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02 | rain drops

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02 | rain drops

Leise verließ ich das Uni Gelände. Weit und
breit keine Menschenseele zu erkennen.

Es war schon spät am Abend, als ich
beschloss, nach Hause zu gehen. Wie aus Eimern
goss es vom Himmel herab, doch noch verschonte
man mich, da ich unter der Überdachung
entlang lief.

Die Straßen ertranken förmlich in den Unmengen
von Wasser und verließen nur sehr langsam
die überflutete Oberfläche durch die Abflüsse.

Aus purem Zufall bemerkte ich, dass es in
meiner Jackentasche vibrierte. Mit
meinen noch feuchten Händen
griff ich nach meinem Handy.

15:58

,,Eomma und Appa meinten, dass du uns
bald besuchen kommen sollst,
sie wollen mit dir reden.
Ich freue mich schon auf deine hässliche
Visage. Hast du dich endlich operieren lassen?
Ach ja, dafür bist du ja zu broke.
Kann man halt nichts machen, stimmt's?
Kuss Kuss."

Wütend schaute ich auf den dunklen Bildschirm.
Meine Hände umgreiften das schwarze
Gerät fest, während mir eine Träne
aus den Augen entfloh.

Ich weiß, dass ich nicht hübsch bin.
Es wurde mir schon zu oft gesagt und jedes mal
lachte ich, winkte ich ab, bestätigte die Aussage,
machte alles, nur um nicht
der Trauer Überhand zu geben.

Aber warum weinte ich dann?
Bin ich es nicht schon gewohnt?

Dieselbe Frage kurvte immer wieder
in meinem Kopf herum.
Wäre ich besser, wäre ich hübscher?
Würde man mich mögen?

Was wäre wenn?

Eine Frage, auf die viele keine Antwort wissen.
Ich gehöre nicht dazu.

Ich denke, dass es nicht viel ändern würde,
nichts an der Tatsache, dass ich nutzlos
bin oder ständig jemanden Kummer bereite.

Ich wäre trotzdem ich.
Und genau das machte mich traurig und
gleichzeitig wütend.

Der Regen klatschte trotz meiner
Kapuze auf mein Gesicht und vereinte sich mit der
trägen Nässe meiner selbst.

Mittlerweile donnerte und blitzte es schon,
aber das machte mir nichts aus.
Genauso sah es in mir aus.

Der Abstand zwischen Donner und Blitz
in meinem Kopf wurde mit
jedem hässlichen Gedanken kleiner
und bald hätte der Sturm auch mein
Herz erreicht.

Ich rannte zu einem
Convenience Store mit einer halb ausgefahrenen
Markise und stellte mich drunter.

Meine Augen schloss ich.
Ich konzentrierte mich auf den Duft von nasser
Erde. Die Luft war schwül und man konnte nicht gut atmen.

Ich hasste dieses Gefühl.

Aber was ich hörte, beruhigte mich.
Es prasselte gleichmäßig der Regen über mir.
Autos fuhren mit einer hohen Geschwindigkeit
auf der Strasse und machten jedes Mal
ein zischendes Geräusch, sobald
sie vorbei rauschten.

Gedämpftes Gemurmel drang aus dem Inneren
des Ladens, bis es verstummte und ein Mann eilig an
mir vorbei ging, als ich die Augen wieder
öffnete.

Gleichzeitig trat eine ältere Dame heraus, die mich freundlich antippte. Verwirrt wandte ich mich
ihrem lächelnden Gesicht zu.
,,Das hier hat ein junger Herr für Sie gekauft."

Überrascht verbeugte ich mich mit einem
,Gamsahamndia' vor ihr, bevor
sie wieder in den Laden rein ging.

Ich betrachtete den Gegenstand, den ich etwas weiter vor
mir weg hielt.

Es war ein ganz gewöhnlicher Regenschirm.

Gleichgültig öffnete ich ihn und wollte meinen Weg fortsetzen,
doch dann baumelte direkt vor meinem Gesicht ein
Zettel. Er wurde mit einem kleinen Faden an dem
Metallgerüst des Regenschirms befestigt.

Vorsichtig rollte ich die verfasste Botschaft auf
und las sie.

,,Ein Regenschirm. Er beschützt dich vor
dem Zorn deiner Selbst und den Tränen
des Himmels.
Er bewahrt deine tiefste Trauer und dein
größtes Leid vor Erkennung."

Und es geschah ein zweites Mal.
Schon wieder gab mir jemand das Gefühl,
nicht allein zu sein.

Jemand, der mich verstand.

Von weitem hätte man es nicht erkennen,
da der Regenschirm mein halbes Gesicht
verdeckte. Aber trotzdem konnte man
diese eine Tatsache nicht verleugnen:

Ich musste mit Tränen in den Augen
Lächeln.

𝗦𝗘𝗔𝗦𝗢𝗡𝗦  ;; c.jhWhere stories live. Discover now