„Schön. Dann verschwinde jetzt aus meinem Haus."
Taehyung wollte nicht so gemein klingen, wie er es tat, und bereute es auch schon drei Sekunden zu spät.

„Jin hatte recht. Ihr seid wirklich wie eine eigene Elite, der man sich entweder anschließt oder von ihr verstoßen wird. Ganz egal, welche Moralvorstellungen man hat", nuschelte Jeongguk kaum hörbar und doch laut genug, dass es das Rattern der Waschmaschine im Nebenzimmer übertönte.

„Nimm das zurück. An Gott zu glauben ist kein Privileg, das Menschen zu besseren Menschen macht. Nicht immer zumindest", gab Taehyung zurück und machte wieder einen Schritt auf Jeongguk zu, die Hände zu Fäusten geballt. Das Adrenalin weckte ihn auf.

„Oh, ach ja? Und warum führst du dich dann auf, als wäre es eins, Bartholomäus?"
„Ich führe mich nicht so auf. Der Einzige, der daraus gerade ein Drama macht, bist du. Ganz. Allein. Du."

Bei jedem der letzten drei Worte tippte Taehyung fest gegen Jeongguks Brust, woraufhin dieser abwehrend einen Schritt zurück machte. Taehyung war lange nicht mehr so wütend auf ihn gewesen und dass Jeongguk seine Hand schmerzhaft wegschlug, sorgte auch nicht notwendigerweise dafür, dass er sich beruhigte.

„Fass mich noch einmal an und ich..."
„Ja?"

Taehyung dachte gar nicht daran, wie provokant und falsch er sich verhielt.
Er dachte nur an Seokjin, seine Familie, ihr Dorfleben in dem es tatsächlich eine Seltenheit war, wenn jemand nicht jeden Sonntag zur Kirche kam, und daran, dass Jeongguk ihn seit zwei Jahren genau dafür verachtete und aufzog. Dafür, dass er an Gott glaubte und jeder andere der siebenundzwanzig Einwohner es ebenfalls tat.

„Was willst du tun, huh?", zischte er und schubste ihn nach hinten.

Nicht sonderlich wirksam, da Jeongguk einen beeindruckend festen Stand hatte, aber es hatte ausgereicht, um ihn in die Offensive zu locken und Taehyung so heftig eine runterzuhauen, dass dessen Kopf zur Seite flog und er für ein paar Sekunden in dieser Position verharrte, um sich an seinen Namen zu erinnern.

Erschrocken tastete er nach der brennenden Stelle, während sein Blick langsam an Jeongguk hoch wanderte, er jegliche moralische Vorhaben ausblendete und ausholte, um einen Gegenangriff zu starten.

Es dauerte nicht lange, da lagen sie in einander verkeilt auf dem Boden und prügelten sich nach allen Regeln der Kunst so rücksichtslos, wie seit Monaten nicht mehr. Und Taehyung merkte einmal mehr, wie sehr er verbale Schlagabtausche mit Jeongguk bevorzugte.

Jeongguk war schon immer kräftiger gewesen als er und hatte bis zur Achten regelmäßiges Boxtraining gehabt, sodass Taehyung ihm in so ziemlich allen körperlichen Voraussetzungen unterlag, die man für eine Rauferei benötigte. Doch egal, wie sehr seine Wange auch brannte, er besaß etwas, dass Jeongguk in diesem Moment nicht zur Verfügung stand; unbändige Wut und den lodernden Ehrgeiz es ihm heimzuzahlen.

Von diesem Gefühl getrieben warf er sich in Jeongguks Griff hin und her, wand sich unter ihm und blockte die halbherzigen Angriffe ab, um selbst zuzuschlagen.

Doch erst als Taehyung es tatsächlich schaffte Jeongguk ziellos seine Faust ins Gesicht zu rammen und er schmerzerfüllt aufschrie, wurde ihnen beiden klar, was sie dort gerade taten. Und wie auf ein stilles Kommando hielten sie inne.

Die Stille legte sich über den Raum wie ein Theatervorhang und man hörte nur noch Taehyungs Keuchen, Jeongguk, der mit einer Hand vorsichtig seine aufgeplatzte Lippe abtastete, und die laufende Waschmaschine im Nebenzimmer.
Und dann die Schritte auf der Treppe.

„Scheiße", fluchte Taehyung und schob den perplexen Jeongguk von sich runter. Mehr musste er gar nicht sagen.
Es war, als wäre ihre telepathische Bindung trotz aller Differenzen innerhalb einer Sekunde eingeschaltet worden und hätte ihre lautlose, über Jahre perfektionierte Kommunikation aktiviert.

Obwohl ihm alle Knochen wehtaten, bückte Taehyung sich und gab Jeongguk eine Räuberleiter, während dieser sich so elegant wie eine Katze durch das Fenster auf den Rasen zog, seine Jacke richtete und über die Straße zurück zu seinem eigenen Haus rannte, jedoch nicht ohne noch einmal zurückzusehen.

Taehyung indessen hastete zurück zu seinem Bett und warf sich gerade noch rechtzeitig zurück in die Kissen, als die Tür auch schon aufging und sein Vater den Kopf zur Tür hereinsteckte.













Erste Eindrücke?

(Und nein, ich weiß selbst nicht genau, was ich hier tue.)

Walk on water  ⇢ TaekookWhere stories live. Discover now