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Caleb rüttelte mich unsanft wach. »Steh auf. Wir gehen heute.«, weckte er mich fröhlich. Er war noch nie außerhalb von diesem Lager gewesen. Für ihn war das ein Abenteuer. Ich öffnete meine Augen, aber das Licht war zu intensiv, also schloss ich sie schnell wieder. Mein Körper rebellierte vor dem Aufstehen. Zwang mich liegen zu bleiben. Wollte, dass ich den Schlaf nachholte, denn ich gestern nicht bekommen hatte.

»Verzieh dich.«, murmelte jemand neben mir und klaute damit meinen morgendlichen Satz, den ich ihn jeden Tag an de Kopf warf. Caleb erschrak.

»Was macht sie hier?«, fragte er ängstlich. »Seid ihr zusammen? Bei uns im Lager gibt es auch zwei Frauen, die sich lieben.«

»So ein Schwachsinn, Caleb.«, murmelte ich und setzte mich auf.

»Schatz. Du verleugnest uns?«, fragte Attica neben mir mit verletzter Stimme. »Ich dachte, dass du mich liebst.«

Calebs Augen wurden groß und er lief rot an. »Hör auf. Er glaubt es sonst noch.«, warnte ich sie. »Und dann erzählt er wieder alles rum.«

Attica sah mich grinsend an, bevor sie wieder ernst wurde. »Wenn er Sachen rumerzählt und dir nicht loyal ist, solltest du ihn umbringen und dir jemand neues suchen.« Ich wusste, dass sie Recht hatte. Er war eigentlich zu nichts zu gebrauchen. Nur in Schwierigkeiten brachte er mich.

Caleb sah uns immer noch unsicher an und schien mir nicht zu glauben, dass Attica nur gescherzt hatte.

»Sie war betrunken.«, erklärte ich. »Bitte fang nicht schon wieder am Morgen mit deinen Verschwörungstheorien an.«

»Was heißt das?«, fragte er unschuldig. »Betrunken?«

»Sie meint, dass ich Nektar getrunken habe.«, schaltete sich Attica ein.

»Was wirklich?«, fragte Caleb neidisch. »Woher hattest du es?«

Attica taumelte hoch und hielt sich den Kopf. »Alles dreht sich.« Sie hielt sich an der Wand fest, bis sie sich gefangen hatte.

»Hast du auch gestern diese Macht gespürt?«, fragte ich sie neugierig.

Sie nickte. »Ja. Das war Charon. Es war schließlich eine Ehrefeier für die Toten. Es war klar, dass er auftauchen würde. Ich habe gehört er sei sehr selbstverliebt.«

»Wenn du nur wüsstest.«, flüsterte ich.

»Und woher willst du es wissen?« Sie sah mich abschätzend an.

»Ich habe ihn mal kennengelernt.«, antwortete ich gleichgültig. »Als ich gestorben bin.«

»Du bist gestorben?« Attica glaubte mir nicht. Das konnte man ihr ansehen. »Und wie hast du es zurückgeschafft? Hat er dich einfach laufen lassen?«

»Nein.« Ich schnaubte verächtlich. »Ich habe mich davor in einen Phönix verwandelt und konnte so auferstehen.«

»Was wirklich? Du bist ihm entkommen?« Sie lachte, als hätte ich ihr den Tag versüßt. »Das hätte ich gerne gesehen.«

»Ich auch.«, sagte Caleb. Er hatte meinen Worten die ganze Zeit staunend gelauscht.

»Wir sehen uns gleich.«, verabschiedete sich Attica.

»Ich freu mich so, dass wir eine Reise machen.«, sagte Caleb, als Attica gegangen war. Es klang, als dachte er, dass wir in den Urlaub fahren würden. »Ich muss noch einige Sachen machen. Wir treffen uns alle am großen Tor.« Er sagte das so kryptisch. Irgendwas hatte er schon wieder vor. Ich nickte ihm zu und er verließ mein Zimmer. Schnell zog ich mich um und schlich ihm hinterher. Caleb war sehr vorsichtig und sah sich die ganze Zeit um, um sicherzugehen, dass er nicht verfolgt wurde. Das ließ mich nur noch misstrauischer werden.

Er lief leise wie ein Schatten durch den Gang und huschte dann in die Küche. Mein Mistrauen legte sich. Bestimmt wollte er nur etwas zu essen stehlen. Ich blieb jedoch stehen und wartete zum Glück, bis er wieder aus der Küche kam, sonst hätte ich nicht gesehen, dass er sich ein Messer unter den Ärmel geschobenen hatte. Caleb sah sich noch einmal vorsichtig um und lief aus der Höhle ins Freie. Ich folgte ihm mit großen Abstand. Er lief in Richtung der großen Schutzmauer. Als er fast da war, versteckte er sich hinter einen Baum und legte sich auf die Lauer. Gespannt beobachtete ich ihn. Was hatte er nur vor? Er war einfach zu schlau für einen kleinen Jungen. Zu schnell hatten die Umstände ihn gezwungen erwachsen zu werden. Caleb schellte hoch. Anscheinend hatte er das entdeckt wofür er gekommen war. Er sah angespannt aus, als er sich -so leise wie es ihm möglich war- einer der Wache näherte, die sich von den anderen Wachen gelöst hatte und um die Ecke gegangen war um zu pinkeln. Er hatte Caleb den Rücken zugekehrt. Langsam näherte Caleb sich ihm weiter und dabei rutschte das Messer aus seinem Ärmel in seine Hand. Ich hätte nie gedacht, dass er in der Lage war etwas wie das hier zu planen, geschweige denn es durchzuziehen. Das konnte nur Calebs Vater sein. Er hatte diese verrückte Idee dunkel zu werden immer noch nicht aus seinen Kopf geschlagen. Dachte er könnte so der guten Seite helfen. Ich war mir nicht mal mehr sicher, ob es überhaupt so etwas wie eine gute Seite gab.

Bevor er bei der Wache angekommen war, ging ich in seinen Kopf. »Geh zurück zu dem Baum.«, befahl ich. Wie gesteuert drehte er sich um und legte den gleichen Weg zurück, den er gerade gekommen war. Sein Gesicht zeigte, dass er nicht wusste wie mit ihm Geschah. Er wusste nicht warum sein Körper ihm nicht mehr gehorchte. Ich lief zu ihm, als er am Baum angekommen war. Seine Augen weiteten in Schock, dass ich ihn erwischt hatte.

»Was sollte das Caleb?«, fragte ich ihn genervt. »Ich habe dir doch befohlen das nicht zu tun.«

»Ich will aber helfen.«, bat er.

»So hilft du nicht.«

»Vergiss, dass er dein Vater ist.«, befahl ich in seinem Kopf und ich konnte sehen, wie die Erinnerungen langsam aus seinem Gedächtnis ausradiert wurden. Er blinzelte einige Male und schaute sich um. »Was machen wir hier?«

»Du wolltest gerade gehen und die Sachen für die Reise vorbereiten.«, sagte ich. Er nickte und ging. Ich musterte die Wache. Er musste sterben, bevor etwas Unerwartetes passierte. Wie letztes Mal, als ich die Heilerin gerufen hatte, schloss ich nun auch die Augen und ging in das Netz aus Personen, die in meiner Nähe waren. Schnell fand ich Attica. »Attica. Bring mir die Träne.«, schickte ich die Nachricht durch das Band. Ich sah mich um, um mich zu orientieren. »Zum alten Trainingsplatz

Attica kam kurze Zeit später und sah mich skeptisch an. »Hier ist die Träne.« Sie reichte mir eine Kanüle in dem genau eine Träne eingeschlossen war. »Wenn willst du töten?«

»Das ist meine Sache. Was muss ich damit machen?«

»Der dunkle Neyfrem muss sie schlucken. Es ist wie ein Gift.«, erklärte sie. »Aber ich kann dir helfen.«

»Ich brauch deine Hilfe nicht.«, erwiderte ich und ging. Als ich mich umwandte war sie zum Glück verschwunden. Ich wollte ihr nicht erklären müssen, warum ich die Wache umbringen wollte. Sie würde es nicht verstehen. Warum ich es wollte, war ja selbst mir nicht bewusst. Bald erreichte ich wieder den Baum und hielt nach ihm Ausschau. Diesmal waren die anderen Wachen verschwunden und er stand auf seinem Posten am Tor. Ich ging auf ihn zu. Es war mir egal, dass er mich sah. Er musste mich so oder so sehen, wenn ich ihm die Träne einflößen wollte. Es gab kein Weg daran vorbei.

Verwirrt sah er mich an, als er mich schon von weiten sah. Er stellte sich kerzengerade hin und sah respektvoll über mich hinweg. Seine Haltung war die eines ausgebildeten Soldaten. Es würde schwer werden ihm die Träne einzuflößen.

Als ich vor ihm stand, wartete er auf einen Befehl. Er erwartete nicht, dass ich ihm meine Faust in den Bauch schlug. Doch genau das tat ich. Er krümmte sich zusammen. Damit hatte er nicht gerechnet.

Ich trat ihm gegen die Kniekehlen und zwang ihn so in die Knie. Sein Gesicht war angsterfüllt. Er wusste wer ich war. Natürlich wusste er es. Er schien abzuwägen, ob er sich gegen mich wehren sollte. Es wunderte mich, dass er sich dazu entschied seine Hand zu heben und mich mit seinem Zeigefinger an der Stirn zu berühren. Er ließ nicht los. Ich fing an zu lachen und wollte ihm gerade den Finger brechen, als alles vor meinen Augen schwarz wurde. Wie konnte ich nur so dumm gewesen sein.

Dark Neyfrem #2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt