XVI

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Abgesehen von der erdrückenden Stimmung, die immer aufkam, sobald das Gespräch auf Arcalia fiel, waren die verlängerten Osterferien eigentlich ziemlich schön.

Ich feierte meinen siebzehnten Geburtstag, den ich dieses Mal nicht nur mit meiner Familie, sondern auch mit Jay und Leela feiern konnte. Der Nachteil daran, ein Internat zu besuchen war, dass viele meiner Freunde relativ weit weg wohnten und so nicht für Geburtstage oder Verabredungen kommen konnten und Maddy, die einzige ‚Freundin', die hier in der Nähe wohnte, war ja gar nicht mehr mit mir befreundet.

Wir skypten oft mit den anderen und unterhielten uns über die Situation und darüber, wie es jetzt wohl weitergehen würde. Es trudelten regelmäßig E-Mails von Arcalia ein, in denen allerdings nur stand, dass man sich weiterhin mit der Sache befasste und alle Eltern und Schüler beziehungsweise Schülerinnen auf dem Laufenden halten würde.

Auch bei mir zuhause pendelte sich schnell eine Art alternativer Alltag ein. Ich teilte mir mein Zimmer mit Leela, die in meinem Bett schlief, während ich auf einer Matratze auf dem Boden schlief und Jay hatte die Couch im Wohnzimmer zugewiesen bekommen. Theoretisch hätte er auch in meinem Zimmer schlafen können, meine Eltern waren in der Hinsicht nicht so spießig, aber es passte schlichtweg keine weitere Matratze mehr hinein und niemand von uns wollte sein Bett teilen. Morgens frühstückten wir gemeinsam im Esszimmer, dann sahen Jay, Leela und ich nach, ob wir Aufgaben von der Schule erhalten hatten – denn Unterrichtsmaterial wurde uns trotzdem weiterhin gesendet und wenn wir die Aufgaben erledigt hatten (oder auch ohne, wenn wir mal keine Lust hatten), vertrieben wir uns den Rest des Tages draußen im Garten, stromerten durch die Gegend oder unterhielten uns in meinem Zimmer.

Meine Eltern mussten arbeiten, weswegen wir die allermeiste Zeit ungestört waren und tun und lassen konnten, was wir wollten. Der Nachteil war, dass wir uns so auch selber mit Essen verpflegen mussten, zumindest morgens und mittags, doch auch das meisterten wir mit Bravour. Und seit Leela nach gut einer Woche zugegeben hatte, dass ihr die Tanzstunde am letzten Schultag Spaß gemacht hatte und sie sich ursprünglich darauf gefreut hatte, weiterhin tanzen zu lernen, brachte Jay es uns bei.

Es war ein netter Zeitvertreib und der Blonde, der vor seinem ersten Tag auf Arcalia bereits vier Jahre lang in einem Verein getanzt hatte, spielte nur zu gerne den Tanzlehrer. Er musste sich zwar praktisch durch zwei teilen, weil er natürlich nicht mit Leela und mir gleichzeitig tanzen konnte, aber er war wirklich ein guter Tänzer und Lehrer.

Bei ihm lernten wir die Grundschritte sämtlicher Tänze, die er für wichtig erachtete und dazu noch einige einfache Figuren. Mila hatte zwar erzählt, dass noch nicht sicher war, ob der Sommerball stattfinden würde, doch es machte auch so Spaß, ein wenig herum zu hampeln und sich auszutoben.

Und dadurch, dass wir uns nun alle zuhause aufhielten, erfuhr ich viel über die Familien der anderen. Trishs und Amys Eltern waren sehr herzlich und grüßten uns immer freundlich, wenn sie zufällig mitbekamen, dass ihre Töchter telefonierten. Mila wurden regelmäßig von ihren beiden großen Brüdern gestört, mit denen sie sich geschwisterlich stritt und die ihr immer wieder Streiche spielten – nicht, dass sie unschuldiger war. Von Noahs und Coles Familien bekam ich nicht viel mit, Coles Mutter arbeitete wohl viel und Noah war meistens alleine in seinem Zimmer. Nur einmal kam sein großer Bruder herein, nickte in die Kamera, bot Noah eine Schüssel Chips an und verließ das Zimmer dann wieder, nachdem er sich ein Paar Schuhe aus dem Schrank genommen hatte.

Jetzt, wo ich länger hier war, nicht in den Urlaub fuhr und nicht ganz so viel mit meinen Eltern unternahm, sah ich sogar Maddy einige Male. Einmal begegneten wir uns im Supermarkt, als ich mit Jay und Leela vor den Tiefkühltruhen stand und über Pizza diskutierte. Sie ging direkt an uns vorbei, holte eine Packung tiefgekühltes Mett aus der Truhe zwei Truhen weiter und ging dann, ohne mich oder meine Freunde auch nur eines Blickes zu würdigen. Jay und Leela wunderten sich genauso über ihr Verhalten wie ich, nachdem ich ihnen erzählt hatte, wer das war.

FeuerkampfWhere stories live. Discover now