1 | Immer noch am Gewinnen

Start from the beginning
                                    

Hinter mir zog ich die billige Holztür zu, die Geräusche aus der Spielothek drangen auf einmal wie aus weiter Ferne zu uns.

»Kann sein.« Ich trat noch einen Schritt weiter in den Raum. Auf dem Boden lagen schwere Teppiche, die so aussahen, als hätten sie Kiloweise Staub verschluckt, die Wände waren recht kahl.

»Jay, nich'?« Er machte eine raumgreifende Geste, mit der er auf den zweiten Sessel deutete. Seine schwarzen, glatten Haare hatte er im Nacken zu einem glänzenden Zopf zusammengebunden, dazu trug er ein weißes Hemd. Schon von Weitem sah man, dass es aus billigem, kratzigem Stoff sein musste.

»Setz dich«, bot er mir an. Er sprach ziemlich leise und ließ sich bei den einzelnen Worten so viel Zeit, als müsste er jedem einzelnen Buchstaben Aufmerksamkeit schenken.

Ich nickte und ließ mich dann in das schwarze, abgenutzte Leder sinken. Ich stützte meine Ellenbogen auf den Oberschenkeln auf und erwiderte Kirals Blickkontakt. Unterbrach ihn kurz, sah durch den Raum. Dabei war mir garantiert nichts entgangen, wir waren alleine hier.

»Wie geht's dir?«, fragte er mich dann allen Ernstes und aschte in den gläsernen Aschenbecher, der auf dem Tisch stand. Okay, der Kerl hatte definitiv den Schuss nicht gehört. Das war einer der größten Nachteile in meinem Job, dass man die ganze Zeit mit Gestalten zu tun hatte, die einfach komplett gestört waren. Ganz ehrlich. Nach einer Weile fuckte das richtig ab.

Ich zog die Augenbrauen zusammen. »Alter, ich bin nicht zum Labern hier. Ich dachte, es geht um Geschäftliches.«

Keinen Respekt zu haben, war eigentlich die wichtigste Regel. Ganz gleich, für wie krass sich mein Gegenüber hielt, ich würde nie anfangen, in dessen Arsch zu kriechen.

Kiral musterte mich noch einen Moment. Keine Ahnung, was er sich gerade dachte, aber irgendwelche bescheuerten Gedanken machte er sich über mich. Das war unübersehbar.

»Ich hab' schon von dir gehört. Nur Schlechtes eigentlich.« Er lachte auf und verdammt, ich hasste diesen Typen mit seiner verdammten Überheblichkeit jetzt schon. »Scheinst deine Fresse manchmal verdammt voll zu nehmen. Zu voll.«

»Ah«, meinte ich wenig interessiert, auch wenn ich eigentlich zu gerne gewusst hätte, was genau er von mir gehörte hatte. Und von wem. Was die Leute allgemein von mir redeten. Verdammt, ich hasste das Gefühl, wenn ich solche Sachen nicht mit ganzer Klarheit wusste. »Für 'ne Psychoanalyse bin ich übrigens auch nich' hier.«

»Nur nicht so ungeduldig, Junge.« Er lehnte sich mit der brennenden Kippe im Mund zurück und verschränkte die Hände ineinander.

»Es ist eine kleine Sache«, meinte er und beugte sich ein wenig nach vorne. Mit der Zunge fuhr er sich über seine schmalen, trockenen Lippen. Komischer Kerl, keine Ahnung, warum so verdammt viele Leute, etwas auf sein Wort zu geben schienen. »Es gibt so einen Hurensohn, der mir drei Tausender schuldet. Du gehst da hin und bringst mir meine Kohle. Auf den Cent.«

»Okay.« Ich kniff meine Augen zusammen und sah ihn einen Moment lang an. Er hatte recht. Es schien keine große Sache zu sein. Eigentlich musste ich nur dort auftauchen, bisschen Stress machen und dann den Laufburschen spielen. Würde schon gutgehen. »Und wo find' ich den Typen?«

»Der ist Betreiber von so 'nem Kino, das liegt in der Nähe der Oberbaumbrücke in diesem Einkaufscenter da, wo die meisten Läden schon dichtgemacht haben.« Ich hasste es, wie er sprach. Verdammt, das stresste mich total. So viel verschwendete Zeit.

Ich legte die Stirn in Falten. »Ja ... ich glaub'.«

»Sehr gut, dann sehen wir uns morgen Abend. Mit der Kohle. Ich zähl' auf dich, Jay.« Er nahm die Kippe aus seinem Mundwinkel und drückte sie dann im Aschenbecher aus.

Die Verlierer - Sklaven des ErfolgsWhere stories live. Discover now