Kapitel 7

724 31 0
                                    

Sie sah zu ihm auf. “Mal gucken, was du heute noch so mit mir machst.“
Er warf einen kurzen Blick auf seine Uhr. “Es ist schon um vier, wenn du jetzt noch nicht überzeugt bist, dann muss ich mir echt noch was einfallen lassen.“
Sie drehte sich vor ihn und sah zu ihm hoch “Bitte, bring mich an einen Ort, wo wir zwei uns ungestört den Sonnenaufgang angucken können“, bat sie ihn. Er legte den Kopf schief, den Blick in die Ferne gerichtet und als er sie wieder ansah, funkelten seine Augen. “Okay, ich weiß genau, wo wir uns ungestört den Sonnen Aufgang angucken können. Aber vielleicht müssen wir dafür ein bisschen was Illegales machen.“ Er sah sie prüfend an
“Und worauf warten wir dann noch?“ Und da war sie wieder, die Lust auf Abenteuer.

Wenn ihr ihre Füße nach dieser Nacht nicht wehtaten, dann wüsste sie auch nicht weiter. Sie war sich sicher in einer Nacht noch nie so viel gelaufen zu sein, doch es macht ihr nicht wirklich etwas aus. Mit ihm neben sich, hätte sie ewig weiterlaufen können, sich die besten Plätze von ihm zeigen lassen und sich von seinen starken Armen halten und beschützen lassen. Doch sie hatten nur diese Nacht gemeinsam und die war bereits fast um.
Wie durch Zufall trafen sich ihre Hände, als sie nebeneinander her durch die dunklen Straßen Londons streiften, und ihre Finger verwoben sich ineinander.
"Jetzt müssen wir nur hoffen, dass Jeffrey wieder Dienst hat und nicht Arthur", hörte sie ihn vor sich hinmurmeln, als sie um eine Ecke bogen und geradewegs auf ein riesiges Gebäude zusteuerten. Ihr stockte der Atmen als sie erkannte, wo sie sich befanden.
Vor ihnen ragten majestätisch die Mauern der St. Pauls Cathedral in den schwarzen Nachthimmel, die hohen Stufen davor nur durch kleine Laternen neben dem riesigen Eingangsportal erleuchtet. Und noch etwas hob sich schwarz vom hellen Licht der Laternen ab: Eine Person. Genauer gesagt ein Mann in Uniform, der mit verschränkten Armen vor der Kirche Wache hielt. Seinen Gesichtsausdruck konnte sie nicht erkennen, dafür war es zu dunkel.
Tom ließ ihre Hand los und ging geradewegs auf den Mann zu. Sie war sich nicht sicher, was er vorhatte, folgte ihm dennoch schweigend. Die Dunkelheit umhüllte sie noch, als sie Tom schon sprechen hörte.
"Jeffrey, mein Kumpel!", rief er erfreut und ging mit ausgebreiteten Armen auf den Wärter zu. Dessen Gesicht lag noch immer im Dunkeln, doch sein nicht gerade leicht genervtes Stöhnen deutete darauf hin, dass er nicht unbedingt erfreut über seinen nächtlichen Besuch war.
Tom brauchte nicht einmal etwas zu erklären, denn Jeffrey sagte sofort: "Hör zu, Thomas, ich sage es dir jetzt zum letzten Mal: Das ist eine Kirche, kein Rummelplatz für Halbwüchsige. Ich werde dich und deinen nach Curry riechenden Freund ganz sicher nicht reinlassen, nur weil ihr es nicht für nötig halten, euch wie jeder normale Mensch zu verhalten und einfach ins Bett-"
"Ich bin nicht mit Scooby hier", hörte sie Tom erwidern. Auch sein Gesicht konnte sie nicht sehen, doch sie konnte sich seine Unschuldsmiene nur zu gut vorstellen.
"Tja, dann tut es mir leid für dich und wen auch immer du da mitgebracht hast, aber meine Antwort bleibt nein."
"Ach komm schon Jeffrey, sei kein Spielverderber! Es ist noch nie etwas passiert! Und außerdem..." Sie konnte erkennen, wie Tom sich vorbeugte und Jeffrey etwas für sie Unverständliches zuflüsterte.
Nach einem kurzen Moment, in dem sie einfach nur abwartend auf einer der Treppenstufen stand und zu den Männern hinaufblickte, drehte Tom sich zu ihr um und gab ihr mit einem Handzeichen zu verstehen, dass sie ihm folgen sollte. Langsam und vorsichtig lief sie die Treppenstufen hinauf, lächelte Jeffrey - der, wie sie mit einem flüchtigen Blick feststellte, ein beinah glatzköpfiger, schlaksiger Mann, mittleren Alters war - kurz zu und griff dann nach der Hand, die Tom ihr hinhielt. In der anderen hielt er einen Schlüsselbund, der so überfüllt war, dass sie sich fragte, wie man den die ganze Zeit mit sich herumtragen konnte.
"Vielen Dank nochmal, Jeffrey!", rief Tom dem Wärter zu, während er eine kleine Tür neben dem riesigen Portal aufschloss. "Du bist ein Schatz!"
"Jaja..."
Dann zwinkerte er ihr noch einmal zu, öffnete die Tür und zog sie ins Innere der Kirche.
In der Kirche war es dunkel und sie konnte kaum etwas erkennen, doch Tom zog sie zielstrebig zu einer Ecke, der sie nicht mal am Tag Beachtung geschenkt hätte. Vor der Wand blieb Tom stehen und fummelte an dem Schlüssel herum und da erst konnte sie schwach den Umriss einer Tür erkennen.
Mit einem Klack sprang der Riegel zurück und Tom öffnete ihr die Tür “Ladys first“, er deutet eine Vorbeugung an und zeigte in den Raum, der hinter der Tür lag. Es war stockduster.
“Sei mir nicht böse, aber da gehe ich ganz sicher nicht als Erste rein.“ Sie sah ihn misstrauisch an.
“Hast du etwa Angst?“, fragte er zurück, seine Augen funkelten in der Dunkelheit.
“Vor einem dunklen Nichts, in einer sehr, sehr alten Kirche? Zumindest habe ich tiefen Respekt.“ Sie hoffte, ihre Stimme zitterte nicht. Tom schmunzelte, dann griff er ihre Hand, ging vor und zog sie mit sich in das Loch. Der Gang war schmal und einmal bogen sie um eine Ecke. Und dann-
“Achtung! Stufen“, sagte Tom noch, aber da war es schon zu spät. Gerade so, mit der Wand und seiner Hand als Stütze, gelang es ihr, nicht zu fallen
“Ahh, gut dass du das sagst, sonst wäre ich noch gestolpert“, sagte sie ironisch und musste lachen.
“Und das könnte ich ja nicht verantworten.“ Neckisch grinste er sie an “So komm, das wird jetzt ein langer Marsch.“ Und dann fingen sie an, unzählige Stufen nach oben zu steigen.
Sie glaubte bereits, diese Stufen würden nie ein Ende nehmen, als er erneut nach dem Schlüssel griff und ihr bedeutete, stehen zu bleiben. Wieder ein Klack und dann drehte er sich zu ihr um.
“Bereit?“ Er sah sie erwartungsvoll an
“Immer!“ Sie erwiderte seinen Blick, stieg die letzte Stufe hoch und stand nun dicht vor ihm, sehr dicht. Es verschlug ihr den Atem, aber das konnte sich an den vielen Stufen liegen.
Die Beiden sahen sich in die Augen, die Zeit schien still zu stehen. “Vertraust du mir?“ Seine Stimme war ganz leise und sie brachte nur ein Nicken zustande, hatte ein wenig Angst , dass ein einziges zu lautes Geräusch reichte, um den Moment zu zerstören.
Dann spürte sie seine Hände an ihrer Hüfte und die Kraft seiner Arme, als er sie mit dem Rücken zu sich drehte. “Mach die Augen zu“, seine Lippen waren an ihrem Ohr, seine Hände fest an ihrer Seite. Sie blinzelte ein paar Mal, dann ließ sie die Augen geschlossen. In ihr vermischten sich die verschiedensten Gefühle: Freude, Neugier, Lust.
“Sind die Augen zu?“ Sie legte ihrer Hände über seine, um besseren Halt zu haben und sofort verflochten sich seine Finger mit ihren.
“Ja“, hauchte sie.
“Sicher?“
“Ja, man Tom, ich platze gleich vor Neugier!“ Sie zappelte herum und jetzt klang sie etwas quengelig, doch sie spürte sein Lächeln an ihren Haaren. Kurz war seine eine Hand weg, sie höre wie er die Tür aufstieß. Eine leichte Brise spielte mit ihren Haaren und dann schoben seine Arme sie einen Schritt nach vorn und sie spürte, dass sie nun draußen waren.

A Night In London | Tom Holland ffWhere stories live. Discover now