38. Unerwarteter "Besuch"

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Sie klatschte in die Hände und lief zur Kellertür. Mein Vater schlenderte bepackt mit Reisekoffern durchs Zimmer und nickte mir abwesend zu.
Ich rang mir ein Lächeln ab. ,,Könnt ihr mir nicht schreiben wenn ihr kommt?"

Wären sie nur eine Stunde früher gekommen...

Ich unterdrückte ein Schaudern.
Dad lachte. ,,Ich soll Bescheid sagen, wenn ich zu mir nach Hause fahre?"
,,Stimmt. Wenn du zu dir nach Hause fährst."

Er setzte sich neben mich und seufzte geschafft, während er auf meine Mutter wartete. Ich spürte genau wie er mich ansah und erwiderte seinen Blick. Er musterte meinen Hals, grinste, sagte aber nichts.

Ich muss zugeben dass mich das ein bisschen enttäuschte. Ich hätte ihm gerne alles erzählt; dass ich in einer Beziehung war, mit einem Typen, wie schön sich das alles anfühlte... Aber ihn schien das gar nicht zu interessieren.

,,Wie war die Klassenfahrt?", fragte er lediglich und klang dabei nicht einmal, als wäre ihm meine Antwort wirklich wichtig. Ich hob die Augenbrauen.

,,Du weißt also, dass ich weg war. Beeindruckend",
,,Jetzt nimm mich doch mal Ernst", lachte er und fuhr sich durch die schwarzen Haare seines Undercuts. [Levi? Is it you?]

Ich verdrehte die Augen. Wieso sollte ich? Ich war eh nur ein kurzer Zeitvertreib, bevor er mit einem Drink ins Bett gehen würde. Die Augenringe und sein müder Blick schrien doch danach.

,,Es war okay. Klassenfahrt halt", sagte ich knapp und fluchte leise, als ich erneut verlor. Er lehnte sich vor und sah zu, wie ich das Spiel wiederholte.
,,Ahh, ja, das Level war schon immer scheiße. Versuch es mal damit."

Er zeigte auf einen der Bäume. ,,Wenn du da hochkletterst, folgen dir die Viecher nicht. So kannst du alle von oben ausschalten. Du brauchst dafür nur so einen Skill..."

Plötzlich riss er mir den Nintendo aus der Hand. Ich zog die Augenbrauen zusammen und hätte fast was gesagt, bis mir einfiel, dass das bei ihm keine so gute Idee war.

Er starrte wie versessen auf das Display, bis eine Minute später das laute "You won!", erklang.

Er grinste selbstgefällig und schmiss den Nintendo auf den Couchtisch. Der machte ein ungesundes Klack-Geräusch, schien aber noch okay zu sein.

,,Was macht ihr da?" Mum stand mit einer Sektflasche und zwei Weingläsern hinter uns und sah meinen Vater an. Der stand auf.
,,Endlich. Warum brauchst du so lange?", murrte er.

,,Ich habe nach der richtigen Sorte gesucht. Einem Alkoholiker wie dir ist es vielleicht egal was wir trinken, aber ich schmecke heraus, was für Alkohol es ist", sagte sie spitz.

Er lachte nur. ,,Lass uns hochgehen. Ich will baden gehen, und dann ins Bett."
Wer hätte das gedacht.
,,Ja ja", winkte sie ab. ,,Karma, du solltest hier mal aufräumen."

,,Mhm", brummte ich abgelenkt, während ich vorsichtig den Deckel des Nintendos öffnete. Plötzlich wurde mein Handgelenk gepackt. Dad drückte es so fest, dass der Nintendo erneut aus meiner Hand fiel.

,,Deine Mutter redet mit dir", zischte er und sah zu meiner Mum, die vorwurfsvoll die Arme verschränkte. ,,Also?"
Ich spannte den Kiefer an. ,,Ja, ich räume doch auf. Tut mir leid."

Endlich ließ mich seine Hand los und er stand auf. Mum kicherte als wäre nie was gewesen und hielt ihm ein Glas hin, während sie sagte: ,,Ein Barbecue, dass ich schneller oben bin als du."
,,Angenommen", sagte er und sie jagten sich die Treppen hoch.

Ich sah weg, um in Ruhe die Augen verdrehen zu können. Meh...

Als ich später (sehr viel später) ebenfalls hochging, deutete alles darauf hin, dass meine Eltern bereits schliefen. Ich putzte Zähne, zog mich um und ließ mich auf mein Bett fallen. Erst dann fiel mir auf, wie müde ich eigentlich war.

Oh verdammt.

Laut Wecker war es 3 Uhr Nachts. Ich rechnete die Stunden aus, die ich noch zum Schlafen hatte und seufzte. Fünfeinhalb Stunden. Mist.

Geschafft vergrub ich den Kopf im Kissen und schloss die Augen. Wahrscheinlich würde ich nie wieder die Gelegenheit bekommen, meinen ganzen Schlafmangel aufzuholen. Auf Dauer wurde ich so schnell gereizt, wenn ich zu wenig Schlaf abbekam.

Wie schafft Nagisa es, immer so früh aufzustehen und dann auch noch gut gelaunt zu sein?!

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Der Morgen verlief eigentlich wie immer. Der Wecker ertönte und ich schaltete - oder eher schlug - ihn aus. Wie ich dieses Schellen hasste...

Und noch mehr hasste ich das Wetter. Gerade als ich losging, begann es in Strömen zu regnen und ich musste noch einmal umkehren, um mir einen Schirm zu holen.

Nagisa und ich trafen uns am Hauptgebäude der Kunugigaoka, wobei er sich klatschnass mit unter meinen Schirm stellte. Seine Nähe störte mich zwar nicht, aber unter dem kleinen Teil blieben wir beide nicht ganz trocken.

Dafür wurden wir mit Mach 20 von Koro-Sensei abgetrocknet, sobald wir das Klassenzimmer betraten (,,Was wäre ich nur für ein Lehrer, wenn ich zulassen würde, dass ihr euch alle erkältet!"), und das machte es wieder in Ordnung.

Als der Unterricht begann, gab uns Sensei die Aufgabe, einen Bericht über den Tag auf der Klassenfahrt zu verfassen, welchen wir am meisten genossen hatten. Ich entschied mich für den Vorletzten. Obwohl ich die wahren Gründe dafür natürlich nicht nennen konnte.

Ansonsten ging der Schultag ziemlich schnell und unspektakulär vorbei. Da wir bereits alle an unseren Oberschulen angenommen worden waren, gab es nicht viel, das wir großartig lernen mussten.

Koro-Sensei bereitete uns auf nächstes Jahr vor, Bitch-Sensei gab uns Anweisungen und Tipps für den Umgang mit unseren zukünftigen Mitschülern, und Karasuma-Sensei trainierte mit uns wie immer.

Langsam spürten wir es alle - das Schuljahr neigte sich dem Ende zu. Und das bedeutete, dass sich unsere Wege schon bald trennen würden. Irgendwie fürchteten wir uns alle ein wenig davor, den Assassination Classroom zu verlassen.

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,,Hast du Lust, heute wieder bei mir abzuhängen?", fragte ich Nagisa auf dem Nachhauseweg. Wir hatten etwas getrödelt, jetzt konnten wir ungestört reden.
,,Gerne", stimmte er zu und lächelte.

Dann hielt er plötzlich inne. Ich blieb ebenfalls stehen. ,,Was?"
,,Oh, ähm... ich muss heute noch zu Sakura-Chan", fiel es ihm ein und er sah mich verlegen an. ,,Nachhilfe."

,,Okay. Wann denn? Wir können uns danach treffen."
,,Wahrscheinlich von drei bis vier, also circa ne Stunde."
,,Gut. Dann komm einfach danach zu mir."
,,Okay!"

Meine Eltern arbeiteten bis neun Uhr. Also abends. Bedeutete, dass Nagisa da sein würde, ohne dass sie davon erfahren würden.

Wenn alles glatt lief.

How to love an Assassin ♡ KarmagisaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt