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Nach wenigen Wochen hieß es, ein niemand besuche seinen Laden.

Nach Monaten vermutete man den Sieg der Narren.

Doch so viel Zeit auch vergehen mochte, der Puppenmacher blieb an Ort und Stelle.

Undes änderte sich nichts.

Auch meine Wenigkeit wurde zunehmend neugierig, denn woher nahm er so viel Geld, als dass er den Laden hätte halten können? Es mochte sein, dass er ein vermögender Mann war, der seine letzten Tage in Frieden in einer überschaubaren Stube verbringen wollte, um den Kindern außerhalb der Stadt eine Freude zu zaubern, aber dieses Szenario passte nicht in den Zusammenhang, da seine Auffälligkeiten ihn als zu ... andersartig auswiesen.

Eines Tages beschloss ich, seinen Laden besuchen zu wollen.

Ich weiß, was Sie sich nun denken mögen: Wieso tut er das?

Immerhin habe ich doch seit Jahren nichts mehr mit dieser sektenhaften Ortschaft zu tun gehabt und da ich der einzige war, der zugeben würde, er habe den Laden je betreten, würde ich so etwas wie eine regionale Persönlichkeit werden.

Auch ich war abgeneigt und es fröstelte mich zu wissen, dass ich bereits am späten Nachmittag in den Gängen des ominösen Puppenmachers wandeln würde wie eine verlorene Seele des Kerberos. Es war ein regnerischer Donnerstag und eigentlich war ich auf der Arbeit zugegen, doch meine Konzentration war dermaßen benebelt, sodass ich keinen klaren Kopf kriegen konnte.

Benebelte Sinne tanzten dermaßen geisterhaft in meinem Verstand herum, sodass ich drohte, Wahnsinnig zu werden.

Eilig begab ich mich nach meiner Arbeit nach Hause und überdachte meinVorhaben nochmals eingehend, doch wenn ich nicht ging, war meine Nervosität, die mich schon den ganzen über Tag plagte, umsonst gewesen. Also beschloss ich, zu gehen.

Aus einem mir nicht bekannten Grund ließ ich meinen Geldbeutel im Haus, was mir jedoch erst auf der Fahrt in den Sinn kam. War dies unterbewusst geschehen, weil ich bereits wusste, dass ich nichts kaufen würde? Hatten mich die Märchen meiner Stammesgenossen erneut eingenommen und verstreuten bereits wieder ihre Saat in meinem Kopf?

Nein, beruhigte ich mich, es war ein Spielwarenladen! Was sollte ich schon groß dort erwerben, da ich doch kinderlos war ...

Ich starrte aus dem Fenster der Kutsche und betrachtete die Dächer und Häuser, die Fassaden und leeren Straßen. Wir waren definitiv in Hampton. Diese Trostlosigkeit gab es sonst nirgends eindringlich und präsent wie in dieser Stadt. Es war, als seien die Menschen urplötzlich alle verschwunden und man wäre der einzige Mensch jener Ortschaft, doch so war es nicht. Sie hörten dich, beobachteten jede deiner Schritte und reimten sich die Gedanken zusammen, die du noch gar nicht zu denken vermochtest. Wenn man ganz genau hinsah, sah man ein undeutliches und schemenhaftes Gesicht hinter den Fenstern huschen, was aber auch aus deiner Einbildung hätte stammen können, da dieser Sekundenbruchteil nicht genug war, um jene geisterhafte Gestalt auch nur erahnen zu können.

Natürlich regnete es, sodass die Straßen leerer waren, doch trotzdem umgab es Hampton anders, als jede andere Stadt auf eine nicht definierbare Art und Weise.

Als die Kutsche nach einer mir so lang erschienenen Fahrt in einer Seitenstraße hielt, schluckte ich schwer, denn ein unsinniger Teil meiner Selbst hatte gehofft, auf ewig diese Reise antreten zu können ohne jemals am Ziel anzugelangen.

Welch seltsames Gefühl der Ironie ich doch empfand, als der Kutscher die Tür öffnete, Tränen große Regentropfen auf mich einschlugen und ich mir nichts sehnlicheres wünschte, als diesen verdammten Laden betreten zu können, um mich wenigstens vor dem Unwetter schützen zu können. Denn jenes war immerhin real im Gegensatz zu jener geisterhaften Angst, die mich überfallen hatte ...
Kaum hatte ich den Boden Hamptons unter meinen Füßen, fluchte ich innerlich über das heimische Gefühl, welches sich aber schon nach wenigen Metern zu Unbehagen und Unruhe überschlug. Es war, als habe man erneut eine Zelle betreten, die einem einst zum Sterben gegeben wurd' und man nach der Befreiung dessen nie wieder betreten wollte. Aber man betritt sie erneut. Und dieses Gefühl, welches man schon vollkommen vergessen hatte, zeigte sich nun in seiner völligen Existenz; das grässliche Haupt aus den verbrannten Gedanken erhebend, grinsend über einen gebeugt. Die Häuser schienen sich über mich lustig zu machen, denn ich hörte geisterhafte Gluckslautein meinem Kopf hallen.
An sich sahen die Fassaden gewöhnlich, fast normal, aus, doch konnte ein jeder, der diese Stadt wirklich kannte, sofort Auffälligkeiten ausmachen, die es sonst so nicht gab. Die Gärten schienen von einem Nebelschleier, ja, fast gräulich wirkend, umhüllt und ihre Vogelscheuchen darin schienen mit ihren entsetzlichen Knopfaugen jeder deiner Bewegungen zu folgen. Wenn man mal nicht hin sah, staunte ein jeder, denn so wirkte es doch gerade noch, als sei die Vogelscheuche weiter weg aufgestellt gewesen, nun aber beängstigend nahe.

Der PuppenmacherWhere stories live. Discover now