Kapitel 1

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Dakaria 

Dakaria ließ von dem Mann vor sich ab und setzte sich auf ihre Füße zurück.

Starr musterte sie das blasse und eingefallene Gesicht des Bärtigen.

»Du hättest dich ruhig gesünder ernähren können.«

Sie zupfte ein Tuch aus ihrer Manteltasche und säuberte sich Hände und Mundwinkel. Nicht nur, dass sich der Mann bis zum letzten Atemzug gewährt hatte, sein Blut musste auch noch cholesterinreich schmecken. Diese dummen Städter mit ihren Burgerbuden.

Das Tuch sorgfältig faltend, stand sie auf und sah sich in dem sporadisch eingeräumten Zimmer um. ZU behaupten, der Kerl hätte bescheiden gelebt, wäre gelogen gewesen. Als Schneider für die Schönen und Reichen aber auch kein Wunder. Die wenigen Möbel, die den Raum ausstatteten, waren sichtlich teuer gewesen. Alles war sauber und auf Hochglanz poliert. Sie erkannte wertvolle Ware, wenn sie diese sah. Und diese Sachen konnte sich kein Normalsterblicher auf dem Wochenmarkt kaufen.

Dakaria widerstand dem Drang, über einen Umzug nachzudenken. So tief war sie noch nicht gesunken, dass sie ins Zentrum einer Stadt ziehen würde.

Stattdessen zog sie ein Fläschchen Desinfektionsmittel aus ihrer anderen Tasche und während sie das Gel in ihren Händen verrieb, um die letzten Keime zu töten, lief sie zu dem einzigen Tisch im Zimmer. Darauf hatte sie ihre Handschuhe abgelegt. Direkt daneben lag das kleine Päckchen mit dem weißen Pulver, weswegen sie dort war.

In aller Ruhe streifte sie sich die Handschuhe wieder über und betrachtete dabei die kleine Folie.

Sie war doch recht tief gesunken, wenn sie so darüber nachdachte. Damals wäre sie nie auf die Idee gekommen, Drogenkuriere zu beseitigen, die sich gern Eigenbedarf von der Ware abzweigten. Aber das Geld wurde knapp. Und der Kontakt mit diesem Zeug nicht der erste.

Kurz spielte sie mit dem Gedanken, ebenfalls etwas in der eigenen Tasche zu behalten.

Sie schüttelte den Kopf. Sie war weg davon. Sie war stärker und ihr Geld in anderen Sachen besser angelegt.

Dennoch verharrten ihre rostbraunen Augen noch einen Moment an dem Pulver, ehe sie sich endlich losreißen und es in die Innentasche zu den anderen stecken konnte.

Noch nie hatte sie einen Auftraggeber enttäuscht und sie würde nun nicht damit anfangen. Sie war schließlich perfekt. Eine hundertprozentige Erfolgsrate erzielte man nicht, in dem man den Auftraggeber in den Rücken fiel. Auf sie konnte man sich verlassen. Ein Punkt, der nur noch auf wenige in dieser Stadt zutraf.

Dakaria pflückte mit spitzen Fingern das Messer von ihrem Gürtel und machte sich schließlich an den Anzügen zu schaffen, die fein säuberlich an einer fahrbaren Stange hingen. Nacheinander schlitzte sie das Futter auf und beförderte weitere Päckchen ans Licht.

Sie gab sich Mühe die Nähe an unscheinbaren Stellen aufzutrennen. Die Anzüge waren sicherlich teuer, oder sollten mal als solche verkauft werden. Außerdem wollte sie nicht, dass die Polizei später direkt herausfand, was am Tatort fehlte und warum der Mann hatte sterben müssen. Aus diesem Grund und weil sie mit dem Gedanken niemals weiterleben könnte, nähte sie die Stoffe anschließend wieder so sorgfältig zusammen, wie es ihr mit ihrem laienhaften Wissen möglich war. So viel Zeit musste sein. Die Polizei würde sowieso noch etwas Zeit benötigen. Mit etwas Pech fand man die Leiche erst in ein paar Tagen. Der Gedanke gruselte sie, weshalb sie entschied einen anonymen Hinweis zu geben, sollte sie bis zum nächsten Abend nichts in den Nachrichten gehört haben. Ansonsten würde der tote Körper Flecken im teuren Teppich hinterlassen, die nie wieder verschwanden. Dabei war er makellos und perfekt symmetrisch. Eine Verschwendung also.

Sie setzte den letzten Stich, dann legte sie die Nadel und den Faden wieder zurück an ihren Platz.

Ein Rundumblick folgte.

Der Raum war sauber und bis auf den Mann, der wie Dracula in seinem Sarg kerzengerade und mit auf dem Bauch gekreuzten Fingern mitten im Zimmer lag, wirkte alles unberührt.

Perfekt.

Da sie aufgrund eines Unfalls keine Fingerabdrücke mehr besaß und ihre DNS in keinem System registriert war, musste sie sich auch nicht um die unwahrscheinliche Möglichkeit irgendwo Fingerabdrücke oder ihre DNS hinterlassen zu haben, Sorgen machen.

Dakaria nickte und verschwand durch die Hintertür der Schneiderei.

Ihr Blick streifte aufmerksam die Gasse in alle Richtungen, ehe sie sich im Schatten voran bewegte.

Am Ende der Häuserschlucht fixierte sie eine Feuerleiter. Diese war zwar nach oben gezogen, aber Dakaria kostete es nicht viel Mühe an die letzte Sprosse zu springen und ihren schlanken Körper mit einem kräftigen Ruck nach oben zu ziehen. Zu ihrem Glück hatte jemand die Verankerung festgeschnallt, sodass sie nicht mitsamt der Leiter zurück in die Gasse klatschte.

Sich über die Dächer von Hochhäusern zu bewegen, war deutlich unauffälliger als ihre blasse Gestalt von einem Tatort wegzuschieben. Davon abgesehen, war auch die Luft sauberer und sie wurde nicht vom Gestank und dem Lärm der Straßen belästigt. Und an Ampeln musste sie sich auch nicht anstellen. Von dem besseren Überblick ganz zu schweigen.

Ihre flinken Füße führten sie über die Flachdächer und ihre kraftvollen und weiten Sprünge ließen sie Schluchten überqueren. Bei jedem Sprung fühlte es sich an als würde sie schweben und nie wieder auf den Boden zurückkehren. 

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⏰ Last updated: Feb 09, 2020 ⏰

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FarbenspielWhere stories live. Discover now