1; Robin

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In dicken, schweren Tropfen klatschte der Regen unerbittlich auf ihn hernieder, lief an seinen Schläfen vorbei und hinab zu seinem spitzen Kinn. Er wusste, wenn er den Kopf hob, dann würde ihn der wüste Regen direkt ins Gesicht treffen und seine Augen blenden. Und doch hätte er viel lieber nach oben in den von dunklen Wolken verhangenen Himmel geblickt als darauf, was unter ihm lag. Oder genauer gesagt: Vor ihm, wenn auch nur im übertragenen Sinne. Mit einem letzten, leisen Seufzen – er konnte es ja sowieso nicht ändern; er wollte nicht, aber er musste es wissen – blickte er auf den schwarzen Klettergurt, der fest um seine Hüften und Oberschenkel gebunden war und die starken Karabiner daran, die selbst in der düsteren Umgebung um ihn herum noch hell und silbern vor sich hin blitzten und funkelten. Sie wirkten viel zu fröhlich, als dass sie zu seiner eigenen schwermütigen, furchtsamen Stimmung gepasst hätten. Dabei war es gar nicht der kraftvoll um ihn herum rauschende Wasserfall, vor dem er sich fürchtete, auch nicht der freie Fall, in den er sich gleich begeben würde. Nein, er hatte Angst vor dem, was hinter diesem Vorhang aus unter ihm hinweg donnerndem Wasser auf ihn warten würde. Weil er sich schon denken konnte, was gleich kam. Unaufhörlich sprudelte der klare, angesichts des mit Anthrazit verwaschenen Horizonts graue Fluss unter seinen Füßen hinweg, teilte sich gluckernd um den kantigen, flachen Stein, auf dem er stand und fand sich anschließend wieder zusammen. Also gut, dachte er sich, bevor er sich nüchtern seinem Schicksal beugte, ich kann es ja sowieso nicht ändern. Ein letztes Mal überprüfte er die Festigkeit seiner Karabiner, die er bei seiner Ankunft hier tief in die Felsplatte unter sich gebohrt und durch ein reißfestes Seil mit sich verbunden hatte, dann stieß er sich kräftig mit den Füßen ab und übergab sich der Schwerkraft. Die Welt kippte unter ihm und für einen Moment fühlte er sich wie ein Vogel: Frei, des Fliegens mächtig, als könnte er all seine ihn plagenden Sorgen einfach hier, am obersten Punkt des kleinen Wasserfalls zurücklassen und verschwinden, mithilfe seiner mächtigen Schwingen immer und immer weiter nach oben aufsteigen in den dunklen Abendhimmel von Gotham, der Stadt, deren Außengrenze ein paar Kilometer weiter erst wieder so richtig begann.

Hart traf er auf die beinahe eiserne Wand aus Wasser auf, er prustete und spuckte, als ihm die eiskalte Flüssigkeit in Nase und Mund lief und ihm bis tief in seine Stirnhöhlen brannte. Dennoch gab das flüssige Hindernis ihm, wenn auch etwas unwillig, den Weg frei. Kühle Wassertropfen sprühten und spitzten um ihn herum, als er schließlich ungelenk im seichten Flussbett hinter dem Wasserfall aufkam. Wenigstens die nötige Länge des Seiles hatte er gut eingeschätzt. Er kam auf beiden Fußsohlen zum Stehen, statt hilflos in der Luft zu baumeln oder sich gar die Beine zu brechen. Einmal holte er tief Luft, dann sah er sich vorsichtig, aber auch ein wenig neugierig um.

Vor ihm ragte eine dunkle, unheilvoll aussehende Höhle auf, die zwischen den kantigen, abweisend wirkenden Felsscharten auf natürliche Weise entstanden war. Wasser tropfte und lief überall von den felsigen Wänden und sammelte sich in kleinen und großen Lachen auf dem unebenen Boden. Rasch machte er sich von seinem Klettergurt los – der Karabiner klinkerte leise, bevor er wieder unter dem gurgelnden Schwall hinter ihm verschwand, in den das Seil ihn zog – und watete die letzten Schritte durch das dunkle Wasser ans kiesbedeckte, unterirdische Ufer. In diesem Moment wäre er viel lieber irgendein ahnungsloser Archäologe oder verängstigter Forscher gewesen, der versehentlich in diese verborgene Felsöffnung gestolpert war, als jemand, der ganz genau wusste, was ihn hier erwartete – und deshalb eigentlich nicht hier sein wollte.

Aber gleichzeitig wusste er, dass er es ihm schlichtweg schuldig war. Wenn Bruce für die Menschen dieser Stadt ein so großes Opfer gebracht hatte – er hatte sein Leben gegeben, um die Bürger von Gotham vor Banes wahnsinnigen Plänen von einem neuen Zeitalter zu beschützen – wie konnte er ihm dann diese letzte, stumme Bitte abschlagen? Egal, wie viel sie von ihm abverlangte; vollkommen unwichtig, wie wenig er diese Bürde in Wahrheit auf sich nehmen wollte? Schließlich hatte Bruce auch sein Leben gerettet. Ohne ihn wäre er in diesem Moment vermutlich nicht viel mehr als ein paar radioaktiv verseuchte Ascheflöckchen gewesen, die in der seichten, salzigen Brise über das stahlgraue Meer dem blassen Horizont entgegen schwebten. Und es hätte es ihm auch gewiss keine Ruhe gelassen, wenn er nicht den hastig dahingekritzelten Koordinaten auf dem zerfledderten gelben Zettel gefolgt wäre, den er in der unscheinbar wirkenden Sporttasche gefunden hatte, die ihm als Bruce Waynes posthume Hinterlassenschaft an ihn überreicht worden war.

Gothams Engel - Batman (John Blake) Fan FictionWhere stories live. Discover now