Kapitel 5 - Die Reiter

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Im Erdgeschoss angekommen, sah ich wie mein Herr in der Tür stand und mit einer Frau mittleren Alters sprach.
"Es tut mir sehr leid."

Er schloss die Tür und schon war die bersorgnisvolle Falte auf seiner Stirn verschwunden, als er die Treppe hochlief.

Verwirrt schaute ich dem Hausherrn hinterher, als Elayna meinen Gedankengang unterbrach:
"Komm, wir machen Frühstück."

Ich griff nach einer handvoll Tomaten und begann, sie zu vierteln. Ich konnte nicht aufhören, an gestern Nacht zu denken. Ich war mir mehr als sicher, dass Roudin verantwortlich für diesen Mord war. Mein Blick fiel auf Elayna. Jedoch musste ich dies vorerst für mich behalten, ehe ich selbst in Schwierigkeiten komme. Abgesehen davon, wer würde schon einer Sklavin Gehör schenken?

Ein Zischen entfuhr mir. Ich hatte nicht aufgepasst und mir in den Daumen geschnitten.

"Alles gut?", fragte Elayna und begutachtete meinen Daumen.

"Alles bestens", versicherte ich ihr," ich nehme mir nur schnell ein Tuch."

Ich lief die Treppe in schnellem Tempo hinauf und lief ins Badezimmer. Dort schnappte ich mir ein sauberes weißes Mulltuch und wickelte es um meinen bereits von tiefrotem Blut überzogenen Daumen.

"Geh an die Arbeit.", murrte eine dunkle Stimme hinter mir.

Talib stand im Türrahmen; hastig wollte ich an ihm vorbeigehen, als er sich direkt vor mich stellte. Nervosität machte sich in mir breit.

"Elayna wartet auf mich.", sagte ich mit klarer Stimme.

Er hob seine Hand und nahm eine meiner Haarsträhnen zwischen Daumen und Zeigefinger. Mein Körper versteifte sich. Seine Lippen verzogen sich zu einem angedeuteten Lächeln, bevor er einen Schritt zur Seite ging, sodass ich gerade so an ihm vorbei huschen konnte. In der Küche angekommen pochte mein Herz noch immer wie wild. Ich beruhigte meine Atmung und deckte den Tisch. Bald kamen mein Herr und Talib, der seine Lippen zu einem schiefen Lächeln zog, als unsere Blicke sich trafen, herunter und frühstückten. Nachdem sie fertig waren, aßen auch wir.

Als es Zeit war, Dhur zu beten, gingen Elayna und ich in unsere Zimmer. Ich nahm das Koptuch, das mir Elayna gegeben hatte und befestigte es mithilfe einer Nadel. Ich genoss es, ein Kopftuch zu tragen; es ließ mich geborgen und beschützt fühlen. Zögernd bewegte ich mich ans Fenster und beugte mich über die Schüssel mit klarem Wasser. In ihr spiegelte sich mein Äußeres auf ihrer Wasseroberfläche, wenn auch ein wenig verzerrt. Unmerklich ließ ich meine Fingerspitzen entlang meines Hijabs gleiten und musste ein wenig schmunzeln. Mein Lächeln verschwand genauso schnell, wie es gekommen war.
Als Sklavin war mir die Ehre ein Kopftuch zu tragen, verwehrt.
Ich trat einige Schritte zurück und legte meinen Gebetsteppich zur Kaaba ausgerichtet auf den Boden.

Nach Beendigung des Gebets richtete ich meine Handflächen gen Himmel und sagte:
"Oh Allah, zu Dir gehören wir und zu Dir kehren wir zurück! Hab Gnade mit dem Mann, der ermordet wurde und hilf seiner Familie. Amin. "

Ich wischte mit meinen Handflächen über mein Gesicht und erhob mich.

Plötzlich ertönte Lärm im Erdgeschoss; Männerstimmen drangen an mein Ohr. Schnell nahm ich das Kopftuch ab und eilte die Treppe herunter, blieb aber auf der vorletzten Stufe stehen. Im Flur waren die Hausherren und zu meiner Überraschung auch Zahid.

Er war völlig außer sich und rief:
"Hör auf es zu leugnen, Abu Hassan! Du hast es schon immer auf meinen Vater abgesehen und jetzt hast du ihn umgebracht!"

Sein Kiefer war angespannt, seine Lippen vor Wut zusammengepresst, doch in seinen Augen glitzerten Tränen, sie ließen sie türkis erscheinen.

"Lüge! Nichts als Lügen, die du dir ausgedacht hast!", entgegnete mein Herr und reckte sein Kinn hervor.

Rukaya - A Slaves Life Onde histórias criam vida. Descubra agora