- Kapitel 57 -

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Nach wenigen Anläufen zeigten die Heilzauber endlich Wirkung. Alastair gab sich wirklich Mühe mich weitestgehend von meinen Schmerzen zu befreien. Auch wenn ich keine äußeren Verletzungen davongetragen habe, so hat sich mein Körper bis zum Anschlag verausgabt. Leider litten darunter auch einige körperliche Funktionen, was mir zunehmend Schmerzen bereitete. Dank ihm fühle ich mich nun stark genug, um durch die Korridore zu laufen - oder besser gesagt, von ihm durch die Korridore getragen zu werden.

„Alastair..du musst mich wirklich nicht tragen. Es reicht schon wenn du mich stützt", insistiere ich peinlich berührt, doch er schüttelt vehement den Kopf.
„Ich denke nicht einmal daran dich auch nur einen Schritt machen zu lassen. Bis morgen früh wirst du dich nicht mehr bewegen, als absolut nötig, verstanden?", herrscht er eisern, woraufhin ich meine Niederlage eingestehen muss. „Wenn es dir nicht so wichtig wäre Kairyan und Arryn zu sehen hätte ich dieser Aktion auch niemals zugestimmt", fügt er mit rollenden Augen hinzu.
„Danke", murmle ich beschämt und drücke mein Gesicht in seine Uniform, in der Hoffnung meine erröteten Wangen endlich zu verstecken.

Wir steuern zunächst das Zimmer von Arryn an, da es ihn am meisten erwischt hatte. Ich hoffe inständig, dass es ihm gut geht. General Sekurion meinte, dass sein Zustand stabil sei, was mir ein seichtes Gefühl der Erleichterung beschert. Umständlich ballt Alastair seine Hand zur Faust und klopft an die Tür. Ohne eine Antwort abzuwarten drückt er die Klinke hinunter und betritt den Raum. Das Licht wurde gedimmt und die Vorhänge sind zugezogen, obwohl es draußen bereits zu dämmern beginnt.
Zögerlich hebe ich meinen Blick und sehe mich weiter um. Arryn liegt mit geschlossenen Augen auf seinem Bett. Die Decke ist ihm bis zur Brust gezogen worden und seine Hände ruhen gefaltet auf seinem Bauch. Zu unserer Überraschung ist auch Kairyan hier. Er scheint im Sitzen eingeschlafen zu sein. Sein Kopf ruht dicht neben Arryns Schulter und sein Mund ist einen Spalt weit geöffnet. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich ein Speichelfaden entlang seines Mundwinkels schlängelt, weshalb ich schmunzelnd meinen Blick abwende.

Leise tritt Alastair mit mir auf seinen Armen näher ans Bett heran und setzt mich auf den Stuhl, der am Rande steht. Ich lasse meinen Blick über Arryns verwundeten Körper gleiten und kann die dicken Verbandsschichten um sein Bein nur erahnen.
Auch Kairyan wurde ein Verband um den Kopf gewickelt durch den bereits ein schwacher Blutfleck durchgesickert zu sein scheint.
„Ich kümmere mich darum", flüstert Alastair leise und schreitet lautlos auf die andere Seite des Bettes. Er legt eine Hand auf Kairyans blonden Schopf, während er eine Zauberformel murmelt.
Ich hingegen beobachte Arryn dabei, wie er einen flachen Atemzug nach dem anderen macht. Ich seufze frustriert und lasse mich gegen die harte Lehne des Stuhls fallen.
„Hätte ich mich doch nur ein bisschen mehr beeilt..", murmle ich niedergeschlagen und werde verwundert von Alastairs dunklen Augen gemustert.
„Du hast alles getan, was in deiner Macht stand. Die beiden können sich glücklich schätzen dich ihre Freundin nennen zu dürfen", entgegnet er, während er sich über Arryn beugt und einen erneuten Heilzauber vorbereitet.
„Das bezweifle ich stark. Ich bin eine miserable Freundin..", lache ich humorlos auf und senke beschämt den Blick.
„Was redest du da? Du hast meine Befehle missachtet, dich in Gefahr begeben, dich blindlings und waghalsig vor die zwei geworfen und ihnen das Leben gerettet. Es gibt nicht viele, die das getan hätten", kontert er ungläubig.
„Das ist aber nur die Hälfte der Geschichte..", flüstere ich niedergeschlagen und seufze. „Es war Kairyan, der von Anfang an nach Arryn suchen wollte. Ich wollte mich feige aus dem Staub machen..Arryn einfach so zurücklassen..Wenn ich so darüber nachdenke wäre er heute wahrhaftig gestorben", flüstere ich apathisch, während mich die Erkenntnis mit voller Wucht trifft. Hätte ich mich nicht in letzter Sekunde umentschieden wären sowohl Arryn, als auch Kairyan heute gestorben. Eine unangenehme Gänsehaut bildet sich auf meiner Haut und jagt mir eisige Schauer den Rücken entlang.
„Aber du hast es nicht getan. Das ist es doch, was am Ende des Tages zählt, oder nicht?", kontert Alastair frech grinsend, woraufhin ich ihm ein erdrücktes Stöhnen entgegen bringe.
„Sag das einmal den beiden hier..Vor allem Kairyan..er muss mich für ein kaltblütiges Monster halten..und das zurecht", jammere ich genervt, da mich mein Gewissen quält.
„Wie ein Monster siehst du nicht gerade aus", triezt er und lässt allmählich von Arryn ab.
„Alastair! Ich meine das ernst", zische ich erbost, während er beschwichtigend die Hände hebt.
„Ist ja gut..Dann beantworte mir eine Frage. Was macht ein Monster denn zu einem Monster?", fragt er aus heiterem Himmel woraufhin ich verwirrt mein Gesicht verziehe.
„Grausames Verhalten? Bosheit? Rücksichtslosigkeit?..Hörner und ein Schweif? Keine Ahnung, was soll man darauf antworten?", stelle ich ihm schulterzuckend die Gegenfrage und ernte ein triumphales Lächeln.
„Ist das so?..Meiner Meinung nach hätte jeder anders auf diese Frage geantwortet weil jeder eine andere Vorstellung von einem Monster hat. Natürlich überschneiden sich einige Antwortmöglichkeiten, doch im Allgemeinen wirst du immer Unterschiede feststellen", erklärt er belehrend und hat dabei einen Finger in die Luft gestreckt.
„Und was willst du mir jetzt damit sagen?", hake ich verwirrt nach und schüttle den Kopf.
„Damit will ich dir sagen, dass Kairyan und Arryn dich nicht unbedingt als Monster sehen nur weil du das tust", entgegnet er, während er auf mich zukommt. „Abgesehen davon..kennst du auch nur ein Monster, das sein Verhalten in Frage stellt? Reue empfindet? Ein schlechtes Gewissen hat?", fügt er hinzu und bleibt direkt vor mir stehen. Sachte umfasst er mein Kinn und hebt meinen Kopf an. Er sieht mir wartend entgegen, doch mit dieser Frage hat er mich kalt erwischt.
„Nein..", gestehe ich, woraufhin er zufrieden lächelt. „Das dachte ich mir", kontert er süffisant, während Kairyan sich auf der anderen Seite des Bettes unruhig bewegt.

Mit halb offenen Augen und verschlafenem Blick starrt er uns beiden entgegen und neigt unmerklich den Kopf dabei.
„Was macht ihr beiden denn hier?", erklingt seine raue Stimme, ehe sie in ein gähnendes Seufzen übergeht. Er streckt sich ausgiebig und wischt sich nebenbei die aufkommenden Tränen aus den Augen. „Na du bist mir ja einer..Du bist glaube ich genauso wenig in der Position hier zu sein, wie wir beide", kontert Alastair schief grinsend und scheint den Blondschopf endgültig aus dem Land der Träume geholt zu haben.
„General Kalen, Sir..ich bitte um Verzeihung..ich hielt sie für eine Traumerscheinung", haspelt er nervös und verbeugt sich entschuldigend, was ihn kurz darauf aufstöhnen lässt. Er fasst sich zischend an die Stirn, woraufhin Alastair zu ihm eilt.
„Keine hastigen Bewegungen! Ich habe mich eben erst um deine Wunden gekümmert..Willst du, dass sie wieder aufplatzen?", nörgelt er und legt Kairyan erneut die Hand auf die Wunde.
„Verzeihen sie..Sir", murmelt der Blondschopf und lässt seinen Blick zu Arryn gleiten. „Ist er mittlerweile aufgewacht?", erkundigt er sich hoffnungsvoll.
„Nein, seit wir hier sind schläft er tief und fest", entgegne ich bedrückt und meide seinen Blick.
„Dir scheint es zum Glück auch wieder besser zu gehen. Ich wollte eigentlich nach dir sehen, doch ich muss wohl eingeschlafen sein..bitte entschuldige", entgegnet er mir unbeholfen. Überrascht hebe ich den Blick und starre ihm verwirrt entgegen.
„Nein, ich muss mich bei dir entschuldigen", kontere ich mit zusammengeschobenen Brauen. Er wirft mir einen irritierten Blick zu, ehe er sich fragend an Alastair wendet, doch dieser verdreht nur die Augen und deutet mit seinem Kopf in meine Richtung. „Wieso denn das?", fragt er perplex, während ich mich ein wenig aufrichte, um nicht mehr so in diesem Stuhl zu hängen.
„Du hattest recht..Man lässt Freunde nicht im Stich. Ich hätte nicht so reagieren dürfen. Es tut mir leid, Kairyan. Bitte glaube mir, dass ich es aufrichtig bereue und euch kein zweites Mal im Stich lassen werde", entschuldige ich mich demütig und verneige mich so tief ich kann ohne dabei vom Stuhl zu fallen.

Mit offenem Mund starrt er mir auch nach einigen Minuten, in denen er nichts erwiderte, noch immer entgegen. Unsicher wage ich es den Blick zu heben und ihn anzusehen.
„Ember..es stimmt, dass du dich anfangs falsch verhalten hast, doch..du brauchst uns nicht versichern, uns kein zweites Mal im Stich zu lassen weil du uns schon beim ersten Mal nicht hängen lassen hast", entgegnet er nun endlich, woraufhin sich meine Augen weiten. „Ohne dich wären Arryn und ich jetzt nicht mehr hier. Wir verdanken dir unser Leben", fährt er lächelnd fort und steht wankend auf.
„Hey! Ich bin noch nicht fertig. Setz dich wieder", nörgelt Alastair und tritt taumelnd einen Schritt zur Seite, doch der Blondschopf ignoriert ihn einfach und kommt langsam auf mich zu. Auf wackeligen Beinen bleibt er vor mir stehen und breitet seine Arme aus, ehe er sich zu mir hinab beugt und mich in eine feste Umarmung schließt.
„Danke Ember..", nuschelt er mir ins Haar und streicht mir behutsam über den Rücken. „Und unter uns..ich wusste, dass du zurückkommen würdest. Du bist kein Mensch, der Freunde zurücklässt", flüstert er und lässt meine Augen feucht werden. „Sehe ich da etwa deine harte Fassade bröckeln?", triezt er keck und deutet auf meine wässrigen Augen. Hastig streiche ich mir über die Augen und funkle ihn wütend an.
„So ein Quatsch! Ich weiß überhaupt nicht, wie du darauf kommst", kontere ich dementierend und verschränke daraufhin meine Arme vor der Brust. „Im Übrigen..mir gefällt die Farbe deiner Augen", kontert er frech grinsend, woraufhin mir die Gesichtszüge entgleiten. Ich hatte völlig vergessen meine Brillengläser wieder zu verdunkeln. „Sie entsprechen ganz dem Klischee deiner Magierklasse", fügt er lachend hinzu und zwinkert dabei verschwörerisch. Hilfesuchend sehe ich zu Alastair, der nur mit den Schultern zuckt.
„Die Katze ist ohnehin aus dem Sack, meine Kleine. Andererseits, was hast du auch erwartet? Spätestens nachdem du die Feuerfontäne abgewehrt hast und nicht wie ein geröstetes Stück Schinken aussahst kam wohl sogar dieses Spatzenhirn hinter dein Geheimnis", meint der Schwarzhaarige spitz und schmunzelt dabei.

Blind FireWhere stories live. Discover now