4.Kapitel

5.4K 288 5
                                    

Mit dem wohl behindertsten Plan war ich zur Bank gegangen. Ich hatte mich bestens informiert, wusste alles über Rewi aka Sebastian, was es im Internet zu finden gab.

Dreihundert Euro hob ich ab. Eigentlich hatte ich das für eine Wohnung aufgespart, aber für Giulio gab ich es gerne her. Er war mein Bruder, wir hatten so viel miteinander erlebt. Niemand außer er kannte mich, wie ich tief in mir drin war. Nicht einmal Feline kannte diese kleinen unwichtigen Geheimnisse und Erlebnisse, die dennoch so schön waren wie ein ganzes Leben als Prinzessin. Niemals würde ich diese Erinnerungen hergeben. Auch wenn Giulio bald nicht mehr war, würden sie immer in meinem Herz bleiben. In der nächsten Sekunde schossen mir wieder Tränen in die Augen. Ich versuchte gar nicht, sie aufzuhalten. Mit einem Schleier vor den Augen sah ich aus den großen Fenstern und betrachtete die vorbei brausende Landschaft. Niemand wusste, wo ich war, wo ich hin ging; was ich machte, was ich vorhatte. Die Laternen am Rand der Gleise sorgten für ein wenig Licht in der tiefen Dunkelheit dieser sternenlosen Nacht. Der Mond war von Wolken bedeckt, Regen prasselte herab und schwemmte den lockeren Boden der Felder auf. Die Landschaft wechselte sich. Eine funkelnde Stadt kam zum Vorschein. Obwohl es schon fast drei Uhr war funkelten noch überall Lichter, verschiedene Menschen liefen auf den Straßen. Ich konnte nicht alles erkennen, der Zug war zu schnell, doch mir war klar: nach fast drei Stunden Fahrt mit pausenlosem Umsteigen war ich endlich angekommen, wo ich hin wollte und wo ich eine Chance hatte, Giulios Traum zu erfüllen: Ich war in Köln.

°°°

Der Dom stand riesenhaft vor mir. Seine Türme ragten in den Himmel und er wurde eindrucksvoll angeleuchtet. Der Domplatz war wunderschön. Es hatte alles etwas Mysteriöses. Ein wenig kam es mir sogar vor, wie ein Schloss in einem Märchen. Die Gassen erinnerten an alte Dörfer auf Hügeln in einer Geschichte. Alles wirkte so unscheinbar. So wunderschön. Der Regen hatte aufgehört und nun lag überall die Nässe und der Nebel wie ein Schleier über der Stadt. Wie ich so durch die Straßen lief sah ich viele Obdachlose. Manchen ließ ich etwas Geld da. Jugendliche standen an manchen Ecken und tranken was. Ich fürchtete mich zum ersten Mal nicht in der Dunkelheit, wenn ich alleine war. Es kam mir eher vor, wie in einem Traum. Die meisten Läden waren geschlossen, doch manche Fast Food Restaurants hatten noch geöffnet. Ich saß mich in eins hinein, da ich schrecklichen Hunger hatte. Das Essen war nicht gerade von bester Qualität und nur ein paar Urlauber, die auf der Überfahrt in ein anderes Land waren hatten sich in dem Schnellrestaurant niedergelassen, um einen Imbiss zu sich zunehmen. Morgen war ein Fantreffen mit Rewi und ein paar anderen Youtubern am Domplatz. Aber ich brauchte ja auch noch ein Hotel. Ein möglichst günstiges Einzelzimmer sollte es sein, immerhin würde mein Plan wohl mehr als nur einen Tag beanspruchen. Aber was tat ich eigentlich, wenn es nicht klappte, wie ich es mir vorgestellt hatte? Was tat ich dann? Es gab keinen Plan B. Hatte ich vielleicht doch nicht alles gut genug durchgedacht? Es musste einfach klappen. Sonst wäre alles umsonst gewesen, mein ganzes Erspartes umsonst herausgeschmissen. Naja, dann hätte ich es wenigstens mit einem guten Gedanken ausgegeben, wenigstens für Giulio.

The last year  》Rewi , PalutenWhere stories live. Discover now