Als nun endlich die feierliche Zeremonie, der Artefaktverleihung beginnt kehrt wieder lautstarkes Gemurmel in die Reihen der Magier zurück. Der Familienname Akela ist einer, der am frühsten aufgerufenen, da er im Alphabet ganz vorn steht. Dennoch muss Ember sich noch etwas gedulden, da Eliana den Anfang macht. Auch wenn sie im Alphabet noch vor den meisten anwesenden hier im Raum steht, so ist es ihre Schwester, die ihr wieder einmal einen Schritt voraus ist. Eliana verschwindet hinter dem abgetrennten Bereich, wo General Veros bereits auf sie wartet. Die Artefakte können nur von einem der zwölf Generäle heraufbeschworen werden, weshalb es eine recht mühselige und zeitaufwändige Veranstaltung ist.

Während Eliana ihr Artefakt erhält, steht Ember noch immer auf ihrem zugewiesenen Platz. Um sie herum hat das Tuscheln nicht nachgelassen, doch das Thema hat sich geändert. Sie wurde vom Schicksal zwar mit ewiger Dunkelheit gestraft, doch dafür sind ihre anderen vier Sinne geschärft, wie die eines Tiers. Dadurch ist es ihr möglich den genauen Wortlaut des Mädchens zwei Reihen hinter ihr aufzuschnappen.

„Ist das da vorne nicht Ember Akela? Die Blinde? Was will die denn mit einem Artefakt?! Sie hat doch nicht etwa vor am Duell der magischen Künste teilzunehmen oder?", blafft die dreckig lachende Stimme woraufhin Gekicher der anderen zu hören ist. „Sei nicht albern, die würde es doch nicht einmal bis zur ersten Etappe schaffen!", unterdrückt das andere Mädchen ihre Schadenfreude, während Ember die aufsteigende Wut unter Kontrolle zu halten versucht. Solche Sticheleien sollten ihr rein gar nichts mehr ausmachen, nein, so etwas dürfte überhaupt nicht mehr an sie herankommen. Jahrelang ist sie dem Vorurteil und dem Spott bereits ausgesetzt.

Eine Blinde kann nicht arbeiten. Eine Blinde ist unnütz als Ehefrau, wie soll sie die Kinder erziehen? Eine Blinde ist ein ewiger Pflegefall.

All diesen Dingen muss sie schon ihr Leben lang zuhören und sie gezwungenermaßen stillschweigend hinnehmen. Sie ist dieses erbärmliche Leben im goldenen Käfig so satt. Sie wünscht sich nichts mehr, als endlich respektiert und anerkannt zu werden. Endlich ihr eigenes Leben führen zu dürfen so, wie sie es sich vorstellt und ganz ohne Sonderbehandlungen, denn Ember ist alles andere als hilfsbedürftig.

Schon früh wurden Eliana und Ember in Sachen Magie unterrichtet. Zunächst fand der Unterricht nur für Eliana statt, da sie mit den konventionellen Lehrmethoden klarkam. Ganz im Gegensatz zu Ember, die sich sehr schwer damit tat dem Unterricht zu folgen, weshalb ihre Eltern entschieden, dass es besser und weniger frustrierend für sie wäre, wenn sie von der allgemeinen Bildungspflicht befreit werden würde. Natürlich hatte ihr Vater seine Beziehungen zum königlichen Rat auch in dieser Angelegenheit genutzt. Somit verbrachte Ember etliche Nachmittage damit sich zu langweilen, während Eliana von Tag zu Tag mehr über die Magie lernte und immer besser darin wurde sie einzusetzen.

Die Eifersucht und der Frust in Ember stiegen ins unermessliche woraufhin sie ihre Eltern anbettelte ebenfalls unterrichtet werden zu dürfen. Die Monate verstrichen und niemand erklärte sich bereit dazu sie zu unterrichten. Es lag weniger daran, dass man nicht wollte, sondern weil man einfach nicht konnte. Wie wollte man einer Blinden schließlich etwas über Magie und Zauberei beibringen, wenn sie nicht in der Lage war die Zaubersprüche zu lesen oder die richtigen Bewegungen auszuführen.

Nach einer langen Zeit der Suche, während Eliana Embers Fähigkeiten bereits bei weitem übertraf, fand man den perfekten Lehrmeister für Ember. Tarik Midian war ein Mann des einfachen Volkes. Sein Berufsfeld entsprach ganz und gar nicht dem eines Lehrers, doch er hat diese gewisse Art an sich Dinge zu erklären ohne viel Aufwand dafür zu betreiben.

Embers Eltern ließen es auf den Versuch ankommen und waren erstaunt, als sie ihre damals neun Jährige Tochter plötzlich ohne Hilfestellung oder Anweisungen im Garten umherspazieren sahen. Sie wussten nicht was Tarik genau mit ihrer Tochter anstellte, doch Ember war begeistert und überglücklich weshalb sie es nicht übers Herz brachten Tarik abzuweisen. Die Liebe zu ihrer Tochter und der Wunsch sie glücklich zu sehen siegte schließlich über ihre Skepsis und ihr Misstrauen dem fremden einfachen Mann gegenüber.

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