55.| »Billy!«

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Billy-Ray Sanguin trat am Fuß der Hohen Tatra aus dem Erdloch.
Lässig strich er sich die Kieselsteine aus dem blonden Haar und rückte seine Sonnenbrille zurecht, während sein augenloser Blick über die friedliche Landschaft glitt. Die Sonne stand hoch am Himmel und wurde nur von wenigen Wolken verdeckt. Das saftig grüne Gras reichte ihm bis zu den Waden und jede frische Briese ließ es sacht hin und her tanzen. Weit und breit war kein Geräusch zu vernehmen, nur ein paar Vögelchen zwitscherten von ihren Nestern aus vor sich hin - ein schöner Tag.
Für einen Moment dachte er darüber nach, auszusteigen, den Plan hinter sich zu lassen und einfach dort zu bleiben.
Er schüttelte den Kopf und schmunzelte über seine Gedanken.
Nur ein Idiot würde aussteigen und Billy-Ray Sanguin war kein Idiot. Er war der coole Texaner, mit dem perfekten Aussehen und dem wundervollen psychopatischen Charakterzügen.
Er zog sich die Kapuze des Mantels über den Kopf, als er sich in Bewegung setzte.
Der Treffpunkt war eine alte Feuerstelle.
Billy-Ray ließ sich auf eine Holzbank nieder und besah die verrostete Feuerschale, in welcher schon lange kein Feuer mehr gebrannt hatte.
Er griff in sein rechte Hosentasche, zog sein Taschenmesser hervor und strich mit einem Finger über die eingravierten Initialen. Dann ließ er es aufschnappen und besah die blankpolierte Klinge.
Dies war der Tag, an dem Juno London sterben musste.
Er war früher gekommen, als Billy-Ray erwartet hatte, aber so war es nun einmal.
Es war ihm egal, wenn Juno starb. Immerhin waren die Sicherheitsbarrieren in ihrem Kopf so schlampig errichtet worden, dass selbst der grottigste Sensitiv sie durchbrechen konnte.
Er ließ das Messer wieder zu schnappen.
Außerdem würde niemand sie vermissen; nicht einmal ihre Kollegen. Da war Billy-Ray sich ziemlich sicher.
Juno London war nie eine gute Wissenschaftlerin gewesen.
Zwar war sie um die Welt gereist und hatte sich mit vielen Experten, Professoren und Doktoren ausgetauscht, doch nie hatte sie es geschafft, selbst ergebnisbringende Forschungen zu aktuellen Themengebieten zu betreiben.
Sogar die Sanktuarien schickten sie von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz, immer darauf bedacht, dass es sich um nichts Strengvertrautes handelte ... Bis einer der Mitarbeiter dann den Fehler beging und sie in den Bunker versetzen ließ.
„Billy!"
Der Angesprochene hob seinen Blick: Juno kam auf ihn zu.
Billy-Ray erhob sich und kam nach wenigen Schritten vor ihr zum Stehen.
Er musterte sie einen Moment offensichtlich, dann sah er sie mit einem falschen Lächeln im Gesicht an.
„Du siehst wundervoll aus in diesem Kleid.", sagte er, ohne es ernst zu meinen.
Sie strahlte ihn an und die Freunde in ihren Augen wich der tiefen Liebe zu ihm.
Liebe, die er nicht erwiderte.
Das Taschenmesser in seiner Hand wurde schwer.
Juno hob ihre Hände und zog ihm die Kapuze vom Kopf und legte ihre Arme um seinen Nacken.
„Musstest du lang warten? Ich wollte nicht, dass man mich sieht.", sie strich ihm durch das blonde Haar.
Er platzierte seine Hände auf ihrer Taille. „Nein, keine Sorge."
„Gut.", es war nur ein Hauchen, während sie seinem Gesicht immer dichter kam und ihre Augen schloss.
Billy-Ray klappte das Taschenmesser leise auf.
Ihre Lippen berührten sich und ein unangenehmer Druck machte sich in seinem Brustkorb breit.
Einen Moment lang regte er sich nicht.
Dann - es war wie ein Schnipsen gegen sein Gehirn- stach er zu.
Er fühlte sich der Realität weit entfernt.
Ihren Schmerzensschrei ignorierte getrost und auch den Geschmack von Einsen in seinem Mund, nachdem sie ihm auf die Unterlippe gebissen hatte.
Das einzige, was er wahrnahm, war das warme Blut, das mit jedem weiteren Stich auf seine Hände spritzte.
Juno London erschlaffe in seinen Armen und als er sie losließ, fiel sie wie ein nasser Sack zu Boden.
Billy-Ray ließ seine blutverschmierten Hände sinken und sah auf sie nieder.
Ihre leblosen Augen waren weit aufgerissen, der Schock stand ihr immer noch in das Gesicht geschrieben und unter ihr bildetet sich eine Blutlache.
Seine Schultern sanken herab.
Vielleicht hatte er sie doch geliebt.

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Hallöchen,
Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen, auch wenn es nur so kurz ist.

Ich kam erst gestern dazu, wieder etwas zu schreiben, da ich die letzten Wochen nur an meinen Schulaufgaben saß (Jahresarbeit beenden, auf die Vorprüfungen vorbereiten etc.). Und in der letzten Woche habe ich mich zum Großteil einfach nicht gut gefühlt. Ich war lustlos, antriebslos und alles, was ich geschrieben habe, hat sich in meinen Ohren echt doof angehört.
Selbst jetzt bin ich nicht zu 100% zufrieden mit dem Kapitel ... Aber ich wollte unbedingt etwas hochladen.

Ich hoffe, dass ihr alles gesund und munter seid. ❤️

Eure Leni

[Meldet euch bei mir, wenn ihr Rechtschreib- oder Grammatikfehler entdeckt habt]

Der Ring des DrachensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt