Zukunft ist so ein fernes Wort

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Tory ist trotzdem gefahren, um ihren Eltern zu erklären, wie sie sich fühlt. Sie meint, sie müssen endlich akzeptieren, dass ihre Tochter nicht auf Jungs steht und jetzt eine feste Freundin hat. Und ich bin am nächsten Tag wieder zur Schule gegangen. Rommy ist sofort auf mich zugestürmt und wollte die tragische Liebesgeschichte hören. »Hab's mir schon gedacht«, hat sie zwinkernd behauptet. Auf einmal verstehe ich mich wieder mit den Menschen, die sie vor mir ferngehalten hat. Mit machen sogar besser, als vorher. Nachdem sich verbreitet hat, dass Tory und ich ein Paar sind, haben mir sogar Jungs, mit denen ich kaum zu tun habe, für eine so heiße Freundin gratuliert. Ich muss sagen, es ist ein tolles Gefühl. Ich habe mich fast schon nicht mehr daran erinnert, wie es ist, nicht von allen gemieden zu werden. Ich genieße tatsächlich sogar die neu gewonnene Aufmerksamkeit und die Fragen über Tory, mit denen mich alle löchern.

Vieles hat sich seit ihrer Rückkehr in die USA verändert. Sarah versucht nicht mehr so zu sein wie sie und hat sich sogar ihre Haare abgeschnitten und blond überfärbt.Sascha nimmt mich jetzt jeden Tag mit zur Schule. Wir unternehmen auch nach der Schule noch viel miteinander. Über Tory wird allerdings so gut wie nie geredet. Die meisten benehmen sich, als sei sie nie da gewesen. Als sei sie ein Mythos, eine Legende, unsichtbar und doch irgendwie immer im Gedächtnis.

Collin ist noch immer meine Wand und mein Anker. Obwohl wir die ersten Wochen nach der großen Enthüllung kaum Kontakt hatten, haben wir schnell wieder zueinander gefunden und sich nach wie vor die besten Freunde. Zwar nennt er mich seitdem wieder »Bec«, aber das ist ok. Er braucht mich gar nicht als eine potenzielle Freundin zu betrachten, ich bin nämlich nicht mehr zu haben und damit sehr glücklich. Er ist der Einzige, mit dem ich mich öfter über Tory unterhalte. Dem ich erzähle, wie es zwischen uns beiden läuft. Denn obwohl die Entfernung zwischen uns riesig ist, überbrücken wir die Zeit bis zu einem Wiedersehen mit Videoanrufen und täglichen E-Mails. Sie sagt, in den Ferien kommt sie mich und die anderen besuchen und vielleicht kommen sogar ihre Eltern mit, um mich endlich kennenzulernen.

Auch meinen Eltern habe ich gestanden, was zwischen Tory und mir passiert ist. Während meine Mutter in eine kurze Schockstarre verfallen ist, hat mein Vater nur angefangen zu lachen und meinte, unsere Familie sei ja schließlich noch nie mit der Masse geschwommen. Nach ein paar Tagen Bedenkzeit hat auch meine Mutter eingesehen, dass es nichts Schlimmes ist, wenn ihre Tochter ein Mädchen liebt und sie hat sogar angemerkt, dass Tory ein liebes Mädchen und eine Bereicherung für uns sei. Ich habe versucht, sie nicht persönlich zu nehmen.

Der Gedanke, dass Tory und ich wirklich zusammen sind, ist für mich selbst noch so ungewöhnlich. Jedes Mal, wenn sie mich mit »Hi Honey« begrüßt, muss ich kichern, weil ich nicht glauben kann, dass es tatsächlich wahr ist. Ihre Maske hat sie seitdem nie wieder aufgesetzt. Sie ist dieses süße Mädchen, für das es an meiner Schule alle gehalten haben. Und jetzt denke auch ich so über sie. In meinem Kalender streiche ich jeden vergangenen Tag mit einem dicken schwarzen Stift durch, solange bis wir uns das nächste Mal sehen.

Und wer weiß, was in ein paar Jahren ist, wenn ich meinen Abschluss habe und ein bisschen Geld verdient habe. Vielleicht sind wir dann immer noch zusammen und ganz vielleicht können wir dann ein gemeinsames Leben anfangen, irgendwo, und ungehindert zusammen sein. Aber das liegt noch weit in der Ferne. Für den Moment zählt nur eins: Die einzigartige, unglaubliche, liebreizende Tory ist meine Freundin.

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