Blind Fire

- Kapitel 18 -

Grinsend springe ich zur Seite, wissend, dass mein Plan aufgegangen zu sein scheint und rolle mich so gut ich kann ab. Elianas Angriff trifft nun nicht mich, sondern das Duo, welches den Kurs ihres Tropfens korrigiert hatte und direkt hinter mir in der Luft schwebte. Zufrieden beobachte ich das Spektakel einige Momente lang ehe ich mich davon mache. Ich werfe einen Blick über meine Schulter und sehe, wie die Energie des Biltzhagelangriffs den schwebenden Tropfen des Duos in dampfenden Qualm verwandelt, während besagte zwei Magier ebenfalls unter hohem Stromfluss stehen und sich nicht rühren können. Eliana hingegen bleibt auch nicht verschont. Aus demselben Grund, weshalb auch das Duo gerade unendliche Schmerzen erleiden muss, erfährt auch Eliana die Kraft ihres eigenen Angriffs. Wasser leitet Storm und das nicht nur in eine Richtung.

Dreckig grinsend presche ich weiter nach vorn und achte dieses Mal mehr auf die Schwingungen der Umgebung. Noch einmal würde sich mir solch ein Glücksfall nicht eröffnen. Ich konnte gleich drei meiner Konkurrenten auf einen Schlag erledigen ohne auch nur einen einzigen Zauber nutzen zu müssen. Nicht, dass ich keine Chance gehabt hätte wenn es tatsächlich zum Kampf gekommen wäre, doch auf diese Weise konnte ich meine Feuermagie versteckt halten.

Plötzlich schiebt sich mir etwas in mein Blickfeld, was mich augenblicklich stoppen lässt. Mit vor Schreck aufgerissenen Augen starre ich auf die bizarre Szene, die sich mir bietet. Vor meinen Augen liegt ein regloser Körper, dessen Gesicht ich überall erkennen würde. Es war schließlich das erste, welches ich sah, als Agira mir die Fähigkeit zu sehen schenkte. Zaghaft trete ich näher heran und kann nicht glauben, was ich sehe. Ich will und ich kann meinen Augen nicht trauen. Die Schwingungen des Herzschlags sind stabil, doch das lässt mich nicht aufatmen. Das hier ist echt, der Körper besitzt einen Puls, ein schlagendes Herz.

Mit vor den Mund geführter Hand knie ich mich nieder und begutachte diesen unwirklichen Anblick. Ist das ein Trick? Gehört das zum Duell?

Meister Tarik liegt mit geschlossenen Augen vor meinen Füßen und hat einen gequälten Gesichtsausdruck aufgelegt. In dem Moment, als ich meine Hand nach ihm austrecke öffnet er schlagartig die Augen, nein, er reißt sie regelrecht auf.
„Ember, du wirst..mich niemals stolz machen..", brüllt er mir mit gebrochener Stimme entgegen und lässt mir das Blut in den Adern gefrieren. Erschrocken robbe ich zurück und ziehe scharf die Luft ein.

Das kann nicht sein. Meister Tarik, er..niemals würde er so zu mir sprechen. Niemals würde er diese Worte an mich richten, oder?
Kreidebleich beuge ich mich erneut nach vorn und sehe ihm in die noch immer geöffneten Augen. Unsere Blicke treffen sich. Die Liebe und die Zuneigung, mit der er mir sonst immer entgegen sieht, sind verschwunden. Es ist fast so, als wäre er ein anderer Mensch. Erinnerungen ziehen vor meinem geistigen Auge vorüber. Erinnerungen an Meister Tarik. All die harten Trainingseinheiten, all die schweren Stunden, all die Fehler, die ich machte. Nie hatte er mir böse Worte entgegengebracht. Nicht ein einziges Mal.

„..ich werde stolz auf dich sein, ganz egal wie das Ergebnis letztendlich ausfallen wird",

hallen mir seine Worte des Abschieds nach, während ich eine ausdruckslose Miene auflege. Meister Tarik selbst hatte mir beigebracht mein Gesicht so zu verschlüsseln, dass niemand auf dieser Welt in der Lage dazu sein könnte meine Gedanken einzig und allein daraus herauszulesen.
Ohne erwähnenswerte Gefühlsregung greife ich nach der Hand meines vermeintlichen Lehrmeisters und beuge mich herab. Meine Stirn berührt seine Brust, während er mir reglos dabei zusieht.
„Nicht schlecht..Copycat..", meine ich leise und schiebe unbemerkt meine freie Hand auf sein Brustbein. „..aber mein Lehrmeister würde mir niemals solche Worte an den Kopf werfen..eher würde er sterben, als mir das ins Gesicht zu sagen", füge ich lauter hinzu und lasse meine unbändige Wut durch meine Handfläche sickern. Schockiert über meine Worte sieht er mir entgegen ehe sich seine Brauen wütend zusammenziehen. Hastig versucht er sich aus der Situation zu befreien, doch ich lasse ihn nicht davon kommen. Mit festem, beinahe unmenschlichem Griff drücke ich ihn weiterhin nach unten und ich könnte schwören, dass mein Blick Feuer gefangen hat.
„Ferveret sanguis", flüstere ich so leise, dass ich es selbst kaum hören kann und sehe im nächsten Moment dabei zu, wie das Blut meines Gegenübers zu kochen beginnt. Ich kann mich nahezu nicht davon abhalten ihn zu töten. Meine Wut hat ihr Limit überschritten. Ich fühle, wie sie überhand ergreifen will, meine Vernunft ausschalten will, doch ich kann mich in allerletzter Sekunde zügeln.

Noch bevor ich meine Handfläche eigenständig von ihm lösen kann werden meine Hände von einer dicken Glasschicht überzogen. Anschließend werde ich ruckartig nach hinten gerissen und einige Meter weit durch die Luft geworfen. Ich überschlage mich mehrfach ehe ich endlich zum Stehen komme. Augenblicklich ziehe ich meine Schlüsse aus dieser Situation und versuche schnellstmöglich meine nächsten Schritte zu planen.

Glashandschuhe, das deutet auf einen Glasmagier hin. Da ich weiß, dass diese verhältnismäßig selten sind kommt mir lediglich ein Name in den Sinn. Copycat dort auf dem Boden habe ich bislang noch nicht gesehen. Die Kräfte der Copycats, wie man sie umgangssprachlich gern betitelt, sind relativ gesehen nicht besonders erwähnenswert. Sie zählen zur Klasse der Illusionisten und haben die Fähigkeit jede beliebige Form anzunehmen, die sie sich vorstellen. Wirklichen Schaden können sie damit nicht anrichten, weshalb mir ein weiterer Gedanke durch den Kopf schießt. Diese Gruppe hat mehr als nur zwei Mitglieder. Einer von ihnen, den ich bislang noch nicht ausmachen konnte, muss ein Psychic sein. Sie zählen ebenfalls zur Klasse der Illusionisten. Der Unterschied zwischen Copycat dort drüben und dem Psychic ist allerdings, dass diese die Fähigkeit haben die Ängste eines jeden einzusehen. Je nachdem, wie stark ihre Kräfte ausgeprägt sind können sie bis hin zur tiefsten und dunkelsten Angst ihres Opfers vordringen und sie in manchen Fällen sogar projizieren.

Meine Schlussfolgerung ist also, dass sich diese drei Magier zusammengeschlossen haben und ihre Kräfte vereinen. Copycat dient als Ablenkung und soll die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Um sicherzustellen, dass das Opfer tatsächlich stehen bleibt und sich in einen verletzbaren Zustand begibt nutzt der Psychic seine Fähigkeiten um herauszufinden welche Form sein Kollege annehmen muss. Sobald das bewerkstelligt ist nutzen sie Kairyans Kraft um das Opfer zu erledigen. Auch wenn Kairyan ein Glasmagier ist und somit ebenfalls keinen erheblichen Schaden anrichten kann, so ist er recht breit gebaut. Die anderen beiden setzen also auf seine kräftige Statur, was mich vermuten lässt, dass sie körperlich wohl nicht stark genug sind, um einen Kampf zu überstehen.

Damit habe ich meine grobe Einschätzung der Lage beendet und erhebe mich allmählich wieder. Wollen wir doch mal sehen, was sie tun werden, jetzt da ich sie durchschaut habe.