Kontrollverlust

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Angespannt jonglierte Tania zehn Tage später einen Teller Suppe das Treppenhaus empor. Gekonnt stieß sie die Tür ins Schlafzimmer auf und triumphierte bereits, nichts verschüttet zu haben, als sie mit dem Fuß an der Türschwelle hängen blieb.

»BEI MERLINS BARTE!«, fluchte sie, als ihr die heiße Brühe über die Finger lief. »Ich hasse dieses Haus!« Am liebsten hätte sie den Teller gegen die Wand geworfen.

»Entschuldige«, kommentierte Snape trocken. »Mein Haus wurde nicht für verwöhnte Hexen konzipiert, die es gewohnt sind, in ihren Prachtbauten über Marmor zu stolzieren.«

»Sehe ich aus wie eine Malfoy?«, konterte Tania, ohne zu erwähnen, dass in ihrem Anwesen durchaus eine erhebliche Menge an Marmor verbaut worden war.

»Nein.« Snape verzog das Gesicht. Tania half ihm, im Bett etwas höher zu rutschen und stellte den Teller auf seiner Decke ab. Er schnappte so schnell nach dem Löffel als wäre es ein Schnatz, der kurz davor war seine goldenen Flügel zu entfalten.

»War meine Hilfe so schlimm zu ertragen?«, fragte Tania und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Schlimmer«, erwiderte Snape. Seine Genesung schritt voran und doch gab es Tage, da konnte er kaum seinen Kopf heben. Tania hatte ihm die Suppe förmlich aufzwingen müssen, denn Dilys meinte, es wäre wichtig, dass er etwas aß.

Tania hatte nie geahnt, wie deprimierend es sein konnte, jemanden mit einem Löffel in der Hand minutenlang zu überreden sich füttern zu lassen. Mit jedem Blick verdeutlichte ihr Snape, dass er es hasste, dass sie ihm half und das schlug aufs Gemüt.

»Schmeckt es?«, fragte Tania.

»Es ist genauso köstlich«, erwiderte er, »wie eine kulinarische Reise durch eine Abwasserleitung.«

Tania hatte seinen Sarkasmus immer gemocht, doch nun ging er ihr gehörig auf die Nerven. Jedes Wort, welches über seine Lippen kam, glich einem Vorwurf. Dabei gab sie sich alle Mühe, es ihm recht zu machen. So viel Mühe -

»Der Mann vom Kiosk hat es mir empfohlen«, begann sie sich zu rechtfertigen. »Muggel scheinen das zu essen.«

»Ich glaube eher, dass er sich einen Scherz mit dir erlaubt hat.« Snape verdrehte die Augen. »Hat vermutlich noch nie jemanden getroffen, der eine Beratung zu Tütensuppen wollte -«

»Besser als nichts.«

»Hast du das Zeug mal probiert?« Er schnaubte.

»Nein - ich mache mir eine Pizza.« Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. »Soll ich dir eine Hälfte davon pürieren, Severus?«

»Warte ab -«, knurrte er, doch kam nicht mehr dazu, seine Drohung auszusprechen, weil just in diesem Moment Dilys in ihr Porträt trippelte. Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.

»Guten Abend«, wünschte sie. »Wie geht es Ihnen, Severus?«

»Erträglich -«

»Sie werden vollkommen genesen.« Dilys überhörte seinen vorwurfsvollen Unterton galant. »Albus schickt mich, um sie zu fragen, wie es weitergehen soll.«

»Was meinen Sie?«, fragte Snape misstrauisch.

»Nachdem Ihre Rolle in diesem Krieg zur Genüge in das rechte Licht gerückt wurde«, fuhr Dilys fort, »ist es an der Zeit, zu verkünden, dass Sie diesen Krieg überlebt haben.«

»Nein«, stieß Snape hervor. »Das kommt nicht infrage.«

»Sind Sie sicher, Severus?«, fragte Dilys. »Albus ist anderer Auffassung. Sie sollten sich gut überlegen, ob Sie das Leben eines Toten führen wollen.«

SeelenfriedenWhere stories live. Discover now