Verdammt, ich war niemand, der sich so einfach ficken ließ, es musste doch einen Weg aus dieser Situation geben. Gab es immer. Ich dachte an die Filme mit Bruce Willis und daran, wie der aus so einer Lage rauskommen würde.

Fucking Bruce Willis hätte die einfach niedergeschossen.

»Ich habe eine bessere Idee. Wir könnten ihn auch als unseren Sklaven halten«, hörte ich in diesem Moment die Stimme von Filzkopf, gefolgt von einem Kichern. »Dann kann er immer den Urineimer leeren gehen.«

»Ich mach dich kalt«, versuchte ich zu zischen, doch dank der Knarre an meinem Mund waren das nur ein paar undeutliche Laute. Meine Sicht war verschwommen. Nässe an meinem Hinterkopf. Ich unternahm einen schwachen Versuch, ihn von mir abzuschütteln, doch wurde direkt darauf von einer weiteren Hand gepackt und auf den Boden gedrückt.

»Du Armer«, höhnte der Typ, ohne die Knarre von meinem Gesicht wegzunehmen. Sein Finger lag noch immer auf dem Abschuss, bereit, wirklich abzudrücken. »Mach mal den Mund auf, Schätzchen«, grinste er und als ich nicht darauf reagierte, presste er die Waffe gewaltvoll zwischen meine Lippen. Das Metall stieß klirrend gegen meine Zähne und hinterließ einen spitzen Schmerz, der noch lange nachhalte.

Hektisch schnappte ich nach Luft. Bekam nicht wirklich viel. Atmete schneller. Panik, die sich um mein Herz schloss und es zusammenpresste. Luft. Verdammt nochmal Luft. Was, wenn ich jetzt einfach erstickte? Qualvoll verreckte?

Einfach so?

Ging das überhaupt?

Mein Magen begann zu rumoren, vielleicht war das auch mein Herz, das endlich ausgequetscht und zerdrückt nach draußen musste. Aber ich würde garantiert nicht darum winseln, dass er aufhörte, schoss es mir kurz durch den Kopf. Dann wieder dieses endlose Gefühl

Ich würgte.

»Na, wie fühlt sich das an?« Sein schleimiges Grinsen sorgte nicht dafür, dass es mir besser ging. Ganz im Gegenteil. Ich schmeckte den metallischen Geschmack auf meinen Lippen, roch den miefigen Gestank der Junkiebude. Meine Spucke sammelte sich in meinem Mund, nahm mir auch noch die letzte Luft. Und mir war schlecht, so unendlich schlecht.

Ich spürte den Druck in meinem Inneren, ehe mein Mageninhalt nach oben schoss. Ich keuchte und dann kotzte ich. Jetzt bekam ich endgültig keine Luft mehr, Essensreste in meinem Mund, ein säuerlicher Geschmack. Erbrochenes, das über meine Lippen tropfte, auf die Hände des Typen.

Ein angewiderter Ausdruck huschte über sein Gesicht und ich sah, wie er die Waffe ein wenig zurückzog. Erleichtert schnappte ich nach Luft.

Das war der Moment, den ich gebraucht hatte.

Damit kehrte meine Energie zurück. Blut, das durch meine Adern schoss und Adrenalin, das so bis in die letzte Faser meines Körpers vordrang. Vorbei die Schockstarre. Ich packte den Kerl und stieß ihn von mir, sodass ich endlich den Lauf der Waffe nicht mehr im Mund hatte. Nur noch Kotze, aber darum konnte ich mich jetzt echt nicht kümmern.

Schnell umschloss ich meine Finger in seinem Nacken, ehe ich seinen Kopf an mich ranzog und ihm zeitgleich mit Wucht das Knie in die Fresse schlug. Ein Knacken war zu hören und ich hoffte, dass ich ihm seine verdammte Nase gebrochen hatte.

»Heilige Mutter Gottes«, stöhnte er und presste sich die Hand vors Gesicht. Ich sah das Rot, das zwischen seinen vollgekotzten Fingern auftauchte, als ich ihn packte und von mir runterriss. Schnell gewann ich die Überhand und nutzte dann den Moment, um das restliche Erbrochene, das sich in meinem Mund gesammelt hatte, auf den Boden zu spucken.

Aus dem Augenwinkel nahm ich Filzkopf wahr. Ich packte sie, bevor sie mich angreifen konnte, trat ihr mit meinem Fuß das Schienbein weg. Sie geriet ins Fallen und ich stieß sie mit Kraft von mir weg, sodass sie durch den halben Raum segelte und auf einen Stapel mit unzähligen Pappkartons donnerte.

Schnell brachte ich mich auf die Beine.

Ein hektischer Blick galt der Frau, die einfach nur dasaß und uns mit großen Augen, die mehr Ufos glichen als einem menschlichen Körperteil, anstarrte. Mehr nicht. Richtige Irrenanstalt hier. Der nächste Blick zur Tür, in deren Richtung ich entgegenhastete.

»Hau nur ab, Liebling«, vernahm ich Filzkopf lächeln und verdammt, ich hasste ihre ekelhafte Stimme so unendlich sehr. Genau wie ihr Gesicht mit den kaputten Zähnen und der verschmierten Wimperntusche unter den Augen. »Genieß einfach dein Leben. Kiral wird sich bestimmt freuen, dich zu sehen.«

Kiral. Tief in mir spürte ich die dumpfe Angst, was passieren würde, wenn er mich zwischen die Finger bekam, aber darüber konnte ich jetzt nicht nachdenken. Ich musste weg, das war mein einziges Ziel.

Mit großen Schritten rannte ich auf den Flur zu, vorbei an den vielen gestapelten Kartons. Mit einem lauten Knall schmiss ich die Wohnungstür hinter mir zu, dann die Treppen hoch, immer zwei Absätze auf einmal nehmend. Ein panischer Blick zurück, doch ich konnte keinen von ihnen sehen. Egal, weiter. Noch schneller am besten. Erdgeschoss, dann raus aus dieser verfluchten Irrenanstalt.

Ich rannte geradewegs in eine blauweiße Karre der Cops, die direkt vor dem Haus auf dem Gehweg geparkt stand. Abrupt verlangsamte ich meine Schritte und warf den beiden Beamten einen kurzen Blick zu. Einer von ihnen sah sich suchend um, während sein Kollege etwas in ein Funkgerät sprach.

Scheiße. Die hatten jetzt aber nicht von der Sache hier Wind bekommen, oder?

»Alles gut bei Ihnen, junger Mann?«, sprach mich einer der beiden Bullen an. Ich meinte fast, etwas Besorgtes in seiner Stimme erkennen zu können. An jedem anderen Tag hätte ich mit Sicherheit darüber lachen können, das war ja mal ein richtiger Opfermove, aber heute sah ich ihn nur misstrauisch an. »Sie wirken ein wenig desorientiert.«

»Mhm.« Eigentlich schrie alles in mir danach, ihm irgendeine pampige Antwort zu geben, aber das wäre jetzt der denkbar schlechteste Moment für Stress mit der Staatsgewalt. Ich warf einen eiligen Blick in meinen Rücken, doch da war immer noch niemand. Hatten sie von den Bullen hier gewusst und verzichteten deshalb darauf, mich zu verfolgen?

War das irgendwie eine Falle oder so? Aber verdammt, die Bullerei konnte mich nicht ansatzweise ficken, ich hatte ja nicht einmal mehr die Waffe bei mir.

Der mittelalte Cop musterte mich noch immer und wartete scheinbar auf eine Antwort.

»Ich hab's nur eilig«, erklärte ich mit brüchiger Stimme, während mir der Geruch von Kotze in die Nase stieg. Ach, verdammt. Da war ja noch was.

»Na, dann. Passen Sie auf sich auf, mit dieser Gegend ist nicht zu spaßen«, sagte er mit einem gutmütigen Lächeln und das war wirklich das Letzte, das ich in meinem Leben gewollt hatte. Bullen, die sich Sorgen um einen machten. Das war krank.

Ich nickte ihm zu, warf noch einen eiligen Blick in Richtung des Plattenbaus und wandte mich dann ab, um die Straße entlang zu hasten. Die nächsten Minuten waren so schwerfällig, wie wenn man bekifft auf dem Bett lag und das ganze Universum an einem vorbeizog. Ich spürte die dumpfen Schmerzen an meinen Körper, deren genaue Herkunft ich gar nicht mehr zuordnen konnte. Jeder Schritt war schwer, begleitetet von dem säuerlichen Geruch des Erbrochenen auf meinen Klamotten. Dass ich meine Jacke auszog, änderte auch nicht viel daran, dass der Gestank in meiner Nase hing.

Irgendwann hatte ich es endlich in die U-Bahn geschafft. Das dumpfe Gefühl verschwand ein wenig und meine Umgebung mit den vielen Menschen wurde klarer. Doch noch immer war da so viel, das tief in mir brodelte. Alles aufgewühlt, ohne dass ich sagen konnte, was genau ich empfand.

Unruhig glitt mein Blick über die anderen Passagiere in dem vollgestopften Waggon.

Diese Versager waren mir garantiert nicht hinterher. Wenn man mal die Situation ganz nüchtern betrachten würde, hätten die mich ja einfach vorhin erschießen können. Also hatten sie das auch nicht vor und damit gab es keinen Grund, weshalb sie mich verfolgen sollte. Ich nahm meine Kippenschachtel aus der Jackentasche, die von der Scheiße vorhin zerdrückt war. Während ich sie zwischen meinen Fingern drehte, wurde ich langsam ruhiger, auch wenn mein Herzschlag noch immer rasend ging.

Vor den dreckigen Fenstern zogen die Lichter im U-Bahn-Tunnel vorbei, wechselten sich ab mit einer Station, die da auftauchte, wieder verschwand. Verkrampft krallten sich meine Finger um die Packung und ich presste meine Zähne aufeinander, während ich mir nur eine Sache schwor.

Beim nächsten Mal würde ich wirklich schießen.

Die Verlierer - Sklaven des Erfolgsحيث تعيش القصص. اكتشف الآن