»Kannst du aufhören mit den Spielchen und rauskommen, dass wir dich sehen.«, forderte ich sie auf, aus der Dunkelheit hervorzutreten.

»Aber Spielchen sind alles was mir noch geblieben sind. Hier allein seit Ewigkeiten, ohne Beschäftigung. Da kommen mir die Suchenden gelegen.«, ein animalisches Lachen entfuhr ihr. »Manche nannten sich Helden. Manche Eroberer. Doch noch nie wurde mir entwendet was jeder sucht. Alle ließen hier ihr leben. Es ist jetzt schon einige Zeit her, seitdem der letzte Suchende kam.«

»Das ändert sich heute.«, sagte ich gleichgültig.

Wieder lachte sie. Diesmal jedoch menschlicher. »Das bleibt abzuwarten. Seit Hermes mich in Gefangenschaft steckte. Mein Fluch. Gefangen, um das Heilmittel vor unwürdigen zu schützen.«

»Hermes ist tot.«, wies ich auf.

»Aber sein Fluch liegt noch auf mir. Selbst nach seinem Tot. Das hat er sichergestellt.«, sagte sie bitter. »Aber genug von mir. Wer seid ihr?«

»Ich bin Luc und das ist Ivy.«, beantwortete Luc einfach die Frage. Wieso gab er einfach so Informationen raus?

»Und was lässt dich denken, dass du ein dunkler Neyfrem mit liebenden Herzen bist?«, fragte sie an mich gerichtet und trat aus dem Schatten der Höhle. Sie leuchtete förmlich. Es wunderte mich, dass wir sie vorher nicht gesehen hatten, als sie im Dunkeln gewesen war. Jetzt erleuchtete die ganze Höhle zu neuem Leben. Ihre langen blonden Haare glühten. Sie sah nicht menschlich aus. Noch nie hatte ich jemanden gesehen der so attraktiv war. Ihre bloße Präsenz raubte mir den Atem. Um wieder zu Sinnen zu kommen, schüttelte ich den Kopf. Ich versuchte zu nach zu denken, was die beste Antwort war. Wenn ich zugab keine Liebe zu empfinden, dann würde sie mir das Heilmittel nicht geben.

»Nun ja. Mein Begleiter hier lässt mich das denken.«, sagte ich wage. Luc ließ sein Blick über mich streifen und musterte mich verwundert. »Ohne ihn wäre ich nie dazu in der Lage gewesen.«

»Hast du geweint?«, fragte sie mich. Was war das den für eine Frage? Sollte das eine Fangfrage sein?

»Ja.«, sagte ich langsam und hoffte mich richtig entschieden zu haben.

»Du solltest eine Göttin nicht anlügen. Ich rieche deine Lüge.« Eine Göttin? Wie konnte Hermes ein einfacher Neyfrem, eine Göttin selbst nach seinem Tod hier eingesperrt lassen? Es fiel mir schwer zu glauben, dass ihre Behauptung stimmte. So etwas wie Götter gab es gar nicht. Selbst die Götter aus der Mythologie hatten sich schließlich als einfache Neyfrem entpuppt. »Du hast noch nie geweint. Es ist unmöglich für dich an das Gift zu kommen.«

»Warum sollte das etwas bringen.« Plötzlich wurde mir bewusst was sie meinte. Eine einzige Träne von einem dunklen Neyfrem veränderte alles. Es brachte selbst einen dunklen Neyfrem um. Konnte es sein, dass eine Träne einen dunklen Neyfrem lehrte zu lieben? Attica kam mir in den Kopf. Das war also ihr Geheimnis. Ich hatte schon länger vermutet, dass etwas nicht mit ihr stimmte, aber das? War es möglich, dass Attica mir all diese Zeit geholfen hatte, weil sie nicht mehr ein vollkommener dunkler Neyfrem war? Hatte sie deshalb wieder angefangen zu Träumen?

»Nur durch eine Träne beginnt ein dunkler Neyfrem an zu lieben.«, erklärte sie. Luc sprang von seine, Stuhl auf.

»Stimmt das? Wie bringt man einen dunklen Neyfrem zum Weinen? Kann ich ein paar Zwiebeln schneiden?«, fragte Luc fröhlich. Man sah ihm an, dass er es kaum aushalten konnte diese Information in die Tat umzusetzen. Ich wusste nicht, ob er seine Frage ernsthaft so meinte oder ob es eins seiner dämlichen Witze war. Mir wurde bewusst, dass Luc seit längerer Zeit nicht mehr viele Witze in meiner Gegenwart rausgelassen hatte.

Die Göttin lachte. »So einfach wird das nicht gehen.« Sie sah Luc mitleidig an. Und etwas schwang in ihrem Blick mit. Etwas was ich nicht deuten konnte. »Es tut mir sehr leid Luc, aber ich kann euch nicht ohne das Gift gehen lassen.«

»Sehr gut. Dann sind wir uns ja einig.«, sagte ich, obwohl ich wusste was sie meinte. Ich stand von meinem Stuhl auf.

»Ihr werdet beide hier sterben.«, sagte sie, als ob es ihr leidtun würde. Sie sah von Luc zu mir und drehte sich dann um.

»Warte.«, befahl ich. »Gibt es den keine Prüfung oder so etwas?«

»Es ist zwecklos dich in eine Situation zu stecken, die du als dunkler Neyfrem nicht meistern würdest. Die Dunkelheit trieft nur so aus dir raus.«, stellte sie angewidert fest.

»Lass es sie versuchen.«, bat Luc. »Ich denke sie wird dich überraschen.«

»Es gibt keine Überraschungen. Die Dinge sind wie sie sind. Eine falsche Entscheidung verfolgt einen das ganze Leben. So wird es auch hier geschehen. Übel kann man nicht abwenden. So viele kamen und keinem gelang es.« Sie wirkte etwas bitter. »Aber gut. Eine Chance steht euch zu, bevor ihr sterbt.«

Auf dem Tisch vor mir erschien eine Schale. Braune zähe Flüssigkeit begann sich in der Schale aufzufüllen.

»Trinkt.«, bat die Göttin an, bevor sie verschwand.

Luc griff zuerst zu. Es schien, als könnte er es kaum abwarten, dass wir geprüft wurden. Er hob die Schale an seine Lippen und nahm einen großen Schluck. Dann reichte er sie mir. Ich griff langsam danach und hob sie an meine Lippen. Der Geruch war widerlich. Aber ich hatte keine andere Wahl.

Also trank ich es.

Dark Neyfrem #2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt