Ein Handelsschiff sollte Sansa und ihre Verbündeten sicher nach hause fahren. Am Hafen der Eiseninseln schäumte das Meer, während die Wassermassen regelmäßig über die Holzplanken des Steges schwappten. Sansas mit Fell gefütterten Schuhe waren für die eisigen Temperaturen in Winterfell wie gemacht, doch hier tränkten sie sich mit dem nach Algen stinkenden Seewasser. 

Asha Graufreud hatte sie begleitet und starrte nun Gedankenverloren in den Horizont: "Vielleicht kreuzen sich unsere Wege noch ein zweites mal." Ihr markantes Gesicht zeigte keine Regung, doch Sansa wusste, dass sie gerne mehr Zeit mit ihr verbracht hätte.

: "Ja, vielleicht."

Sansa überlegte, ob sie Asha zum Abschied umarmen sollte, entschied sich im letzten Moment allerdings dagegen. Es kam ihr unangebracht vor, immerhin war sie eine Königin und Asha konnte schnell zur Rivalin werden. Außerdem kannten sie sich noch keine Woche. 

Also verabschiedete sie sich mit einem respektvollen Nicken und bestieg das Schiff. Dabei spürte sie wie sich Ashas intensiver Blick in ihren Rücken bohrte und sie nicht mehr losließ, bis das Schiff am Horizont verschwand. 

Tage vergingen, bis Sansa den langen Reiseweg hinter sich gebracht hatte, die Strömungen arbeiteten gegen sie. Außerdem beanspruchte der Landweg mindestens ebenso viel Zeit und mit jeder Sekunde die verstrich, wurde Sansa ungeduldiger. Winterfell war ungeschützt. Kein Stark war in ihrem geliebten zu Hause und das beunruhige sie umso mehr. 

Auf Winterfell erwartete sie die Person, mit jener sie am wenigsten gerechnet hatte. Peter Baelish. Ein kluger Mann mit hohen Ansprüchen. Er schien Sansa bereits erwartet zu haben, denn er lehnte galant am Eingangstor des Burghofes. 

: "Sansa, es freut mich Euch wohlauf zu sehen."

Sansa rang sich ein Lächeln ab und meinte: "Die Reise hätte angenehmer verlaufen können, aber ich will mich nicht beklagen. Was führt euch in den Norden Lord Baelish?"

: "Peter. Nenn mich Peter."

Ich hatte gehofft Euch zu treffen, seit einem Jahr habe ich schon nichts mehr von der Königin des Norden gehört. Ich mache mir Sorgen."

Sansa unterdrückte ein Stöhnen. Das wollte der Lord von Harrenhall also. Sansa wusste bescheid über seine Gefühle für ihre Mutter Catelyn und wie er offenbar nach deren Tod seine verstorbene Liebe in Sansa sah. Die Stark war ihm dankbar für seine Hilfe und Fürsorge, aber sie hatte keine Lust irgendwelche Gefühle vorzuspielen, nur um ihn zufriedenzustellen. 

: "Eure Sorgen sind unbegründet Peter, ich bin eine Königin, ich kann selbst für mich Sorgen."

Mit langen Schritten eilte Sansa an Lord Baelish vorbei, das rote Haar hinterherwehend. Schnell folgte Peter der jungen Königin und rief: "Eben deshalb können sie jeden Schutz benötigen, den Sie kriegen können. Außerdem habe ich eine Nachricht aus Königsmund."

Überrascht verlangsamte Sansa ihre Schritte und drehte sich um: "Welche? Von wem?" Welche Neuigkeit konnte so dringend sein, dass sie den einsamen Norden erreichte? Peters grüne Augen funkelten im schwachen Sonnenlicht und sein typisches Grinsen verwirrte Sansa. Hatte es mit den weißen Wanderern zu tun? Oder eine sonstige Katastrophe?

: "Es geht um die Lady von Casterlystein. Lady Cersei Lannister." 

Sansa glühte vor Zorn. Wie konnte er es wagen? Nach allem was Cersei ihr angetan hatte, wagte Baelish es ihren Namen in Sansas Gegenwart zu erwähnen?

: "MyLady ich weiß Ihr haltet nicht viel von Cersei, aber es geht um ihre Enkelin Joanna."

Joanna? Süße Erinnerungen holten die junge Königin ein, sie sah ein hübsches Gesicht mit strahlenden grünen Augen und einem breiten Lächeln vor sich. Wehmütig erinnerte sie sich an ihre beste Freundin Katherine Lannister zurück. Bei der Geburt ihrer Tochter Joanna starb Katherine und verschwand somit endgültig aus Sansas Leben. Das einzige was an sie erinnerte war ihre kleine Tochter, die nun sechs Jahre alt war.

Mit belegter Stimme fragte Sansa: "Und, was ist mit Joanna?"

: "Sie möchte Euch kennenlernen. Bis jetzt weiß sie nur aus Erzählungen, wer die beste Freundin ihrer Mutter war. Ihr solltet sie besuchen."

Bestimmt schüttelte Sansa den Kopf: "Nein, Cersei passt auf sie auf. Ich kann und will nie wieder etwas mit dieser Frau oder ihrer Familie zu tun haben."

Sansa wandte sich zum gehen, doch Peter nahm ihre Hand und hielt sie zurück.

: "Bitte MyLady, denkt ihr nicht Katherine hätte es so gewollt? Sie sähe Euch bestimmt gerne mit ihrer Tochter gemeinsam."

Sansa riss ihre Hand von der seinen los.

: "Ihr kanntet Katherine nicht einmal. Und ich kenne ihre Tochter nicht. Und das ist auch gut so, ich bin die Königin des Norden, ich habe keine Zeit um mich um ein kleines Weisenmädchen zu kümmern. Wenn Ihr mich nun entschuldigt Lord Baeilish, nach der langen Reise wünsche ich mir nichts sehnlicher als ein heißes Bad.

Der heiße Wasserdampf vernebelte Sansas Gedanken, verwirrt versuchte sie das Caos in ihren Gedanken zu ordnen. Joanna Lannister ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Sie befürchtete, sobald sie das Kind zu sehen bekommen würde, könnte sie vor Schuldgefühlen nicht mehr leben. Immer wieder dachte Sansa an ihr eigenes Kind zurück, welches nie geboren werden sollte. Sie wusste zwar, dass es die bessere Entscheidung war, das Kind zu verlieren, aber die Schuldgefühle konnte sie nicht unterdrücken.  Angewidert von sich selbst und ihrer Vergangenheit tauchte Sansa in das heiße Wasser ein und fühlte nichts mehr. Ihre Gliedmaßen waren taub, ebenso wie sie selbst. Eine innere Leere erfüllte sie, was sie jedoch keineswegs beunruhigte. Es tat gut für einen Moment Gleichgültigkeit gegenüber dem Leben zu verspüren, all ihren Taten und Entscheidungen und die schrecklichen Ereignisse in ihrem Leben spielten keine Rolle mehr. Einen Augenblick genoss sie dieses Gefühl, bis sie wieder die Wasseroberfläche durchbrach, wo eine ganze Gefühlswelt und deren unvermeidbarer Schmerz auf sie wartete. 

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⏰ Last updated: Jul 21, 2021 ⏰

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The Queen in the NorthWhere stories live. Discover now