Nach Hause

91 5 5
                                    

Ein Schatten wirft sich auf den Tisch als Dr. Grant das Zelt betritt.
"Sieht nach Regen aus.", sagt er und geht zu dem Kühlschrank, welcher in der Ecke auf der anderen Seite des Zeltes steht.
Das Zelt ist groß und stabil gebaut, da es in dieser Region oft stark windet. Bestimmt zehn Meter lang und etwa fünf Meter breit. Rundherum, innerhalb des Zeltes, stehen Tische. Knochenstücken, Essigbäder, zwei Laptops und einige Ordner befinden sich auf den Tischreihen an den Seitenwänden. Auf den Tischen der Rückwand befindet sich der Kühlschrank, eine Mikrowelle und ein kleiner Schrank. Gläser sind auf der freien Fläche verteilt. Um sie zu kennzeichnen, wurde auf jedes Glas der Name des Besitzers mit Edding geschrieben.
Grant öffnet den Kühlschrank und zieht ein Bier heraus. Geschickt öffnet er es mit einer zweiten Flasche, stellt diese zurück und schließt die Tür.
Er kommt zurück zu dem Tisch und setzt sich auf den Stuhl, auf welchem Hoskins vorhin Platz genommen hatte.
"Was hältst du davon Alan?", fragt Billie und blickt sein Gegenüber erwartungsvoll an.
"Ich bin mir nicht sicher.", antwortet dieser und nimmt einen großen Schluck des Bieres. "Ich glaube ich muss da noch in paar Nächte darüber schlafen. Habt ihr euch schon entschieden?" Er schaut erst zu Billy, dann zu mir. Billy schüttelt den Kopf: "Nein."
"Ich auch nicht", antworte ich. "Wir beide zerbrechen uns auch schon den Kopf. Viel spricht dafür, viel aber auch dagegen."
Ein Blitz zuckt über den Horizont und kurz darauf ist lautes Donnergrollen zu hören.
"Wir haben ja auch noch ein wenig Bedenkzeit.", sagt Dr. Grant nickend. "Wir sollten wohl alle noch ein paar Nächte darüber schlafen bevor wir uns entscheiden. Ich würde vorschlagen, dass wir uns nächste Woche telefonisch miteinander abklären und dann unsere Entscheidung treffen."
"Das ist eine gute Idee", sagt Billy und ich stimme ihm zu.
Erneut donnert es und eine junge Frau kommt in das Zelt gerannt. "Alan, wir müssen schnell die Ausgrabungen abdecken, bevor es anfängt zu regnen. Wir brauchen Ihre Hilfe."
"Wir kommen sofort.", antwortet dieser. Er setzt die Flasche an seine Lippen, wirft den Kopf in den Nacken und leert das Bier.
"Kann ich Ihnen helfen?", frage ich und stehe gemeinsam mit den anderen auf.
"Nein, ich denke nicht. Wir sind genügend Leute und sollten das schnell erledigen können. Sie haben doch jetzt Semesterferien, ihre Familie wartet sicher schon auf sie." Grant geht um den Tisch herum, auf mich zu und streckt mir die Hand zum Abschied entgegen. Ich ergreife sie und erwiedere: "Da bin ich mir zwar nicht ganz so sicher, aber ich habe noch eine dreistündige Fahrt vor mir. Ich danke Ihnen dass ich heute vorbei kommen durfte."
"Gerne.", Dr. Grant schenkt mir ein kurzes Lächeln und läuft aus dem Zelt. Er dreht sich nocheinmal kurz um und ruft: "Ich melde mich dann in sieben Tagen bei Ihnen telefonisch." Daraufhin ist er bereits aus meinem Sichtfeld verschwunden.
"Hat mich gefreut Dich kennenzulernen. Hier ist noch meine Telefonnummer, Du kannst Dich gerne jederzeit bei mir melden. Wir telefonieren dann auch nächsten Samstag, oder?", Billy kramt in seiner Hosentasche, zieht ein Kärtchen heraus und drückt es mir in die Hand. Ich nehme es nickend, dankend an und schon ist auch Billy aus dem Zelt verschwunden.
Ich schiebe das Kärtchen in meine Hosentasche und trete ebenfalls aus dem Zelt. In der Ferne erhellen Blitze den von den Wolken verdunkelten Himmel. Bei den Ausgrabungen koordiniert Dr. Alan Grant das sichere Abdecken der Fossilien und einige Paläontologen, sowie Studenten tragen Planen zu den einzelnen offenen Erdlöchern und schlagen Haken in den umliegenden Boden, um die Planen zu befestigen und gegen Wind zu schützen. Dicke Regentropfen fallen vom Himmel und ich mache mich auf den Weg zu meinem Auto.

Die Scheibenwischer schaufeln den dichten Regen von der Windschutzscheibe meines Pickups. Ich kann kaum etwas sehen durch diese Wasserwand, aber zum Glück ist es nicht mehr weit bis zu dem Haus meiner Eltern.
Erleichtert atme ich aus, als ich die Einfahrt entdecke und biege ab. Vor dem Haus halte ich an und stelle den Motor ab. Ich stoße die Fahrertür auf und trete in den Regen. Warme Regentropfen prasseln auf meinen gestressten Körper, ich bleibe kurz stehen und genieße das entspannende Gefühl. Ich liebe es im Regen draußen zu stehen, es ist als wasche man sich alle Sorgen, Ängste und Probleme von der Seele. Bevor ich komplett durchnässt bin öffne ich die Türe der Rückbank, packe meine Tasche und bahne mir den Weg durch den Regen zu der Haustür.
Ich nehme einen tiefen Atemzug und presse meinen Finger auf den weißen Knopf der Klingel. Nach einem kurzen Moment öffnet mir meine Mutter die Tür.
"Da bist du ja endlich!", sie schließt mich in die Arme. "Das Abendessen steht schon auf dem Tisch, komm rein, du bist bestimmt schon hungrig."
"Hi Mum, danke, ich bin echt ausgehungert!", antworte ich und trete durch die Tür.
Es riecht nach zuhause. Ein wohliges Gefühl breitet sich in mir aus, der Geruch des Elternhauses ist immer etwas Besonderes. Nachdem ich meine Schuhe ausgezogen habe, öffne ich die Türe meines Zimmers. Alles sieht genau so aus wie ich es verlassen habe. Ich stelle meine Tasche neben den Schreibtisch und folge meiner Mutter in das Esszimmer. Mein Vater sitzt bereits an dem Tisch und studiert eine technische Zeichnung eines Gartentores, die er vor sich ausgebreitet hat.
"Hi Dad.", sage ich und blicke erwartungsvoll in seine Richtung. Er hebt für keine Sekunde seinen Blick, lässt aber ein "Mhm." erklingen. Was habe ich auch erwartet. Mein Vater war nicht zufrieden mit meiner Wahl Paläontologie zu studieren und lässt mich das nun auch jeden Moment zu spüren bekommen. Es wäre ihm lieber gewesen wenn ich in sein Geschäft eingestiegen wäre. Mein Vater ist selbstständig und hat eine eigene Werkstatt neben dem Haus. Dort repariert er so ziemlich alles was repariert werden muss hier in dem Dorf. Von Autos über Elektrogeräte bis Gartenzäune ist alles dabei.
"Setz dich doch.", fordert meine Mum und wendet sich dann an ihren Mann: "Schatz, leg doch bitte die Arbeit zur Seite, wir wollen jetzt essen."
Sofort legt er das Papier zur Seite und schöpft sich den Eintopf in den Teller, bis dieser voll ist. Wortlos beginnt er zu essen. Meine Mutter greift nach dem Schöpflöffel, beginnt erst ihren eigenen Teller zu füllen und leert dann den Rest des Topfes in den meinen.
"Danke, Mum.", sage ich und beginne mir das warme Essen in den Mund zu schaufeln. Ich bin wirklich unglaublich hungrig, was aber auch nicht allzu verwunderlich ist, da ich bis auf das Frühstück heute noch nichts gegessen habe. Es ist ja aber auch viel passiert.
"Und was gibt es bei euch neues? Ist etwas in der Zwischenzeit passiert?", frage ich nach ein paar Minuten des Schweigens um eine Unterhaltung zu beginnen.
"Nicht wirklich.", antwortet meine Mutter. "Dein Vater hat einen neuen Auftrag und soll für die Kirche ein neues Gartentor bauen.", sie nickt in die Richtung der Zeichnung. "Da gibt es ein paar Probleme. Die Leute von der Gemeinde sind sich mit dem Design noch nicht einig. Aber sie wollen sich morgen noch einmal melden und ihren endgültigen Entwurf präsentieren. Du wirst dann deinem Vater bei dem Bau helfen."
"Okay.", murmle ich. Ich bin nicht wirklich begeistert. Seit ein paar Jahren schon helfe ich meinem Vater in den Ferien in der Werkstatt, aber Spaß macht es mir nur bedingt. Er hat einen sehr bestimmenden Charakter und ist ein Kontrollfreak. Die Arbeit an sich finde ich sehr aufregend und anspruchsvoll, aber Dad lässt mich kaum Dinge allein reparieren oder fertigen, er schaut mir ständig über die Schulter und weißt mich zurecht. Und so etwas kann ich gar nicht gebrauchen. Allein schon deshalb konnte ich es mir noch nie vorstellen bei ihm in der Werkstatt fest anzufangen.
"Und bei mir im Büro ist es gerade besonders stressig.", fährt meine Mutter fort. "Aber nun zu dir: Warum bist du heute erst so spät nach Hause gekommen?"

You've reached the end of published parts.

⏰ Last updated: Jun 14, 2020 ⏰

Add this story to your Library to get notified about new parts!

Ein Job in JURASSIC WORLDWhere stories live. Discover now