Prolog

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Der Mond stand groß und prall am Himmel. Die Sterne funkelten und tauchten die Landschaft in ihr schummrig unheimliches Dämmerlicht. Alte Gemäuer ragten in den Himmel empor, wie verwitterte und abgenutzte Zähne eines gigantischen Ungeheuers.
Alles wirkte wie in tiefes Schwarz-Blau getaucht, wie völlige Dunkelheit, die alles jeder Zeit in die Tiefe des Abgrunds reißen könnte.
Es war ungewöhnlich still für eine kühle Frühlingsnacht.
Dieser Ort war schon seid Jahrzehnten von kaum einem Lebewesen besucht worden, denn in den 1940er Jahren hatte man diesen Teil der Stadt vollkommen zerbombt.
Damals hatte alles in Flammen gestanden. Frauen und Kinder hatten sich tief unter der Erde in den notdürftigen Bunkern versteckt, während die Junkers-Bomber über ihren Köpfen her donnerten wie eines dieser Nachtgewitter, die sich im Dunkeln kaum merklich heranschlichen und auf ihrem Weg alles in Fluten versenkten während Blitze die Luft mit krachendem Donner zerschnitten.
Die Bomber allerdings kündigten sich zwar schon Meilen weit im Voraus an durch die lauten Turbine, doch hatten sie mehr als das Zehnfache an Zerstörungskraft als diese Gewitter. Kein Haus konnte einer dieser Bomben standhalten, nicht vollkommen unbeschadet.
Selbst manche der Bunker begruben bei so einigen Anschlägen Hunderte unter ihnen, einfach weil auf die kurze Zeit keine großen Maßnahmen getroffen werden konnten.
So wurde dieses Fleckchen Erde dem Erdboden gleichgemacht, Familien ausgelöscht und Erinnerungen vernichtet.

Nun waren lediglich die Ruinen übrig geblieben.
Die damals vom Feuer zerfressenen Holzbalken der Fachwerkhäuser, waren weggefault und hatten - anders als bei Kadavern - nur noch rauchig schwarze Klaiben mit dem dazugehörigen Mauerwerk übrig gelassen. Als hätte man die Knochen aus einer Leiche entnommen, aber den Rest dem Verfall überlassen.
Witterung hatte überall eingesetzt und so hatte sich nach und nach die Natur seinen Platz wieder zurückerobert. Bäume wuchsen aus allen erdenklichen Nischen.
Dort wo ein Haus noch einigermaßen den Bomben standhaft geblieben war, rangen es Sprösslinge und Mose nieder, die sich in Fenstern, Türen, Giebeln und Regenrinnen eingenistet hatten.
Efeu kroch an Boden und Wänden entlang, wie eine Hand, die langsam alles gierig an sich riss, was sie nur bekommen konnte, doch Bewohner hatte dieses Örtchen immer noch kaum.
Zumindest nicht dauerhaft, denn drei Teenager schlichen sich durch die Gemäuer, während die Lichtkegel ihrer Taschenlampen an den Wänden entlang huschten.
Ein für sein Alter groß gewachsener Junge, vielleicht um die 16, dunkelbraunes, fast schwarzes Haar und Sommersprossen, schlich der Gruppe voraus. Seine etwas ältere Fliegerjacke hatte er sich nahezu lässig über die Schultern gelegt, als wäre ihm viel zu warm.
Ein zweiter Junge folgte ihm. Er jedoch war kleiner gehalten und hatte eine kräftige Statur. Sein Haar war lockig und strohblond wie frisch herangereifter Weizen.
Der Dritte war sogar noch größer als der erste und besaß eine sportliche Statur, schlank, aber doch behände stieg er mit einem Rucksack auf dem Rücken unter dem verwilderten Gestrüpp hindurch. Sein Haar war Straßenköter-blond
Spray-Dosen klickten in seinem Gepäck.
„Hier wird uns kein Schwein entdecken! Das könnte der Ort sein!", meinte der kleine Blonde.
In den Gesichtern aller drei blitzte Neugierde auf, wie die funkelnden Sterne am Nachthimmel. Obwohl es garantiert schon nach Mitternacht zu sein schien, machte keiner der drei Anstalten umzudrehen oder auch nur einen Hauch von Müdigkeit zu zeigen.
„Es könnte nicht nur ... es ist der Ort, Alter!"
Der Schwarzhaarige hatte sich umgedreht.
„Hier gibt es irgendwo eine Kirche ... die hab ich entdeckt, als ich das letzte Mal hier war!"
„Man wie schaffst du das?? Ich bin meine kleine Schwester kaum losgeworden. Dieses rothaarige Biest konnte ewig nicht einschlafen und hat mich voll aufgehalten!", der blonde Kräftige runzelte die Stirn, wodurch er allerdings noch weniger Beistand bekam. Mehr erntete er ein herzhaftes Grinsen der beiden anderen.
„Ich hoffe doch, dass sie uns nicht schon wieder hinterher rennt. Sie is süß, aber auch nervig wie sonst was!", raunte der Schwarzhaarige in die Runde.
„Man jetz' hör' aber auf! Das letzte Mal als ich sie gesehen habe, hat sie geschlafen..."
„Das reicht aber nicht! Nicht bei dem, was wir hier abziehen wollen!"
Nun wirkte der Schwarzhaarige ernster, der Trupp machte abrupt Halt.
„Bist du dir nun sicher oder nicht?"
„Man! Lass uns doch einfach weiter - "
Leises Getrappel kleiner Füßchen auf weichem Untergrund war zu hören.
„Sag ich doch! Man muss bei sowas richtig sicher sein, alter! Das is nicht altersgemäß für die!", zischte der Schwarzhaarige dem Kräftigen zu.
Allerdings drehten sich sofort alle um.
Ein kleines Mädchen kam aus dem Gebüsch gestolpert, in ein Nachthemd gekleidet, das viel zu kalt zu sein schien für diese Jahreszeit und vor allem für draußen.
„Ich wusste doch, dass du nicht ins Bett gehen würdest!", murrte die Kleine.
„Wie oft soll ich dir das noch weiß machen?!"
Das Gesicht des gelockten Jungen verfärbte sich rot.
„Das hier ist nichts für dich und das wird es auch nie sein! Manne- ... eh ..."
Er stöhnte auf, nahm seine kleine Schwester dennoch in Empfang.
„Das hier ist nichts für dich ...", wiederholter er nun leiser.
Die anderen beiden guckten sich an, als wäre es dennoch irgendwie gleichgültig, obwohl es ihnen nicht gleichgültig war. Fragezeichen bildeten sich auf ihren Vorderköpfen.
„Und ... nicht um eure Geschwisterliebe zu unterbrechen ... aber was machen wir jetzt mit ihr?", fragte nun der Große.
„Naja was wohl? Sie zurückbringen würde zu lange dauern und außerdem könnte es viel zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen! Also nehmen wir sie natürlich mit!"
„Bist du komplett verblödet?! Wir können sie doch nicht mitnehmen!?"
Entsetzte Blicke lagen auf dem Lockenkopf und der Kleinen in seinen Armen. Seine Schwester scherte sich kaum um die heißen Blicke, die hier herrschten, viel mehr spielte sie an einem Ästchen herum, dass sie wohl von irgendeiner Blume abgerissen haben musste.
„Können wir einfach weiter gehen?"
Kam es dann aus ihrem kleinen Mund.
„Ich will nicht zurück! Außerdem ist, was ihr macht, viel cooler!"
Sie wippte auf und ab, während ihr Bruder sie in den Armen hielt.
Die beiden anderen rollten mit den Augen und setzten schließlich doch ihren Weg fort.
„Seid aber leise!"
Das kleine Mädchen grinste und hauchte ein kleines abenteuerlustiges „Jaaa!", bevor sie verstummte und sich an ihren Bruder lehnte.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 22, 2020 ⏰

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