2; Sodom und Gomorra

12 2 0
                                    

Schlussendlich war es seine Armbanduhr gewesen, die ihn davor bewahrt hatte, tatsächlich eine Entscheidung darüber zu treffen, was nun zu tun war. Sie hatte zur vollen Stunde laut gepiepst – es war 17 Uhr – und hatte ihn geflissentlich daran erinnert, dass noch etwa eine halbe Stunde Rückfahrt bis zum Hauptpolizeirevier von Gotham City vor ihm lag, wo seine dunkelblaue Dienstkleidung in einem grauen, von den Jahren der Nutzung verkratzten Spind auf ihn wartete und damit auch seine abendliche Schicht als Streifenpolizist in Gotham. Das war nun wirklich kein Job, um den man sich innerhalb der Polizeistation stritt, aber ein notwendiges Übel, das seit seiner Beförderung zum Detective noch mehr zu seinem Aufgabengebiet dazugehörte als zuvor. Denn anders als tagsüber waren nachts stets umso mehr der ‚Dicken Fische', wie seine Chefin Meghan sie immer nannte, in den heruntergekommenen Gassen und düsteren Winkeln von Gotham unterwegs – Schurken, bei denen es sich lohnte, wenn direkt einer der ranghöheren Polizisten vor Ort war, um für Ordnung zu sorgen, statt ein gewöhnlicher Streifenpolizist, der zuerst Verstärkung anfunken und deren Eintreffen abwarten musste, bevor er handeln konnte. Und so war ihm trotz seines Aufstiegs in der Rangfolge innerhalb des GCPD diese mehr oder minder lästige Aufgabe zuteil geworden, aber er versuchte, es positiv zu sehen. So musste er wenigstens keine Knöllchen schreiben oder in Parkanlagen herumvegetierende Jugendliche abmahnen, die wegen ihrer lauten Musik oder Gespräche einem der vergrätzten Anwohner ein Dorn im Auge waren.

Als er schließlich durch den Beamteneingang im Hinterhof des Police Departments trat, schüttelte er sich zuerst die abermillionen kleinen Regentröpfchen von seinem schwarzen Regenmantel und zog die dunkle Kapuze ab, bevor er sich nach links zu den Dienstplänen wandte, um zu sehen, wer heute wohl sein Begleiter auf Streife sein würde. Seit Batman nicht mehr da war, änderte sich das ständig – nicht nur bei ihm, sondern auch bei seinen Kolleginnen und Kollegen.

Es war gerade mal eine Woche her, seit der dunkle Ritter Gotham vor dem Verderben gerettet hatte, doch die Nachricht, dass dieser tot war, hatte sich natürlich unter den Angehörigen der Unterwelt verbreitet wie ein Lauffeuer. Seither feierten die düsteren Gestalten Gothams eine Art ununterbrochen andauernde Party. Der schier unglaubliche Fakt, dass jemand tatsächlich den wahren Batman bezwungen hatte – ja, ihn sogar draußen auf dem offenen Meer in tausend Stücke zerissen hatte – hatte den Schurken Hoffnung gegeben. Eine bedrohliche, explosive Zuversicht, die Gift für das Nachtleben der Stadt war. Ohne ihren ständigen Beschützer schien die Großstadt mit ihren hoch aufragenden Betonbauten und in der Sonne schillernden Glasfronten machtlos zu sein gegen diejenigen, die nichts Gutes im Schilde führten. Mit anderen Worten: Die bösen Buben Gothams waren mutiger geworden. Dreister. Gerade jetzt, wo es wichtig gewesen wäre, dass jemand diesem unaufhaltsam aufstrebenden Keim des abgrundtief Schlechten Einhalt gebot, ihn gnadenlos zermalmte, bevor es zu spät war und er eine düstere, stachelige Blüte bildete, die nicht mehr zu zerstören war... Genau in dieser unsicheren Zeit, in der diese Stadt dringend einen ständigen Aufpasser wie Batman brauchte, jemand, der ihr den rechten Weg wies... nun ja.

Seit Batman nicht mehr da war, um für Ordnung zu sorgen, war die Arbeit der Polizei nur umso wichtiger geworden – aber auch gefährlicher. Sein letzter Partner, Matthew, war auf Streife erschossen worden von einem unkooperativen Kleinkriminellen, der schlichtweg keine Lust gehabt hatte, sich von der Polizei etwas sagen zu lassen. Auch er war berauscht gewesen von der Neuigkeit, dass Gotham nun niemanden mehr hatte, der Menschen wie ihn wirklich aufhalten konnte. Matthews Beisetzung war erst vor zwei Tagen gewesen.

Heute war Freitag, der letzte Tag vor dem Wochenende... Nicht, dass er wirklich eines haben würde. Seit Batman nicht mehr da war, war auch seine Arbeitslast erheblich nach oben gegangen. Viele seiner Kollegen hatten oft über den dunklen Ritter gespottet, ihn für seine Selbstjustiz verurteilt, sich in ihrer Autorität als Polizist untergraben gefühlt. Aber auch sie mussten seinen unschätzbaren Wert erkennen, zumindest jetzt, wo er nicht mehr da war und es niemanden mehr gab, der ihnen diese zusätzliche Arbeit abnahm – zumindest noch nicht, aber – nun ja.

Gothams Engel - Batman (John Blake) Fan FictionWhere stories live. Discover now