Desire

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Mickey wachte im Bett seiner Freundin auf. Falls man Karen so nennen konnte. Er stöhnte genervt auf, als er daran dachte welcher Tag heute war. Am liebsten hätte er sich den Finger in den Hals gesteckt und so getan, als ob er krank wäre. Aber ihm war schon klar, dass Karen es ihm nicht abkaufen würde, also konnte er es auch gleich lassen. Gähnend schwang er seine Beine über die Bettkante und ging ins Badezimmer. Karen stand gerade am Waschbecken und putzte sich die Zähne. "Hey", sagte sie mit einem fröhlichen Lächeln auf den Lippen. Mickey zwang sich ebenfalls zu lächeln und ein kurzes "Morgen" zu murmeln. Er zog seine Jogginghose und sein T-Shirt aus und stieg in die Dusche. Während das warme Wasser über seinen Körper lief, wanderten seine Gedanken zu Ian. Wie sollte er es nur schaffen ihm unter die Augen zu treten? Mickey fuhr sich seufzend durch die Haare. Warum hatte Karen auch darauf bestehen müssen, dass er sie begleitete? Er hatte auf dieser Hochzeit überhaupt nichts zu suchen und kannte das Brautpaar nicht mal, wusste nicht mal ihre Namen. Wenn man auf eine Hochzeit von jemandem ging, sollte man doch wenigstens die Namen des Paares wissen oder nicht? Gerade als er aus der Dusche steigen wollte, zog jemand den Vorhang weg. "Beeil dich, Mick. Ich muss noch meine Haare waschen", meinte Karen und drängelte sich an ihm vorbei. Er war sich sicher, dass so ziemlich jeder Junge der Schule sich in diesem Moment gerne in ihn hineinversetzt hätte, nur um einen Blick auf Karens Körper erhaschen zu können. Er verdrehte die Augen bei dem Gedanken. Während Karen duschte trocknete Mickey sich ab und ging anschließend mit einem Handtuch um den Hüften zurück in ihr Zimmer. Er griff nach dem Anzug, den Sheila für ihn rausgelegt hatte. Mickey konnte nur ungläubig den Kopf schütteln. Niemals hätte er damit gerechnet, mal so eine Scheiße anziehen zu müssen. "Du musst den Anzug noch nicht anziehen, Mickey. Wir fahren erst in zwei Stunden los. Kommt ihr gleich frühstücken?", wollte Sheila wissen. Mickey nickte, auch wenn das sicherlich noch etwas dauern würde, da Karen immer ewig lange im Bad brauchte. Er war sich nicht sicher, ob er sich jemals daran gewöhnen würde mit ihr zusammen zu sein. Es fühlte sich einfach so falsch und komisch an. Dazu kamen noch seine Gefühle für Ian. Er würde die ganze Sache so gerne ignorieren oder einfach zurückdrängen, aber das war nicht so einfach wie er gedacht hatte. Vor allem jetzt nicht, wo Ian nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Das verstärkte seine Gefühle nur umso mehr, weil er ihn vermisste und zwar richtig. Er vermisste ihn mehr als er seine Mutter jemals vermisst hatte, genauso wie Mandy. Mickey war vorher nicht klar gewesen, wie viel ihm die Beiden tatsächlich bedeuteten. Doch jetzt wusste er es und das machte alles nur noch schlimmer.

"Wie sehe ich aus?", fragte Veronica. Mandy und Ian grinsten. "Du siehst perfekt aus", erwiderte Mandy und das war die pure Wahrheit. Ian konnte ihr nur zustimmen. Veronica sah einfach umwerfend und atemberaubend schön aus. "Baby? Ich liebe dich", rief Kev, als er seine Frau sah. Lachend nahm sie ihn in den Arm. "Du siehst aber auch nicht schlecht aus, Kev", meinte Ian. Kev grinste ihn an. "Du auch nicht." Veronica legte ihren Kopf an seine Schulter. "Wie ein richtiger Gentleman", sagte sie verträumt. "Meinst du Kev oder Ian?", wollte Mandy wissen. "Beide", antwortete Veronica zwinkernd. Da kamen auf einmal Lip und Debbie ins Zimmer und bestaunten sie ebenfalls. Ian sah aus dem Augenwinkel, dass Mandy Lip ansah. Er erwiderte ihren Blick allerdings nicht. Plötzlich dachte er schon wieder an Mickey. Er konnte nichts dagegen machen, es passierte einfach. Dieser Junge ließ ihn einfach nicht los. Ian könnte ihn schlagen wenn er daran dachte, was Mandy ihm erzählt hatte. Es war zwar nicht so, dass Mickey mit Karen nicht schlafen durfte, aber trotzdem fühlte Ian sich verletzt. Er hatte so langsam das Gefühl, dass es von Tag zu Tag schlimmer werden würde. Ian war so krass eifersüchtig, dass er am liebsten 24 Stunden am Tag heulen würde. Aber das würde nichts bringen, denn danach würden die Gefühle immer noch genauso stark sein wie vorher. "Träumst du?", hörte er Mandy sagen. Er sah sie verwirrt an. "Was?" Sie lächelte. "Ich hab dich gefragt, ob wir runter gehen wollen", wiederholte sie. Ian hatte überhaupt nicht mitbekommen, dass sie mit ihm geredet hatte. Alles nur wegen diesem scheiß Arschloch. "Achso, ja klar", sagte er und folgte Mandy in die Küche. Unten herrschte das reinste Chaos. Ein paar Freunde von Jimmy waren schon da und planten anscheinend irgendeine Überraschung. Ian bekam allerdings nicht mit, über was genau sie sich unterhielten. Liam und Carl mussten ausgerechnet jetzt Feuerwehr spielen und dabei natürlich durch's ganze Haus brüllen, als würde gerade die Welt untergehen. Ian fehlte nicht mehr viel, um vollkommen die Nerven zu verlieren. Diese Kinder waren so anstrengend! "Liam, Carl! Ruhe jetzt, wir haben Besuch!", rief er, doch sie hörten nicht auf ihn. Stattdessen kam Liam auf ihn zugerannt und versuchte ihn mit einem Springseil zu fesseln. "Wir spielen Feuerwehr, nicht Polizei!", erklärte Carl und nahm ihm das Seil aus der Hand. Ian verdrehte die Augen. Da ging auf einmal die Tür auf und Fiona kam mit zwei Freundinnin ins Haus. Ian konnte seinen Augen kaum trauen. Fiona sah so wunderschön aus. Zwar war das bei ihr meistens der Fall, doch heute war es was anderes. Sie sah wirklich bezaubernd aus in diesem langen, weißen Kleid, mit der Hochsteckfrisur, dem Make-Up und, und, und. Ian konnte keine Makel an ihrem Outfit finden. "Du siehst toll aus, Fi", lobte er sie. Seine Schwester grinste ihn an. "Danke, Kleiner. Du aber auch." Er erkannte sie kaum wieder. Sie war so glücklich und strahlte übers ganze Gesicht. Ian war sich sicher, dass er sie noch nie so happy gesehen hatte. "Wo ist der Bräutigam?", fragte eine ihrer Freundinnin. "Jimmy ist noch beim Frisör", antwortete Mandy. Fiona's Freundin sah sie fragend an. "Wer bist du?" "Sie ist meine Schwester", meinte Ian, bevor Mandy zu Wort kommen konnte. Die Freundin schien noch verwirrter als vorher zu sein. "Schwester? Seit wann habt ihr noch ein Mädchen?" Ian legte seinen Arm um Mandy's Hüfte. Er wollte gerade etwas sagen, da kam Fiona ihm zuvor. "Sie ist seine beste Freundin. Im Herzen seine Schwester." Sie zwinkerte ihm kurz zu. Ian lächelte. Besser hätte man es nicht ausdrücken können. "Ve? Kannst du Liam fertig machen?", rief Fiona die Treppe hoch. "Ich bin gerade dabei Debbie zu schminken, sorry", antwortete Veronica. "Was ist mit Kev?", fragte Fiona weiter. Sofort kam Kev die Treppe herunter gestürmt. "Schon dabei", meinte er im Vorbeigehen oder viel mehr im Vorbeirennen. "Was ist mit Carl? Soll ich mich um ihn kümmern?", bot Ian an. "Nein!", protestierte Mandy. "Du wolltest mir doch beim Schminken helfen." "Kann Veronica das nicht machen?", fragte Fiona. Mandy seufzte, weil sie schon wusste, dass sie verloren hatte. Plötzlich spürte Ian einen stechenden Schmerz in seinem Bein. Liam hatte ihm sein Feuerwehrauto ins Schienbein gerammt. "Kev! Du solltest dich doch um ihn kümmern!", schrie er wütend, denn es tat echt ziemlich weh. "Kommt nicht wieder vor", sagte Kev schnell und nahm Liam auf den Arm. "Na Kleiner? Wollen wir dir mal was zum Anziehen besorgen?" Ian seufzte. "Die Sachen liegen schon auf seinem Bett und rate mal, wer sie dort hingelegt hat? Ich!" Kev hob entschuldigend seine freie Hand. "Alles wird gut, Ian. Man muss nur ruhig bleiben", empfohl er ihm, bevor er nach oben ging. Ian atmete tief durch. Kev hatte Recht. Er musste ruhig bleiben.

I can't hate youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt