04. Dezember 2019: Papierschneeflocken [Cat und Rose]

15 1 0
                                    


Cat und Rose sind sich in vielen Hinsichten ähnlich. Auch in solchen, die Cat sich selbst kaum eingestehen will; ihre Tochter hat Biss, sie ist stur und sie hat den Hang, alles etwas zu forsch anzugehen - da liegt ein Misstrauen in ihrer Tochter, das sie manchmal erschreckt.

Aber sie hat auch die kleinen Locken, die Cats Haare zeigen, wenn sie nass werden. Das gleiche Grün, das Cats Augen besitzen und hin und wieder erkennt Cat, dass sie die Dinge greift, wie sie es selbst tut. Den Stift beim Schreiben auf dem Ringfinger, sie ist Linkshänderin wie Cat, sie schläft mit den Beinen unterm Körper, wie Cat es von sich von Bildern kennt. Immer in einer Schutzposition.

Und trotz aller Gemeinsamkeiten ist es nur Rose, die himmelhochjauchzt, als sie von der Schule kommt. Sie lässt ihre Hand durch die Luft sausen, mit einem Vogel in der Hand. Cat ist sich sicher. Das ist ein Vogel aus Papier.

»Das haben wir in der Schule gebastelt!«, posaunt sie raus. Dabei fuchtelt sie mit dem Papiergreifen vor Cats Gesicht herum. »Julie hat gesagt, meine Schneeflocke ist der schönste.«

»Das ist aber lieb von Julie«, kommt Sky Cat zu Hilfe. Denn Cat kann nicht anders: Sie mit ihren dicken Daumen, wie sie sie halt empfindet, nimmt ihrer Tochter diese Schneeflocke aus der Hand. Sie sieht sie bewundernd, aber auch mit mütterlichem Ernst von allen Seiten an. »War es denn schön?«, hört Cat Sky weiterfragen. »Hat Julie auch eine Schneeflocke gebastelt?«

"Nee, sie hat eine Weihnachtsmütze für den Weihnachtsmann gemacht. Aber das mach ich nicht, denn über eine Schneeflocke könnt ihr euch beide freuen", erklärt Rose stolz. Cat kann nicht anders: sie lacht ein bisschen. Ihre Mundwinkel machen das von ganz allein. Als sie hochguckt, sieht sie, dass Rose es durchaus bemerkt hat. Die steht zitterndem Mund und bösem Blick ihr gegenüber. »Mommy, nicht lachen.«

»Ich lache nur vor Freude«, erklärt sie ihr wahrheitsgemäß. Als sie Rose durchs Haar streicht, guckt sie immer noch mit zusammengepressten, kleinen Lippen zu ihr, aber sie bleibt ganz ruhig stehen. Cat streicht eine kurze blonde Locke von ihrem Scheitel glatt. »Süße, danke für das Geschenk. Die Schneeflocke ist toll.«

»Ok.« Das scheint ihr zu genügen. In Cat wird etwas leichter, als Rose sie anstrahlt und dann dichter herankommt. Cat würde, würde man sie denn fragen, sogar sagen, dass sie es diesmal gemocht hat, als Rose dichter herankam und ihr einen nassen Kuss auf die Wange gegeben hat. Sie kann das Kringeln vom unterdrückten Lachen noch spüren, als Rose auch Sky einen Schmatzer gibt. Skys Blick zu Cat genügt, damit sie auch weiß, dass ihre Freundin sich sehr wohl Cats Schadenfreude bewusst ist.

Doch als Rose begeistert schreit »Dann basteln wir noch mehr!« ist es Sky, deren Nase sich kräuselt. Sie sagt zu Rose: »Aber wohl, Süße. Deine Mama liebt doch zu basteln.« Was eine blanke Lüge ist. Cat versucht es auch mit: »Hör nicht auf sie, eigentlich bin ich sehr schlecht und-«

Aber Rose hört nicht zu. Sie stimmt in ihren Jubelchor ein, aus dem nur sie besteht: »Basteln! Basteln! Basteln!«

Sie hat es aufgeschoben. Keine Zeit. So viele Arbeiten zu korrigieren. Müde. Was ist mit Sky, sollte sie nicht dabei sein? Das würde Rose doch wollen oder? Und Hausaufgaben! Rose muss doch noch so viele Hausaufgaben machen. Aber das hat beim besten Willen nicht gereicht. Irgendwann, nach einem langen Tag, als Cat auf der Couch liegt, Minnie, ihre Katze, an ihrem Hals, Sky, die mit dem Kopf auf Cats bauch eingeschlafen ist, ist sie leichtsinnig gewesen. Sie hat doch wirklich gesagt: »Am Wochenende, in Ordnung?«

Jetzt ist das besagte Wochenende. Skys Blick sagt ihr unmissverständlich, dass sie nun keine Rabenmutter spielen und mit ihrer Tochter basteln soll. Nur Basteln! So schlimm ist es nun auch wieder nicht. Und während Cat sich das so anhört, fragt sie sich schlicht, ob ihre Freundin die ersten Jahre ihrer Freundschaft vergessen hat. In denen Cat bewiesen hat, dass sie hervorragend mit Worten ist, dass sie ihr die anschmiegsamsten Verse schreiben kann. Dass sie Metaphern liebt und Chiffren, dass sie eine Schwäche für Allegorien hat und sehr wohl sehr gut mit unreinen Reimen und Binnenreimen ist.

zurück|lassen - Die WeihnachtseditionWhere stories live. Discover now