87. Ein göttliches Wunder

528 62 60
                                    

Kohl

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.

Kohl.

Kohl, war Iris' erster Gedanke, als sie wieder zu sich kam. Zunächst wusste sie nicht, was das bedeutete, doch dann erwachten ihre Sinne und sie nahm den penetranten Geruch wahr, der sie umgab. Kalter Kohl. Es roch nach abgestandenem Gemüse. Wie manchmal in Wirtshäusern, die nicht jeden Tag geöffnet hatten. Obwohl Iris keine Kohl-Liebhaberin war, meldete sich ihr Magen knurrend und gluckernd zu Wort. 

Schwerfällig schlug sie die Augen auf. Ihr Mund war staubtrocken, ihre Wimpern verklebt. Beim Versuch, sich den Grieß aus den Augen zu reiben, musste sie feststellen, dass sich ihre Arme nicht bewegen ließen. Zuerst dachte sie, ihre Glieder wären vom langen Liegen taub und steif geworden, aber dann realisierte sie, dass ihre Hand- und Fußgelenke mit einem groben Strick aneinander gefesselt worden waren.

Panik flutete ihre Adern und ließ ihren Körper wie ein Schnappmesser in die Höhe schnellen. Sie setzte sich auf und blickte sich um. Es war dunkel, aber nicht zu dunkel, um nicht zumindest ein paar vage Umrisse erkennen zu können. So musste Iris feststellen, dass sie sich in einem Kellerraum zu befinden schien. Ein wenig Tageslicht drang durch schmale, mit Brettern verriegelte Fenster knapp unterhalb der Decke herein und verlief in schnurgeraden Linien über den feuchten, strohbedeckten Boden. Staubteilchen tanzten in der Luft, zwischen morschen Stützbalken und glitzernden Spinnweben.

Iris versuchte, sich daran zu erinnern, wie sie an diesen Ort gekommen war, doch ihre Erinnerung an alles, was nach ihrer Flucht aus dem Wintergarten des Forelli-Anwesens passiert war, entpuppte sich als ausgesprochen lückenhaft. Eck j'elsken, echote es in ihrem Kopf. Allerdings hatte sie vergessen, was diese Worte bedeuteten oder in welchem Zusammenhang sie ihr untergekommen waren. Im ersten Moment wusste sie nicht einmal mehr, wer sie ausgesprochen hatte. Als es ihr nach kurzem Grübeln wieder einfiel, wallte die Panik ein zweites Mal in ihr auf, glühend heiß und eiskalt zugleich. »Zander?«, hauchte sie. Ihre Stimme klang seltsam schwach und brüchig. Sie geriet ins Husten. »Zander!«

Hinter ihr raschelte es. Sie wandte den Kopf und spähte in die Dunkelheit abseits der Fenster. Dort zeichneten sich die Umrisse einer schweren Metalltür ab. Einige Meter davon entfernt, buchstäblich in der finstersten Ecke ihres Gefängnisses, lehnte eine Gestalt mit dem Rücken an einem Stützpfeiler. Im Dunkeln war es schwer zu erkennen, aber Iris spürte, dass es sich um Zander handelte. Er schien sie jedoch nicht wahrzunehmen. Bewusstlos oder zumindest stark benommen hing er in den Stricken, die ihn an den Pfeiler fesselten.

Iris zog ihre gefesselten Beine an den Körper, nahm mit den Ellenbogen Schwung und schob sich in seine Richtung. Aus der Nähe betrachtet wirkte Zanders Zustand noch bedrohlicher. Er musste eine Kopfwunde erlitten haben. Jedenfalls war ihm Blut ins Gesicht gelaufen und bedeckte fast seine gesamte rechte Gesichtshälfte mit einer schwarzen, schorfigen Kruste. Auch sein Hals und sein Nacken waren mit getrocknetem Blut besudelt. 

»Zander?«, flüsterte Iris, streckte die gefesselten Hände aus und berührte ihn sanft an der Wange. »Ich bin es.« Ihre eigenen Worte jagten ihr einen Schauer über den Rücken. Es klang, als würde sie mit einem Sterbenden sprechen. Sofort wusste sie, dass es ein Fehler gewesen war, diesen Gedanken auch nur zuzulassen. Sie blinzelte die Tränen weg und wandte den Kopf, um die Tür ihres Gefängnisses zu betrachten. Schweres Metall, dicke Steinmauern. Kein Schlitz. Kein Spalt. Plötzlich verspürte sie den starken Drang, ihren Entführern ins Gesicht zu sehen. Sie wollte wissen, wer Zander das angetan hatte. »Hallo?«, rief sie, zog erneut die Beine an und trat fest mit den Füßen gegen die Tür. »Wer ist da? Kommen Sie schon raus!«

Die Forelli-Dynastie: Göttliches ErbeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt