Niklas & Lennard | Teil 2

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»Und, habt ihr eure Probleme jetzt vielleicht endlich gelöst?«, fragte Theo sofort, als er Niklas' Skype-Anruf entgegen nahm. Es war gerade zehn Uhr morgens und die Sonne knallte durch das Fenster auf den Computer, so dass Niklas die Vorhänge etwas weiter zuziehen musste, um den Bildschirm sehen zu können. Wenn Theo doch nur wüsste, wie gut sie sich gestern Abend wirklich verstanden hatten - zumindest für einen Zeitraum von  drei Minuten, beim Rumknutschen auf der Küchentheke.
»Nein, wir haben nicht unsere Probleme gelöst, wir haben uns eher … ignoriert.«
Niklas dachte zurück, an die komische Situation nach dem Rumgeknutsche und das Lennard ernsthaft so getan hatte als wäre nichts gewesen, bevor er sich ohne Abendessen zurück in sein Zimmer verzogen hatte. So ein Arschloch! Als wäre es ihm wirklich so unangenehm, mit ihm rumgemacht zu haben - vor wenigen Sekunden hatte das noch anders ausgesehen und dann ließ er ihn einfach stehen. Theo stönte am anderen Ende der Verbindung genervt und holte Niklas damit zurück in die Realität.
»So wird das mit euch doch im Leben nichts! Aber gut, solange ihr euch nicht umbringt …«
»Das überlege ich mir noch. Er hätte es eigentlich verdient.«
»Ich bin sicher, er würde das Selbe über dich sagen.«
»Weil er ein Vollidiot ist!«
Der Satz kam lauter und wütender heraus als eigentlich gewollt. Schnell ließ Niklas sich wieder zurück in den Bürostuhl sinken und seufzte gequält. Theo musterte ihn unterdessen kritisch.
»Es ist noch etwas anderes zwischen euch passiert.«
Keine Frage, eine Feststellung. Und sie traf voll ins Schwarze. Niklas zuckte hibbelig mit den Schultern und versuchte, seinem besten Freund dabei nicht in die Augen zu sehen.  
»Komm, was ist es?«
»Ich will nicht darüber reden.«
»Habt ihr euch etwa geprügelt oder so?«
Niklas musste wiederwillen ironisch auflachen; geprügelt zwar nicht, aber ihre Körper waren sich ja trotzdem ziemlich nah gewesen. Tjah, und jetzt versuchte einer von ihnen - ein ungepflegtes, total idiotisches Arschloch - die Sache einfach unter den Teppich zu kehren.
»Man jetzt sag's mir schon, sonst kann ich euch nicht helfen«, bettelte Theo inzwischen, bei dem langsam die Neugier die Oberhand gewann. Für einen Moment überlegte Niklas wirklich, ihm die Wahrheit zu sagen, und dann inruhe über alles zu reden, jedoch … selbst, wenn es zwischen ihm und Lennard jetzt wie vorher wurde, würde Theo wahrscheinlich für den Rest seines Lebens auf dieser drei-sekündigen Knutscherei herum reiten. Darauf konnten er - sowie wahrscheinlich auch Lennard - allerdings getrost verzichten.
»Ach, vergiss es«, meinte er deshalb schließlich und zuckte gelassen mit den Schultern.
»Dein Bruder ist anscheinend einfach nur ein bisschen untervögelt.«

Zum Glück war die Küche bei Niklas' Ankunft dort leer, bis auf Cleo, die schnurrend in ihrem Körbchen lag. Niklas beugte sich über sie und tätschelte ihr sanft über das schwarze Fell, bevor er sich aufrichtete und nach einer angefangenen Toastpackung griff, die auf dem Küchenthresen stand.
»Du hast uns gestern Abend einen ganz schönen Schrecken eingejagt, Kleines«, seufzte er, während er den inzwischen sehr altersschwachen Toaster anschmiss.
»Aber vielleicht auch besser so, dass du uns unterbrochen hast …«
Niklas wollte gar nicht erst daran denken, wie es gewesen wäre, wenn er tatsächlich mit Lennard geschlafen hätte und der sich am nächsten Morgen so verhalten hätte wie jetzt. Das hätte noch viel mehr wehgetan und zusätzlich wäre er sich wahrscheinlich ziemlich blöd vorgekommen. Aber naja, wenn sich der Sex wenigstens gelohnt hätte … Niklas schüttelte fahrig den Kopf und verbot sich sofort, jemals wieder an möglichen Sex mit dem Bruder seines besten Freundes zu denken. Das war so oder so eine beschissene Idee, selbst wenn Lennard ihn mochte - irgendwann würden sie sich wahrscheinlich trennen und jede weitere Begnung wäre unglaublich peinlich. Diese Erfahrung hatte er ja schon in der elften Klasse gemacht als er kurz etwas mit dem Typen hatte, der in Mathe neben ihm saß, und dummer Weise doch erkannt hatte, dass er eigentlich hetero war; der Rest des Schuljahres war also die Hölle in vierzig-Minutenetappen gewesen. Niklas erschrak als eine der Flurdielen knarzte und kurz darauf Lennard seinen Kopf durch die Tür steckte. Na super.
»Hey«, sagte er kühl und nahm die leicht angewärmten Brotscheiben aus dem Toaster - mehr war bei diesem klapprigen Gerät einfach nicht drin, aber Theo weigerte sich, es wegzuschmeißen, da Niklas darauf nach einem ihrer Trinkgelage mit Edding einen alles andere als schönen Regenbogen gemalt hatte. Gott, war er damals betrunken und sowas von von seinem Freund verlassen worden. Es tat noch immer ein bisschen weh, wenn er daran dachte und ihm wurde ein weiteres Mal bewusst, wie viel Pech er mit Männern hatte - der Typ hier im Jogginganzug, der vor ihm stand, war dafür ja das beste Beispiel.
»Hi. Machst du mir auch zwei Scheiben?«
Lennard deutete auf den Toast, den Niklas gerade dick mit Nutella bestrich.
»Mach dir selbst einen.«
»Okay.«
Der Brünette zuckte vollkommen ruhig, gelassen und nicht sauer mit den Schultern, bevor er sich neben Niklas an die Küchentheke stellte und nach dem Toast griff. Für Niklas ein Stück zu nah, denn er rückte demonstrativ von ihm ab.
»Ich hab eben eine Mail von der Hausverwaltung bekommen«, erzählte Lennard jedoch nur ruhig weiter.
»Heute um zwölf steht wahrscheinlich ein Paket voller Lebensmittel vor unserer Tür, sie haben es also doch irgendwie engagiert gekriegt.«
»Wahrscheinlich klingt allerdings nicht sehr vertrauenserweckend. Vielleicht vergessen sie es ja auch einfach«, schnaubte Niklas und knallte sein Buttermesser auf die Theke, bevor er nach einem sauberen Teller suchte, um sein Essen in Theos Zimmer zu bekommen. Es herrschte kurze Stille, bevor Lennard schließlich die sehr geistreiche Frage stellte:
»Bist du sauer auf mich?«
»Was denkst du denn?!«
Niklas funkelte ihn böse an. Es hatte keinen Sinn, die Sache aufzuschieben; sagte er ihm doch am Besten gleich jetzt, wie sehr Lennard gerade einen plötzlichen Tod verdient hätte.
»Zuerst bist du so seltsam nett zu mir, dann küsst du mich, machst mit mir rum und tust dann bereits fünf Sekunden danach so als wäre nichts gewesen. Wieso, zur Hölle, kannst du da auch nur im entferntesten denken, ich wäre vielleicht sauer auf dich?!«
»Okay, Niklas, bitte beruhig dich, ich-«
»Nein, ich werde mich nicht beruhigen! Das hast du einfach nicht verdient!«, fauchte Niklas und spürte im nächsten Moment schon, wie seine Augen wässrig wurden. Mist, er wollte doch jetzt auf keinen Fall weinen.
»Ach Mann! Typen wie du sind der Grund, warum bei mir keine Beziehung klappt«, sagte er jetzt etwas ruhiger, ein Schluchzen unterdrücken.
»Denn falls es euch interessiert, ich hab auch Gefühle. Wieso müsst ihr mich immer betrügen, verlassen oder links liegen lassen, wenn es euch passt?«
»Niklas …«
Lennards Stimme war sanft und er legte vorsichtig - konnte ja immer noch sein, dass er ihn gleich aus Wut mit einer Bratpfanne erschlug - einen Arm um Niklas.
»Es tut mir leid. Das gestern Abend ist echt scheiße gelaufen. Ich dachte, du würdest plötzlich total ausrasten, weil ich dich geküsst habe, obwohl du mich ja nichtmal leiden kannst. Oder, dass ich nur nett zu dir war, weil ich dich rumkriegen wollte, deshalb dachte ich, es ist besser, die Sache einfach zu vergessen.«
»Das ist die dümmste Entschuldigung, die ich jemals gehört habe«, schniefte Niklas nur und schmiegte sich weiter an ihn, wobei er nicht gerade unauffällig seine Nase an Lennards Shirt abwischte. Jener seufzte nur resigniert.
»Ich weiß, ändern kann ich es allerdings auch nicht.«
»Doch, denk dir wenigstens etwas kreativeres aus. Oder etwas, das generell besser klingt.«
Niklas löste sich von ihm und grinste.
»Vielleicht aber auch etwas, das nicht ganz so dumm ist.«
»Hey, dir geht's anscheinend wieder besser. Liegt wahrscheinlich daran, dass du dich an meinem Shirt gerecht hast«, meinte Lennard leicht belustigt und deutete auf den großen Rotz/Tränenfleck, der sich auf seinem dunkelblauen Shirt geradezu perfekt abzeichnete. Niklas schnaubte.
»Du hast es verdient.«
»Na super, machst du das mit allen Typen, die deine Gefühle verletzen?«
»Nein. Die anderen liegen drei Meter unter meinem Gemüsegarten.«
»Dann reservier mir dort schonmal einen Platz.«
Lennard lächelte und strich ihm zärtlich über die Wange, was Niklas in die Realität zurückbrachte; ja, jetzt gerade mochten sie sich, aber würde das so bleiben? Er hatte vorhin ja nicht umsonst über Theos Reaktion und total peinliche Familientreffen nachgedacht.
»Das überleg ich mir noch«, antwortete er deshalb etwas vage und nahm Lennards Hand in seine.
»Jetzt könnten wir aber erstmal Versöhnungssex haben.«
Der Brünette grinste ihn an.
»Gleich hier oder sollen wir ins Schlafzimmer gehen?«
»Das sehen wir schon noch«, murmelte Niklas jedoch nur, bevor er seine Lippen auf Lennards drückte und die beiden sich in einen langen Kuss verwickelten - bis einer von beiden über Cleo stolperte, die es toll fand, gerade in diesem Moment schnurrend um ihre Beine zu streichen und sie lachend wieder das Gleichgewicht suchten.
»Diese Katze lässt einen aber auch nicht einmal ungestört rummachen«, meinte Lennard kopfschüttelnd und Niklas musste grinsen.
»Sie versucht eben alles, damit du sie am Ende doch umbringst. Ein Grund mehr, dass wir jetzt besser ins Schlafzimmer gehen.«

»Und, habt ihr eure Probleme jetzt gelöst?«
Theo saß am Küchentisch von Sabines Wohnung und war damit beschäftigt, dass Topping seiner Joghurtecke auch irgendwie in den Joghurt zu bekommen als Niklas ihn anskypte. Auf seinem Gesicht lag ein verschlagenes Grinsen und er hatte sich in einen von Lennards kuschligen, weiten Pullis eingemurmelt.
»Ja, das kann man so sagen. Obwohl wir eigentlich eher neue Probleme gemacht haben«, lachte er und brachte Theo damit zum Aufsehen.
»Was für Probleme? Bitte sag mir nicht, dass Lennard tot in der Kühltruhe liegt.«
Er begann, sich seinen Joghurt in den Mund zu schaufeln und Niklas schüttelte belustigt den Kopf.
»Nein. Ehrlich gesagt hatten wir gerade Sex. Und wir sind jetzt zusammen.«
Augenblicklich verschluckte sein bester Freund sich und hustete ein paar Mal, bevor er ungläubig keuchte:
»Das ist ein Witz, oder?«
»Nein. Naja, es ging irgendwie echt schnell und eigentlich haben wir auch keine Ahnung, ob die Beziehung wirklich funktioniert, aber wir haben hier ja noch ein paar Tage, um das rauszufinden.«
Niklas zuckte mit den Schultern; diese Lösung war erstmal die beste, zumal sie sich eigentlich ja die ganze Zeit stritten, nicht wirklich etwas von einander wussten und bisher nur rumgemacht hatten. Vielleicht wäre es nach der Quarantäne wirklich vorbei, aber dann war es eben so. Es würde sie wahrscheinlich mehr quälen, es nicht wenigstens versucht zu haben.
»Okay … Nicki, das ist krass. Ich habe gerade voll das Kopfkino, wie du's meinem Bruder besorgst.«
»Damit musst du jetzt leben. Aber hey - Cleo hat uns davon abgehalten, es auch in der Küche zu treiben.«
»Oh Gott. Muss ich mir Sorgen machen, was bei euch abgeht?«
Niklas lachte.
»Nein. Vielleicht. Keine Ahnung, es wird schon irgendwie laufen.«
In diesem Moment klopfte es an der Tür und Lennard kam rein. Dank Niklas versuchte er inzwischen, jeden Tag - oder wenigstens jeden zweiten zu duschen - und im Moment kamen bei seinem Job als Grafikdesigner eh keine Anfragen rein, weshalb er sogar Zeit hatte, selbst zu kochen.
»Frühstück ist fertig«, sagte er, wie um dies zu bestätigen, auch gleich und stellte sich hinter Niklas an den Schreibtisch, wobei er jenem zärtlich eine Hand auf die Schulter legte.
»Oh, hi Theo. Deine Katze lebt sogar noch«, grüßte er seinen Bruder und jener verzog das Gesicht.
»Das hoffe ich doch und habe ich auch schon gehört. Bitte habt weiterhin keinen Sex in der Küche.«
»Ach, du weißt es schon? Dann kann ich deinen besten Freund jetzt ja inruhe zu einem leckeren Frühstück, bestehend aus Pancakes mit Erdbeeren und Schlagsahne entführen, bevor ich als Nachtisch ihn-«
»Stopp, ich will keine Einzelheiten!«, unterbrach Theo ihn und musste grinsen.
»Verdammt, es ist also wirklich wahr. Dabei dachte ich eher, ihr bringt euch um.«
»Das können wir nachher immer noch tun.«
Niklas legte seine Hand auf Lennards und grinste verschlagen.
»Aber erst, nachdem ich gefrückstückt habe«, fügte er noch hinzu und legte dann seinen Kopf nach hinten, damit Lennard ihm einen Kuss auf die Lippen drücken konnte. Theo machte im Hintergrund leise Würgegeräusche, was die beiden zum Lachen brachte.
»Du bist genau wie Cleo, ruinierst jede Stimmung.«
Lennard zog eine Schnute und kuschelte sich an Niklas' Rücken. Theo verdrehte die Augen.
»Ich versteh schon - ihr braucht jetzt ganz viel Zeit zum Rumknutschen und der ganze Pärchenmist. Ich wünsch euch dann noch viel Spaß in euer Quarantäne«, meinte er, bevor er die Verbindung kappte, was Lennard als Einladung sah, den Bürostuhl herumzudrehen und Niklas nochmal zu küssen, nur leidenschaftlicher.
»Hey, ich dachte, es gibt Frühstück«, murmelte jener als einziger Protest und Lennard löste sich kurz, um ihn anzugrinsen.
»Ich esse halt den Nachtisch lieber zuerst.«
»Verstehe.«
Ebenfalls grinsend stand Niklas auf und zog ihn hinüber zum Bett.
»Naja, wir haben aber auch noch viel Zeit.«

~Ende~

Verschlossen verschossenحيث تعيش القصص. اكتشف الآن