Der blaue Mann

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Durch einen stechenden Schmerz in meinem Rücken erwachte ich aus meiner Ohnmacht. Ich erwartete, in meinem Bett zu liegen, unter der wohlig warmen Decke, aber ein kalter Luftzug streifte über meine nackte Haut. Ich wollte instinktiv nach meiner Decke greifen, doch ein stechender Schmerz durchfuhr meine Handgelenke, als ich sie bewegen wollte. Ich zischte auf und öffnete meine Augen. Ich saß in völliger Dunkelheit gefesselt an einen Stuhl. Das harte Holz fühlte sich unangenehm an unter meinem Hintern und die Lehne drückte in meine Arme, die hinter dieser zusammengebunden waren. Ich rüttelte und riss daran, bis ich registrierte, dass das feste Seil sich längst blutig in meine Haut gefressen hatte.

»Hallo?«, schrie ich in die Dunkelheit. Meine Stimme hallte an den Wänden des Raumes wider. Es klang, als stünde der Raum leer, als befände sich außer meiner Wenigkeit nichts darin. »Hope?«, rief ich als nächstes. Mein Herz hämmerte stärker gegen meine Brust. Spätestens nachdem ich kein Bellen von ihr hörte, nahm die Angst überhand in meinem Inneren.

»Hope!« Ich schrie und rief immer wieder nach ihr. Ich vernahm weder ein Jaulen, ein Atmen oder Bellen. Stille erdrückte mich in diesem Raum. Meine Haare am ganzen Körper standen zu Berge und ich zitterte.

Meine Jacke fehlte... Unten rum zog ein kühler Luftzug über meine nackte Haut. Der dünne Stoff meiner Unterwäsche und der Socken war das einzige, das mich wärmte. Ich rüttelte stärker an den Fesseln, stampfte mit meinen Füßen gegen den Boden bis sie schmerzten. Ich kämpfte gegen die aufkommenden Tränen.

Wo war ich gelandet? Im Keller eines Wahninnigen Mörders? Würde ich nun mein Leben verlieren, noch früher, als es bestimmt war? Ich dachte, dass ich trotz meiner Krankheit noch wenige Jahre, oder zumindest Monate zu leben hatte. Monate und Jahren, um meine letzten Wünsche und Ziele zu erfüllen, die nun meilenweit entfernt schienen.

Ich schrie aus voller Kehle, dann erstickte meine Stimme in einem einzelnen Schluchzten. Endete es wirklich hier? Im Dunkeln allein und verlassen? Ohne Hope an meiner Seite?

Ich verlor an Kraft. Meine Stimme wurde heiser, meine Muskeln müde und ich hing schlaff im Stuhl. Ich ignorierte das Seil, dass sich schmerzlich in meine Haut bohrte, aber mir fehlte selbst die Energie, um noch aufrecht zu sitzen.

Ich hatte mich damit abgefunden, dass ich Krank bin und noch weniger sorgte ich mich um den Tod. Aber das hieß längst nicht, dass ich mich mit dieser Tatsache abfand und erst recht nicht, dass ich sie akzeptierte,

Ein letztes Mal rief ich um Hilfe, um meine geliebte Hündin, als ich augenblicklich verstummte, weil die Tür mir gegenüber geöffnet wurde. Ein schmaler Lichtstrahl trat ins Innere des Raumes und ihm folgte die dunkle Gestalt eines großen Mannes.

Ich schluckte schwer. Zitterte. Atmete hektisch ein und aus. Dies war mein Ende... Heute, hier... Zumindest - ein kleines Lächeln schlich sich auf meine Lippen - sahen meine besten Freunde nicht, wie ich elendig starb. Und zumindest blieb mir dieser letzte Anblick von ihnen erspart, wie ihre Gesichter mit Tränen überströmt auf mich herabblickten mit dem Wissen, dass sie mich nun zum letzten Mal sehen werden.

Die dunkle Gestalt drückte auf den Lichtschalter. Ich kniff meine Augen zusammen. Aber selbst wenn ich mich an die Helligkeit gewöhnt hatte, wollte ich meinem Peiniger in die Augen sehen? Sollte ich ihm die Genugtuung meiner Angst geben, ihn mit einem Anblick eine Krankhafte Freude bereiten?

Ich tat es, ich öffnete meine Augen. Aber nicht, weil ich ihm das alles geben wollte, sonders aus meinem eigenen Ego heraus: wenn ich sterben sollte, dann mit Würde. Ich wollte meinem Peiniger zeigen, dass er sich den Spaß ersparen konnte, sich an meiner gebrochenen Seele zu ergötzen, geschweige denn an meinen Tränen, die längst aufgehört hatten zu fließen.

»Das ist nicht euer Territorium!«, knurrte der Mann in blau dasselbe wie zuvor. »Euch wurde ein Gebiet gegeben, in dem ihr Leben könnt und hier habt ihr rein gar nichts zu suchen!«

Ich zog verwirrt meine Brauen in die Höhe. Allmählich schlich sich der Gedanke in meinen Kopf, dass es sich um ein Missverständnis handelte.

»Wo sind deine Freunde? Warum dringt ihr in Mein Territorium ein?«

Naja, fast um ein Missverständnis. Ich war hier eingedrungen, aber nur, weil die Tür sich so einfach hatte öffnen lassen. Ich dachte, dieser Ort wäre ausgestorben, ein verlassener Bunker und nicht von einem merkwürdig großen Mann mit blauer Haut beheimatet. 

»Wenn ich dich gehen lassen soll, dann rede! Wir lassen euch Mutationen aus Gutmütigkeit leben, aber ihr habt Regeln zu befolgen! Ihr kennt das verfluchte Risiko, bis sich alles einrenkt!«

Immer mehr Verwirrung trat überkam mich. »Mutationen?«, fragte ich zögerlich nach. »Ich bin ein Mensch«, berichtige ich mit einer trotzigen Stimme. Und wenn er mit Mutation auf eine Krankhafte Ausdrucksweise einen Behinderten meinte, dann lag er auch falsch. Ich war krank, aber noch längst nicht körperlich oder geistig beeinträchtigt! Allmählich wandelte die Angst in Wut darauf um, was dieser ominöse Mann sich erlaubte zu sagen.

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