der Horror beginnt.

SchönheitssticheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt