Kapitel 1

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(Trigger Warnung: Dieses Kapitel enthält gewaltverherrlichende Szenen)

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Die Sache mit Ms. Martin


Juniper

Detective Sybil Rogen ließ mein Tagebuch aus ihren Fingern zurück auf den kühlen Metalltisch gleiten und schob es mir aufgeschlagen entgegen. Ich betrachtete das zerfledderte Etwas mit einem leeren, gleichgültigen Blick. Ich sah nicht das Geschriebene vom Vortag, nur wie zwei Polizisten in die Schule gestürmt kamen, meinen Spind und den meiner Freunde durchsuchten, wobei sie das Buch fanden und es konfiszierten. Mir war klar, dass mein Tagebuch uns alle verraten könnte, deshalb schwieg ich und ließ das Verhör durch Detective Rogen, ohne jegliche Reaktion über mich ergehen.

„Nun, Miss Fitzgerald, es scheint, als hätten Sie Unrecht. Nicht jeder Ihrer Mitschüler ist nur auf sich selbst fixiert. Manch einer weiß besser über Sie Bescheid als Sie denken", räusperte sich die Polizistin und richtete mich in einem gehässigen Tonfall ab. „Und da frage ich mich, warum Sie sich und Ihre Freunde in diesem Tagebuch als Mörder bezeichnen, gerade dann, wenn ausgerechnet eine Lehrerin von Ihnen, die Sie alle neun abgrundtief gehasst haben sollen, tot aufgefunden wird."

Ich wusste auch ohne, dass sie mir einen Namen genannt hatte, von wem Detective Rogen sprach. Es brauchte den Namen nicht und auch kein Bild, um mich an das Schlimmste zu erinnern, das meine Freunde und ich jemals getan hatten. Dennoch – und wahrscheinlich tat Detective Rogen das, um in meinem Gesicht einen Funken Reue oder Betroffenheit zu erhaschen - legte mir die brünette Polizistin, Bilder vom Fundort der Leiche vor.

Bilder, die Tessa Martin zeigten, wie sie in ihrem Wohnzimmer hing, mit einer Schlinge um den Hals, die an einen Schwebebalkens befestigt war. Ihre Augen waren geöffnet, eher weit aufgerissen, nicht aus Angst oder Schock, nein, vor Schmerz. Der Anblick verfolgte mich, seitdem ich versucht hatte, ihn zu begraben, aber alle Erde dieser Welt würde dazu nicht ausreichen. Der Blick aus Ms. Martins toten Augen, verfolgte mich in meinen Träumen und damit auch der Abend des letzten Sommerferientages vor drei Wochen. Wieder und wieder ließ ich diesen in meinen Gedanken Revue passieren.

Ms. Martin kam nichts ahnend von ihrem Yoga-Kurs nach Hause, der ihr längst nicht mehr die Entspannung geben konnte, die sie sich davon erhoffte. Wir hatten sie monatelang terrorisiert, nachdem sie versuchte uns zu erpressen, doch kaum etwas konnte sie kaputt machen.

Sie hatte nichts mehr, absolut gar nichts mehr, zu verlieren. Alles, was ihr lieb und wichtig gewesen ist, war fort und uns gab sie die Schuld daran. Selbst, dass wir ihr drohten, allen in Blackriver zu verraten, dass sie die Schule wechselte, weil sie mit einem Schüler geschlafen hatte, hielt sie nicht von ihrem Vorhaben ab, uns zu zerstören. Wir wussten, wenn sie zur Polizei rennen würde und ihnen unser Geheimnis auf dem Silbertablett präsentierte, hätte uns das umgehend hinter Gittern gebracht, also sahen wir keinen anderen Ausweg mehr: Ms. Martin musste weg!

Wir brachen in ihr Apartment ein - für meinen Cousin Luke und unseren Anführer Elijah ein Kinderspiel - und versteckten uns im Schlafzimmer. Als sie kam, um sich umzuziehen, ging alles ganz schnell. Ms. Martin öffnete den Kleiderschrank und stellte völlig erschrocken – regelrecht hysterisch - fest, dass zwei ihrer Schülerinnen - die Schwestern Summer und Brooke - sie daraus gehässig grinsend anlächelten. Ein Ablenkungsmanöver, das die junge Frau nicht kommen sah, und die Chance für uns, sie zu überwältigen.

Unsere Englischlehrerin suchte noch nach Worten, um Summer und Brooke zurechtzuweisen, wollte sich gerade dafür entscheiden, die Moralpredigt ausfallen zu lassen und die beiden gleich raus aus ihrer Wohnung zitieren, da stieß sie auch schon einen spitzen Schrei aus. Die Jungs waren geräuschlos aus ihren Verstecken hervorgekommen, schlichen sich von hinten an und legten der Referendarin überraschend eine Schlinge um den Hals. Wie zu erwarten, wehrte Ms. Martin sich mit Händen und Füßen dagegen, was Luke und Elijah allerdings herzlich wenig störte. Nichts konnte die beiden Vermummten, von unserem Vorhaben abbringen. Zusammen mit ihrem Kumpel Harley drängten sie die verängstigte Lehrerin ins Wohnzimmer, dort wo die Decke von stabilen Schwebebalken getragen wurde, und hoben sie auf einen der Stühle, den ich ihnen vorgezogen hatte. Sie gingen schonungslos und unsanft, regelrecht gewaltvoll vor.

THE WANTED - Unter VerdachtHikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin