Die Kolik

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Da Mika mit der Zunge schnalzte, trabte ich hinunter zum Strand und trat in die Wellen. Sanft umspülte das kalte Wasser meine Beine und es war sehr erfrischend.

Meine Seelenverwandte legte ihre Beine an meine Flanken, ein Zeichen dafür, um anzugaloppieren. Sofort tat ich, was sie wollte. Ich stürmte durch das glitzernde Nass, Wasser spritzte hoch und ich wieherte vergnügt. Mika lachte ebenfalls im Rausch der Geschwindigkeit. Wir fühlten dasselbe.

Nach einem Kilometer sahen wir kleine Zelte am Strand und ich steuerte darauf zu. Als wir näher kamen, erblickte ich ein Mädchen mit blonden Locken, das am Strand telefonierte. Das musste Fanny sein, denn meine Freundin telefonierte ebenfalls.

Schnaubend verlangsamte ich zum Schritt und ging auf das Mädchen zu. Sie bemerkte uns noch immer nicht und wir hörten ihre Worte "Nö, ich seh dich immer noch nicht. Da ist nur so ne Tussi auf nem Gaul."

Gespannt auf ihre Reaktion blieb ich stehen "Tussi?" lachte Mika nun und das Mädchen drehte sich zu uns. "Mika? Pferd?!? Mika!" stammelte sie. Meine Freundin sprang aus dem Sattel, Fanny rannte zu ihr und fiel ihr um den Hals. Ich beobachtete das Wiedersehen gerührt.

Schließlich löste Fanny sich von meiner Seelenverwandten und überfiel sie augenblicklich mit Fragen. "Ich hab mich schon gefragt, warum du so lange brauchst. Bist du den ganzen Weg hierher geritten? Was ist das für ein Pferd? Und überhaupt: Pferd?"

Grinsend meinte Mika "Ich muss jetzt erst mal was essen, dabei erzähle ich dir alles." Fanny nickte und wir folgten ihr zu einem Feriencamp. Sofort umringten uns zahlreiche Kinder, Fanny holte Mika etwas zu essen, und alle setzten sich in einem Kreis um ein Lagerfeuer, wo Mika alles berichtete, was wir in der letzten Zeit erlebt hatten. Währenddessen rupfte ich hungrig das Gras aus, dabei hielt ein Junge meine Zügel fest.

"... Und dann bin ich eben abgehauen." schloss meine Freundin. Fanny und die anderen hatten ihr staunend zugehört. "Und die wollten wirklich Salami aus ihm machen?" hakte Mikas beste Freundin nach. "Ungarische Salami" ergänzte meine Seelenverwandte.

"Und was machen wir jetzt?" wollte Fanny wissen. Mika legte sich erschöpft hin. "Das entscheiden wir morgen. Ich muss nur noch Ostwind füttern." Aber da war sie auch schon eingeschlafen.

Fanny deckte sie behutsam mit einem Handtuch zu. "Das machen wir schon"
Dann wandte sie sich an die Kinder. "Also. Ihr habts gehört, das Pferd hat Hunger. Alle Vorräte an Deck." Sofort liefen die Ferienkinder los und kamen wenig später mit allerlei Süßigkeiten zurück. Sie stellten sich in einer Reihe auf und Fanny hielt mich am Zügel. So wurde ich gefüttert und Fanny rief jedes Mal "Nächster!".

Schließlich hatte ich keinen Hunger mehr und Fanny führte mich in ein Zelt. Da ich wusste, dass Mika in der Nähe war, schlief ich bald ein.

Am nächsten Morgen wurde ich durch heftige Bauchschmerzen wach. Ich versuchte, es nicht zu beachten, doch die Krämpfe wurden immer schlimmer. Ich stöhnte gequält auf. Sofort kamen Kinder auf mich zu und schließlich holten sie Fanny. Als sie mich sah, zog sie besorgt die Augenbrauen zusammen. Mit Hilfe der Kinder befreite sie mich von dem Sattel und der Trense und warf das Zeug achtlos in eine Ecke.

Von Minute zu Minute wurden die Schmerzen schlimmer, Schaum tropfte aus meinem Maul und ich keuchte verzweifelt. Fanny rannte hinaus, wahrscheinlich wollte sie Mika holen. Woher kamen diese Schmerzen? Da erblickte ich einen Rucksack, wo eine Tafel Schokolade zu sehen war. Natürlich! Gestern hatte man mich doch damit gefüttert! Warum war mir das nicht aufgefallen? Schokolade war super giftig für uns Pferde!

Nach ein paar Minuten rannte meine Freundin ins Zelt und stürzte sofort zu mir. "Was hast du? Was ist denn?" fragte sie. "Ich hab Schmerzen" schnaubte ich leidend. Entsetzt zog Mika ihr Handy hervor und rief jemanden an, doch es meldete sich niemand. Auf einmal fühlte ich ein Stechen in meinem Bauch und knickte mit den Vorderbeinen ein. Meine Seelenverwandte ließ ihr Handy fallen und versuchte erfolglos mich mit ihrer Kraft auf den Beinen zu halten. Doch dann ging sie mit mir zu Boden.
Ich hatte keine Kraft mehr und sie auch nicht, das spürte ich.

"Nicht aufgeben, bitte gib nicht auf!" schluchzte meine Freundin. Tränen liefen ihr übers Gesicht. Ich krümmte mich vor Schmerzen und atmete schnell. Nun sah ich, dass Fanny Mikas Handy aufhob und damit hinausging.

Ostwinds Sicht - Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt