Das Echo seiner tiefen Stimme verstarb in der Ferne und ich spürte ein schmerzliches Stechen durch meine Markierung. Ich rieb über seine Brust, als könnte das den Schmerz irgendwie lindern.

„Es tut mir leid."

„Ich weiß. Ich kann es spüren."

Eros' Wärme schützte mich vor der inneren Kälte des Berges, als wir wortlos weitergingen. Plötzlich erklang ein Knacksen in der Ferne.

Sofort verharrte ich, während es Eros nicht zu stören schien.

„Was war das?", fragte ich panisch.

Ich wandte meinen Blick zurück zu dem Gang, aus dem wir gekommen waren. Meine eingeschränkte Sicht tat nichts, um mich zu beruhigen. Eros hingegen schien kein Problem mit dem fremden Geräusch zu haben.

„Kein Sorge, wir sind auf dem richtigen Weg."

Ich wusste nicht, wie viele Tonnen Stein gerade über uns lasteten und ich wollte es mir gar nicht erst vorstellen.

„Hoffentlich kommen wir hier lebend wieder raus", murmelte ich.

„So etwas pessimistisches habe ich von dir noch nie gehört", erwiderte Eros amüsiert.

„Ja, auch ich habe meine Grenzen und ein riesiger Berg unter der Erde, kaum Licht und ein eingefrorenes Monster mit drei Köpfen liegen schon weit dahinter."

Eros blieb ruckartig stehen und ich tauchte in seine warme Umarmung ein. Er legte sein Kinn auf meinen Kopf und ich war völlig in seinen Armen gefangen.

„Keine Sorge, ich würde nie zulassen, dass dir etwas passiert, auch wenn du mich manchmal zur Weißglut bringst."

„Das will ich auch hoffen. Höhlen sind eines der Dinge, die ich immer gemieden habe", grummelte ich in seinen Mantel hinein.

Eros' Geruch nach Wald beruhigte meine angespannten Nerven. Plötzlich dröhnten mehr Geräusche durch den Gang der Höhle und ließen meine Entspannung verpuffen.

„So, und jetzt sagst du mir, wohin wir gehen und was dein Plan ist."

Eros löste sich von mir und ein kleiner Teil vermisste seine Wärme; wenn ich so darüber nachdachte war es eher ein großer Teil.

Er nahm meine Hand und führte mich weiter hinein. Plötzlich hörte ich fremde Stimmen und ein Funken Angst entsprang meinem Herzen. Ich lehnte mich wieder gegen Eros und presste sich so nah an ihn, wie es mir möglich war ohne stehen zu bleiben.

Der Gang wurde breiter und öffnete sich, während die Geräusche an Lautstärke gewannen. Dann traten wir ins Licht eines riesigen Raumes unter der Erde.

Eine angenehme Wärme empfing mich.

Riesige Säulen trugen den Berg auf den Schultern und verschwanden in der Dunkelheit der Decke. Meine Kinnlade klappte hinunter.

Ein Meer aus Werwölfen lag vor uns. Einige schienen zu arbeiten, andere redeten animiert miteinander, wieder andere schauten zum Licht des Mondes hinauf.

„Ephilia, das hier sind die Nomaden des Nordens."

Die ersten Nasen schienen uns bemerkt zu haben und Köpfe und Blicke zuckten zu uns. Es kostete alles in mir, mich nicht hinter Eros' breiter Statur zu verstecken.

„Eros!"

Freudige Rufe echoten durch die Halle und einige Werwölfe ließen von ihrer Arbeit ab und kamen auf uns zugelaufen. Hektisch ließ ich Eros' Hand los, gab meinen Instinkten nach und verkroch mich hinter ihm.

Er schien es zu verstehen und trat einige Schritte vor mich, um die Leute, die er offensichtlich kannte mit einer Umarmung zu begrüßen.

„Ilja, wie schön dich zu sehen!"

Als der Nomade in meinem Alter näherkam, sah ich seine blaue Kriegsbemalung auf den Wangen, die sich zu einem Lächeln verzogen hatte.

Dann wandte er sein Gesicht zu mir und er starrte mich merkwürdig an. Ich spürte, wie sein Blick auf meiner Markierung brannte und seine Augen leuchteten auf.

„Ha, du hast endlich auch eine Gefährtin!"

Eros legte beschützend seinen Arm um mich und ich trat neben ihn.

„Es freut mich sehr", sagte ich und neigte meinen Kopf.

„Wieso verbeugt sie sich vor mir, wenn ich derjenige sein sollte, der sich vor ihr verneigen müsste?", fragte Ilja.

Er atmete tief ein, um alle Gerüche um ihn herum zu erkennen. Seine Augen blitzten gelb auf, als sein Wolf die Kontrolle übernahm. Eros knurrte und schob mich beschützend hinter ihn, als sein eigener Wolf die Oberhand gewann.

Dies schien Ilja wieder zur Besinnung zu bringen.

„Sie hat keinen Wolf?", fragte er irritiert. „Ist sie etwa in der letzten Mondfinsternis geboren worden?"

Eine Woge aus Mut überflutete mich, als ich hörte, wie der Nomade über mich sprach.

„Ich bin kein Werwolf. Ich bin ein Mensch", sagte ich mit so viel Selbstbewusstsein, wie ich aufbringen konnte.

In Iljas Augen glänzte Verwunderung und er starrte mich neugierig an.

„Ein Kind der Sonne", raunte er.

Ich sagte nichts bei seiner Bemerkung. Mit dieser Bezeichnung für Mensch konnte ich sehr gut leben. Eros' Anspannung hatte sich noch nicht gelöst, doch er schien wieder die Kontrolle zu haben.

„Richtig und sie ist meine Gefährtin."

„Das ist unmöglich..."

„Offensichtlich nicht", knurrte Eros genervt.

Ilja verbeugte sich tief und ich konnte die Demut in seinen Augen sehen.

„Bitte verzeiht mir, Ephilia. Ich wollte Euch nicht beleidigen. Mir ist nur noch nie ein Kind der Sonne begegnet, hier im Norden."

„Es gibt immer Zeit für ein erstes Mal", sagte ich vorsichtig.

Die Nomaden schienen näher mit ihrem Wolf verbunden als alle anderen Rudel. Es war wohl das beste, wenn ich die ganze Zeit über bei Eros blieb und mich auf keinen Fall allein bewegte.

Eros blickte auf mich hinab.

„Komm, es gibt noch einiges, was du hier sehen musst. Nachdem meine Eltern starben habe ich ein Jahr lang mit den Nomaden gelebt", sagte er.

Plötzlich ergab alles einen Sinn.

Kein Wunder, warum er so gefürchtet war bei anderen Rudeln. Er hatte die härtesten Schläge der Natur überlebt und war danach in die Zivilisation zurückgekehrt.

Ein Schauer lief über meinen Rücken.

Ich konnte nur ahnen, was er hier alles erlebt hatte...



...


Soo, wie war das Kapitel?


Kritik, Anregungen und Witze sind natürlich immer erwünscht :)


Sonst sehen wir uns am Mittwoch wieder!


Bis dahin!

Die Königin des NordensWhere stories live. Discover now