02. Dezember 2019: Der erste Schnee [James und Christian]

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Die Weihnachtslichterkette, die ich hasse und die Christian aufgehängt hat, flimmert am Wohnzimmerfenster und bricht sich in seinen Augen, da wirft sie das Licht zurück und es bewegt sich in seinem Blick, wenn er grinst und den Kopf zur Musik bewegt. Aber als er meinen Blick bemerkt und sich danach umdreht, gucke ich schnell weg. Stattdessen gebe ich mir einen Ruck und streichle langsam über Rose Haare.

»Rosie«, sag ich zu ihr, sehr leise. Sie regt sich, ihr Pony kitzelt meinen Hals. Ihr Mund schnappt zu. Als sie heftig ausatmet, merke ich, dass sie mir beim Schlafen aufs T-Shirt gesabbert hat. »Nur wachwerden. Du musst deine Zähne noch putzen, sonst köpft deine Mom uns.« Denn dass Rose Cat beim nächsten Mal auf die Nase bindet, dass sie es bei uns nicht musste – daran besteht kein Zweifel.

»Will'nich«, murmelt sie. Sie versucht erst, die Arme um mich zu schlingen, stellt dann fest, dass sie zu kurz sind und klammert sich dann an meine Hand, die ich eigentlich nur an ihrer Seite habe, damit sie nicht von mir herunterpurzelt. Eigentlich sollte sie nicht mal hier – auf meinem Bein – sitzen, aber Christian hat sich nicht – wie vereinbart – breitschlagen lassen. Und ich bin unfähig Nein zu sagen.

»Mein Bein ist eingeschlafen. Rose. Rose«, sage ich, als sie wieder die Augen zumacht und Anstalten macht, einfach weiterzuschlafen. Sie murrt, als ich sie herunterhebe und neben mich setze. »Ab ins Bett.«

»Ich bin nicht müde.« Ihre Lider fallen fast zu, ihr Mund ist nass von Spucke. Sogar ihre Locken hängen platt und träge von ihrem Scheitel. Nur ihre Augen, so klein sie sind, funkeln mich an. »Außerdem«, erst jetzt scheint ihr aufzufallen, dass noch der Film läuft. Sie ist abgelenkt. Als ich Christian einen Blick zuwerfe, hat der in Denkerpose die Hand vor dem Mund. Die flachen Falten um seine Augenwinkel verraten, dass er sich eigentlich nur ein Lachen verkneift.

»Rose«, sage ich wieder. Sie wird wieder aufmerksam, jetzt ist ihr Gesicht viel heller und wacher. »Du wollt'st grad was sagen.«

»Ja. Ich bin jetzt doch nicht mehr müde«, kündigt sie an. Bevor ich den Mund offen habe, ist ‚Rapunzel, neu verföhnt' trotzdem auf Pause geschaltet. Rose hat noch nicht angefangen zu protestieren, als Christian ihr durch die Haare wuschelt.

»Komm, ab ins Bett. Du schläfst uns weg. Und du bist zu alt, um ins Bett getragen zu werden.«

»Gar nicht. Weißt du gar nicht, Chris.« Sie schnappt sich die Fernbedienung, die Christian ihr elegant aus der Hand zieht und dann mir gibt, damit er sie nicht mehr halten muss. Rose quengelt los: »Jaaaames.« Aber Christian hat nur ein Schulterzucken übrig, als ich ihm einen abgefuckten Blick zuwerfe.

»Ne, er hat recht. Es ist gleich elf, ok? Da bist du sonst dreimal im Bett. Und du musst noch Zähne putzen und so.«

»Ich putz auch noch-«

»Ne. Komm, Rose.«

Sie versucht nochmal das Schmollgesicht, dann die Armverschränkerin und Wegdreherin. Christian richtet sich in der Zeit auf und stellt die Gläser ineinander. Ich bleibe bei Rose sitzen, bis sie die Arme wieder löst. Sie sieht mich mit hervorgeschobener Lippe an. Als ich die Geste imitiere, gluckst Christian. Rose plötzlich auch.

»Du siehst komisch damit aus«, sagt sie dann zu mir. Ich schiebe ihre Hand weg, als sie damit in meinem Gesicht herumtatschen will.

»Na, denkst du, bei dir sieht's anders aus? Ich bin dabei so niedlich wie du.«

»Man. Dann habe ich jetzt einen einen Zuckerschock«, scherzt Christian. Ich schieße ihm einen Blick zu. Er grinst. Ich hab Herzflattern und seh schnell wieder zu ihr.

»Komm. Geh Zähne putzen. Christian macht dir morgen was Ungesundes zum Frühstück«, sag ich. Jetzt merke ich seinen fassungslosen Blick auf mir, den ich ignoriere. Rose hingegen wird hellhörig.

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