Kapitel 3. Unerwartete Ereignisse

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,,Ein bisschen mehr Konzentration Mädchen"! rief Madame Giry streng, während sie an den tanzenden Ballerinen vorbei lief. ,,Halte deine Balance Meg! Sophie, gut, sehr gut, strecke dein Bein noch ein wenig mehr, gut"! Antoinettes Nichte war erst seit einer Woche in ihrem Ballett und war schon die Beste neben Meg. Damals hatte sie Christiné schon für außergewöhnlich gehalten, aber Sophie hatte eine Leidenschaft und eine Eleganz die den anderen Mädchen fehlte. Wenn sie tanzte, schien Ballett wie das Einfachste auf der Welt. Sie bewegte sich leicht wie eine Feder, so graziös wie Schwan, so beweglich wie eine Katze und gleichzeitig mit der Stärke einer Löwin. In ihrem Blick lag ein unergründliches Feuer, eine Sehnsucht die Madame Giry bisher nur aus einem Augenpaar kannte.

Von Oben aus, sah Erik zu, so wie er es immer tat. Gut verborgen in den Schatten, beobachtete er die Tänzerinnen. Besonders aber war sein Interesse wieder auf die Nichte der Madame gefallen. Sie war in der Tat ausgesprochen talentiert, das konnte selbst er nicht leugnen und ignorieren. Sie hatte einen Funken, ein gewisses Etwas, dass selbst Christiné übertraf. Es überraschte Erik, dass Sophies Vater bisher noch die Füße still hielt. Er hatte das Gespräch zwischen ihm und den Direktoren belauscht. Vincent hatte in großen Tönen von seiner Tochter gesprochen und es war klar, dass er Aufmerksamkeit auf sie ziehen wollte. Aber bisher hatte seine Tochter keine Anstalten gemacht zu singen. Einerseits passte es Erik, dass das Theater um Carlottas vorübergehende Besetzung still gelegt war. Anderseits konnte er die Neugierde darüber, wie Sophies Stimme wohl klingen würde nicht abschütteln. Es frustrierte ihn umso mehr, dass er überhaupt so dachte. Er erinnerte sich stets daran, dass er sich von ihr fernhalten musste. Nein, er wollte niemanden mehr an sich heran lassen. Er durfte erst gar nicht damit anfangen sich für die schöne Brünette zu interessieren. Egal wie begabt und vielversprechend sie schien. Und mitten in seinen Gedanken, fand sich Erik immer noch an Ort und Stelle. Seufzend wischte er sich über sein Gesicht samt Maske und wand sich um, um zu gehen. Er war gerade durch einen der schmalen Durchgänge gelaufen, bereit die Treppe hinunter zu seiner Grotte zu nehmen, da drangen laute Stimme an sein Ohr. Sie kamen aus der Richtung der Lobby und kamen immer näher. Irgendetwas ging vor sich. Selbst die Bühnenarbeiter hatten ihre Plätze verlassen und eilten nun auch in Richtung des Tumults. Die Menge quietschte und rief in einem lauten Durcheinander. Erik rollte die Augen. ,,Was denn jetzt schon wieder"? und machte auf seinem Absatz kehrt um nach dem Ursprung des aufkeimenden Chaos zu sehen.

,,Was ist da los"? rief Sophie Meg zu als Monsieur Reyer sein Orchester plötzlich stoppte. ,,Monsieur Reyer"! rief Madame Giry leicht genervt ,,was geht da unten vor"? ,,Ich weiß'es nicht Madame"! rief der Dirigent zu ihr ,,es ist viel zu laut"! ,,Ja und? Seit wann stört sie das"? Madame Giry schüttelte den Kopf und seufzte. Es dauerte nicht lange, da hatte die Menge sich bis in den Bühnensaal vorgedrängt. ,,Bleibt dicht beieinander"! befahlt die Madame den Mädchen ,,Keiner verlässt die Bühne"! ,,Ich kann nichts sehen"! Meg versuchte sich zu strecken. Madame Girys Augen scannten die Masse für einen Moment und dann ganz plötzlich erkannte sie woher der Aufruhr kam. ,,Du liebe Zeit"! hauchte sie, griff sich kurz an die Stirn und machte sich dann auf den Weg die Bühne runter. ,,Maman, was ist los"? rief Meg noch einmal, aber ihre Mutter wies sie nur an Ort und Stelle zu bleiben. ,,Wo geht sie hin"? fragte Sophie ihre Kusine. ,,Ich weiß es nicht..:halt...warte"! und dann sah sie es auch. Eine großgewachsene Frau mit roten Locken stampfte voraus und zog einen riesen Rattenschwanz von Menschen hinter sich her. Neben ihr, die Direktoren. ,,Oh weih"! hauchte Meg und klang beinahe wie ihre Mutter. ,,Was"? wiederholte Sophie, jetzt noch neugieriger. ,,Ich dachte schon sie kommt nie wieder"! Meg legte den Kopf leicht zur Seite um besser sehen zu können. ,,Wer Meg? Wer? Was passiert da unten"? Sophie folgte dem Blick ihrer Kusine. ,,Da, schau"! Meg deutete auf die Rothaarige in dem aufwändig magenta-farbenem Kleid. ,,Wer ist das"? erkundigte sich Sophie ,,sie sieht berühmt aus. Die Menge lässt sie ja gar nicht in Ruhe". ,,Naja, das ist sie auch, mehr oder weniger. Ihr Name ist Carlotta Giudicelli. Sie war hier Jahrelang die Prima Donna" erklärte Meg. ,,Was? Die Carlotta Giudicelli"? Sophie blinzelte. ,,Ja, genau die"! bekräftigte Meg ,,die größte Diva, die auf der Erde zu finden ist, wenn du mich fragst. Nachdem sie die Oper für ungewisse Zeit verlassen hatte, haben die Meisten damit gerechnet, dass sie nie wieder kommt, aber hier ist sie wieder. Man munkelt, dass die Direktoren einen Deal mit ihr eingegangen sind". Sophie beobachtete das Geschehen genauer.

Wandel des SchicksaalsWhere stories live. Discover now