Eine halbe Stunde später stehe ich, auf dem Gehweg, mitten im Zentrum von Nashville. Der warme Sommerwind streift mir um die Nase. Hinter mir, auf der Straße, herrscht reger Verkehr. Fahrradfahrer schlängeln sich durch hupende Autos und gelbe Taxis. Auf dem Gehweg drängen sich Menschenmassen an mir vorbei, die mich weitestgehend ignorieren. Nur einige fragende Blicke werden mir zugeworfen, da ich wie versteinert die Fassade des gläsernen Gebäudes vor mir betrachte.
Ich muss meinen Kopf weit in den Nacken legen, um die Spitze sehen zu können. Nervös streiche ich mir zum hundertsten Mal den Rock glatt, bevor ich die sechs Steinstufen emporsteige und auf die Eingangstüren zu gehe. Ich schließe mich der Strömung von Menschen an, die das Bürogebäude betreten.

Im Inneren angekommen, bleibe ich abermals staunend stehen. Eine große Eingangshalle erscheint vor mir mit glänzenden weißen Marmorboden und meterhohen Decken. Säulen und große Kübel mit Palmen teilen die große Halle in verschiedene Bereiche ein. Zu meiner linken finden sich Sitzmöglichkeiten mit schwarzen Ledersofas wieder. Auf diesen tummeln sich Geschäftsmänner mit ihren Laptops und der aktuellen Tageszeitung. Einige telefonieren oder unterhalten sich angeregt.

Im hinteren Teil erkenne ich eine Reihe von Aufzügen, die in die oberen Etagen führen. An einer großen Säule zu meiner Rechten sind Metallschilder angebracht. Auf diesen stehen verschiedene Firmennamen, darunter einige Anwaltsfirmen und PR-Agenturen. Doch die Firma, die mich interessiert, steht ganz oben. Callahn Corporation.
Soweit ich weiß, gehört das Gebäude der Firma Callahn und einige der Mietfirmen arbeiten sogar für ihn. Immer noch beeindruckt, bleibe ich mitten im Raum stehen und betrachte die verschiedenen Firmen auf den Schildern.

Unsanft werde ich von hinten angerempelt und gerate dabei ins Straucheln.
„Hey. Stehen Sie hier nicht einfach dumm herum." Perplex drehe ich mich um und blicke in das Gesicht einer jungen, blonden Frau. Ihre vollen Lippen hat sie knallrot bemalt und auch so hängt sehr viel Schminke in ihrem Gesicht. Sie wäre sicherlich sehr hübsch, doch so wirkt sie aufgesetzt billig. Auch wenn ihre Kleidung und ihre Schuhe etwas anderes sagen. Ihr türkisfarbenes Wickelkleid ist von Prada und die schwarzen High Heels mit roter Sohle sind echte Louboutin. So etwas kann ich mir nur in meinen Träumen leisten.
Trotz ihrer Erscheinung lasse ich mir ihre herablassende Art nicht gefallen, da sie in mich hineingerannt ist.
„Passen Sie doch auf, wo Sie hinlaufen!", fauche ich zurück. Ihre Augen funkeln wütend und provokativ hebt sie einen ihrer langen dünnen Finger.
„Weißt du eigentlich, mit wem du hier sprichst?" Zischt sie wie eine Schlange. Ihre perfekt gezupften Augenbrauen, schieben sich gefährlich nach innen und ihr Mund spitzt sich zu. Ich richte mich ebenfalls zu meiner vollen Größe auf. Ich lasse mir nichts sagen, besonders nicht von so einer eingebildeten Schnepfe.
„Nein. Weißt du, wer ich bin?", frage ich sie schnippisch zurück und betone ebenfalls, dass ich sie duzte. Kurz bröckelt ihre Fassade und verdutzt blickt sie mich an, bevor sie abwertend lacht.
„Ha. Kann ja nichts Wichtiges sein. Vielleicht die Reinigungskraft?" Abfällig zeigt sie über meine Kleidung und rümpft ihre perfekte Nase.

Unbemerkt schlucke ich den Kloß in meinem Hals herunter und die Verletzung, die sie bei mir auslöst. Meine Kleidung schreit nach Secondhand und meine Schuhe sind geliehen. Damit kann ich sie nicht übertreffen, da ich mein Geld für Kiara ausgebe.
Plötzlich schwindet mein Selbstvertrauen. Wenn sie meine Mittellosigkeit bemerkt, wird es hier jeden auffallen. Mein Blick schweift unbemerkt umher zu den Menschen, die sich an uns vorbeidrücken und weitestgehend ignorieren. Überall sehe ich maßgeschneiderte Anzüge, schicke, teure Designerkleider, Taschen und hochwertige Schuhe. Ich passe hier nicht rein. Vielleicht habe ich mich überschätzt und wirklich geglaubt ich könnte hier diesen Job ergattern.
„Mmf. Wie ich es mir dachte," wirft sie hinterher, bevor sie sich schwungvoll umdreht und ihre hohen Pfennigabsätze über den Boden hallen. Ich blicke ihr nach, wie sie auf die bronzefarbenen Aufzüge, im hinteren Bereich, zu stöckelt.

Fateful Night - Für immer verbundenWhere stories live. Discover now