Part One ↻ It's dangerous outside

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Yoongi

Ich hätte bei Grumpy bleiben sollen. Mein Ragdoll-Perser-Mischling machte es sich sicher gerade auf der Couch bequem und rollte sich, eine Menge Haare dabei lassend, über meine Kunstfelldecke. Der Gedanke machte mich neidisch, denn ich musste mich dem ekligen Wetter von Seattle stellen. Es regnete, es war kalt, meine Laune war so grau, wie der Himmel über mir und ich hatte keinen Bock hier draußen zu sein.

Eigentlich hatte das niemand mehr, denn wer ging schon raus, wenn er sich in die 'Lain Ambar' einloggen konnte? Nun, offensichtlich die Menschen, die ein Paket von der Post abholen mussten. Ich fragte mich, wie das möglich sein konnte, dass der Postbote mich nicht erwischt hatte, denn wenn ich es mal auf den Punkt brachte: Ich war immer zu Hause. Also wie hatte ich den Typen verpassen können? Das gab mir ein komischeres Gefühl im Magen, als es sollte. Wahrscheinlich hatte ich ihn einfach nicht gehört? Vielleicht war etwas an meiner Ausrüstung für die Lain Ambar nicht in Ordnung, sodass das Türklingeln nicht angekommen war?

Ich schnaubte unbegeistert und schlug meine Kapuze zurück, als ich das Postamt betrat. Grimmig wuschelt ich mir durch das feuchte Haar und wartete, bis ich an der Reihe war. Als ich vor dem Postbot stand, der die Briefe und Pakete ausgab, zückte ich meine ID und zeigte sie kommentarlos vor. Der Bot scannte sie und schon war er unterwegs. Es dauerte ein bisschen doch schließlich kam er mit einem roten Umschlag zurück. "Dies ist eine persönliche Zustellung, bitte verifizieren Sie sich mit einer Unterschrift." Ich zog eine Augenbraue hoch und musterte den Umschlag. Was zur Hölle sollte das sein?

Vielleicht sollte ich die Sendung einfach ablehnen, doch ich war zu neugierig, was das sein mochte, also unterschrieb ich und nahm den Umschlag entgegen. Ich entfernte mich von dem Schalter und begab mich an die Wand. Lässig lehnte ich mich mit der Schulter dagegen und nahm das Kuvert genauer unter die Lupe. Es war ein Brief von der Ivel.Inc und ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, was die von mir wollten. Ich hatte nichts mit denen zu tun. So gar nicht. Wenn es so wäre, dann würde das bedeuten meinen besten Freund in den Rücken zu schießen und was mit der Konkurrenz am Laufen zu haben. Ihh. Nein.

Ich schlug den Umschlag auf und zog die innenliegenden Papiere ein Stück raus. Das war eine Klage. Was zur Hölle? Ich überflog den Text und was ich las, war dermaßen lächerlich, dass ich fast dazu geneigt war, das Ding einfach durch den öffentlichen Schredder zu hauen, doch dann hielt ich mit einem genervten Seufzen inne. Die Ivel.Inc wollte mir tatsächlich anhängen, ich hätte mich in ihr System gehackt, Daten gestohlen und dann an die Lain Ambar Group weiter gegeben. Das war aus zwei Gründen lächerlich: a) hatte ich mich noch nie bei diesen Trotteln eingehackt, nicht, dass ich es nicht könnte, aber b) alles, was die konnten, konnte Lain Ambar zwei Millionen mal besser. Zu Hölle, die hatten nicht mal eine vernünftige Software, die es sich zu hacken lohnte, deswegen versuchten sie auch immer die Patente der Lain Ambar Group anzufechten, damit sie endlich das nutzen konnten. Eigentlich vermarkteten die Trottel vor allem Hardware, die mit Ambar kompatibel war, die sich aber trotzdem keine Sau kaufte, weil die vollgestopft war mit Werbung.

Was sollte ich da schon gehackt haben? Wahrscheinlich wollte sie mich nur angehen, weil sie irgendwie mitbekommen hatten, dass ich der Kopf der Sicherheit in der Lain Ambar war. Software, sowie Hardware. Wir mussten dringend das Vögelchen finden, was das weiter gezwischtert hatte und ihm den kleinen, fragilen Hals umdrehen. Dass sie von dem Sicherheitsposten wussten, wäre die angenehmere Variante, denn dass ich zudem Namjoons Vize war, sollte nämlich wirklich keiner so genau wissen.

Ich machte das, was wohl erst einmal das schlauste war, machte ein Bild von dem Ganzen, was ich verschlüsselte, und schickte den Mist an den Mann, der 'bester Freund', 'Chef' und 'Erfinder der Lain Ambar' in einer Person vereinte: Kim Namjoon. Dazu schrieb ich ihm "HnobcwdXjbfobc82bicabapnxsajob/1 kc saobob< s24 hii32f4 akbchdibcdhi >JIBn dod vbe". Wir trauten Chat Verschlüsselungen nicht. Also verschlüsselten wir unsren Scheiß selber.

Schnell steckte ich mein Handy wieder weg und musterte den roten Umschlag. Ein Versuch ihn zu knicken offenbarte, dass es ein extra starker, mit Plastik versetzter Umschlag war, der eben nicht geknickt werden konnte. Großartig. Dann blieb mir ja nichts anderes übrig, als das Ding so wie es war unter den Arm zu klemmen. Das sowas heute überhaupt noch hergestellt wurde. Wehe der landete im Meer, wenn ich den entsorgte. Ich verdrehte die Augen über meinen inneren Moralapostel, aber... ist doch wahr, eh.

Mit einem tiefen Murren machte ich mich wieder auf den Weg nach Hause. Der Regen hatte nicht nachgelassen, im Gegenteil er war nur noch ekliger geworden, denn er hatte sich in feinen Niesel verwandelt. Nasse Schwaden, die einen heimtückisch durchnässten. Dann doch lieber normaler Regen, der war immerhin ehrlich. Ich rümpfte die Nase und zog meine Kapuze über mein mintgrün gefärbtes Haar, bevor ich mein Handy noch mal rauszog und die Zeit abcheckte. Nicht mehr lange und ich konnte mich auf die Couch hauen, Grumpy auf den Schoß nehmen und das Buch zu Ende lesen, das ich aktuell noch rumliegen hatte.

Ich hatte gut die Hälfte der Strecke hinter mir, als mir klar wurde, dass daraus nichts werden wurde. Ich bemerkte sie schon in den Spiegelungen, die die regennassen Straßen zierten. Jemand verfolgte mich. Schatten, die ich durch die Lichter, die sich auf der Straße widerspiegelten, sehen konnte, sobald sie die Lichtquellen passierten.

Was zur Hölle wollten die von mir?

Heute war echt nicht mein Tag. Ich versuchte anhand dessen, was ich gesehen hatte auszumachen, wie viele von ihnen da waren und wo sie sich jetzt befanden. Angriff oder Flucht, Angriff oder Flucht? Ich konnte mich verteidigen, aber eben nur gegen eine begrenzte Anzahl an Gegnern. Zudem war das leider nicht die Lain Ambar. Also war ich kein gepanzerter Tank, sondern einfach nur ein schmächtiger Dude unter 1,75 m. Ich sollte laufen. Vorsicht ist besser als Nachsicht. Blöd nur, dass die Entscheidung zu spät kam, denn ich hatte jetzt nicht nur Deppen hinter mir, sondern auch vor mir tummelte sich die Dummheit.

Ich seufzte leise.

Wie viele waren das und warum ich? Ich versuchte zu verstehen, was hier passierte und was der Sinn dahinter war. Mir wurde auf jeden Fall schon mal bewusst, dass ich es mit Schlägern zu tun hatte. Und ich konnte mir denken, dass diese von Ivel.Inc kamen, denn das würde diese lächerliche Klage erklären. Sie wussten genau wie ich, dass die Vorwürfe haltlos waren und im Schredder landen würde. Doch es war auch nicht Ziel der Sache gewesen mich wirklich zu verklagen, das einzige Ziel war gewesen, dass ich einen verdammten, roten Umschlag mit mir rumschleppte, der mich als Ziel auswies. Aber was hatten die Deppen davon mich von ein paar gehirnamputierten Gorillas verprügeln zu lassen?

Mir fehlte jetzt eindeutig die Zeit darüber zu grübeln, denn mich hatte etwa sieben Leute eingekreist und ich schloss nicht aus, dass sich noch mindestens drei als Backup irgendwo aufhielten. Mensch, die hatten sich richtig was gegönnt. So viele Volltrottel musste man erstmal bezahlen. Die mussten ganze schön Angst vor mir haben, wenn sie glaubten, dass sie zehn Leute brauchten.

Ich hatte meine Hände noch immer in den Taschen meines Parkas vergraben und bediente mein Telefon blind um eine Nachricht an Namjoon zu senden und ihn wissen zu lassen, dass ich in der Scheiße stecke und Hilfe brauchte. Dann wanderte meine Hand weiter zu der Schachtel Kippen, die ich in der Tasche hatte. Ich zog sie hervor und wandte mich an den Typen der mir am nächsten Stand. "'Ne Kippe?" Der Mann sah mich irritiert an. "Was denn noch nie eine Kippe angeboten bekommen?", fragte ich ironisch und steckte mir eine der Zigaretten zwischen die Lippen.

Während ich die Kippe entzündete, versuchte ich möglichst unauffällig zu erfassen, was ich noch alles als Waffe benutzen konnte. Neben mir war eine Tonne, der Deckel würde sicher was hergeben. Außerdem war schräg hinter mir eine Feuerleiter. Mehr hatte ich, aber nicht zur Hand. Ich nahm einen tiefen Zug von meiner Zigarette und blies nach einer Sekunde den Rauch wieder aus. "Was wollte ihr?", fragte ich und der Kerl grunzte. "Wir sind nicht hier um zu reden", meinte er dunkeln und ich nickte gespielt bedauernd, bevor ich noch einen Zug nahm.

"Schade, dabei plaudere ich gerne mit dir", meinte ich und legte den Kopf schief. "Weißt du, ich mag deine Frisur", erzählte ich weiter und deutete mit der Kippe auf ihn. "Erinnert mich ... an eine Eichel. Hier. Das ist das, was du immer siehst, wenn du kniest." Oh, damn. Da kam der Tank durch. Nicht unbedingt das Schlauste, wenn es 1 zu 10 stand und man nicht in der Lain Ambar war, aber es ließ sich auch nicht abstellen. Upps.

Ich hatte die Aggro gezogen.

Lain AmbarWhere stories live. Discover now