Kapitel 13: Geburtstagsblues

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Kapitel 13: Geburtstagsblues


Was bisher geschah: Weihnachten bei den Steiners, Silvester mit den Freunden und Francs erstes Mal mit Ben


Der Januar im Jahr 2018 war kalt und harsch. Ben mochte die Kälte nicht wirklich und er mochte auch nicht, sich wie eine Zwiebel in fünfzig Schichten kleiden zu müssen, doch es war Francescos Geburtstag und das wollte er auf keinen Fall verpassen. Ein Geschenk hatte er auch, es war ein kleines Modellmotorrad von Ben selbst bemalt mit coolen blauen Flammen, dazu ein kleiner Liebesbrief. Ein bisschen aufgeregt stieg Ben in den Bus hinein, um zu Franc zu fahren. Das Geschenk hütete er wie einen Schatz. Mit schwarzem Geschenkpapier und blauen Schleifen war es eingepackt. Damit sah es eher aus, wie aus einer Werbung für Männerduschgel, aber es war genau Francs Geschmack. Im Bus selber starrte der Schwarzhaarige nur abwesend aus dem Fenster und beobachtete, wie die Häuser an ihm vorbeizogen, die Schneeflocken fielen und Menschen die Gehwege mit Salz und Grit bestreuten, als wäre die Eiszeit ausgebrochen.
Nach ungefähr fünfzehn Minuten war er an der Bushaltestelle im 'reichen' Viertel von Kehlingen. Die Häuser hier waren größer, luxuriöser und hatten prächtige Gärten. Ben musste nur noch um die Ecke laufen, dann war er vor Francs Haus. Unzählige Autos standen in der Einfahrt des großen Hauses und auf der Straße davor. Etwas mulmig wurde Ben dabei schon, denn eigentlich war er nur Francs bester Freund... zumindest in den Augen der Familie Mortello. Zögernd blieb der Schwarzhaarige vor dem Haus stehen und kaute nachdenklich und voller Unsicherheit auf seiner Unterlippe herum. Jetzt oder nie. Der Schnee und das Salz knirschten unter seinen Winterstiefeln und er fühlte sich ein wenig kindisch in der roten Daunenjacke und der roten Mütze, aber so war es am Wärmsten. 

Benjamin betätigte die Klingel, von drinnen konnte er Gelächter und Stimmen hören - alles natürlich auf italienisch. Erneut drückte er auf die Klingel, dann öffnete ein junger Mann mit kurzem, sehr lockigem Haar die Tür und grinste ihn an.
"Hallo?", fragte er. Für einen Moment war Ben etwas perplex. „Hallo, ich bin Francescos Kumpel... ich... äh... bringe sein Geburtstagsgeschenk", sagte Ben unsicher und lächelte dann ein wenig schief. „Oh, klar! Danke dir, komm' kurz rein!", antwortete der junge Italiener und lies Ben in das warme Haus eintreten. Endlich konnte Ben die dicke Daunenjacke, den Schal, die Mütze und die Handschuhe ausziehen. Darunter hatte er einen passenden, roten Strickpulli mit Zopfmuster an. Seine Haare waren allerdings etwas zerzaust, doch das störte ihn wenig. Als der Schwarzhaarige hinter dem Lockigen ins Wohnzimmer trat begrüßte er die Runde. Mindestens zehn Leute saßen im Wohnzimmer verteilt und unterhielten sich miteinander in einer sehr unangenehmen Lautstärke. Mittendrin war Francesco, welcher auf ihn zukam und lächelte. "Grazie, Pedro", sagte er knapp zu dem Lockigen und beide nickten sich zu.


Das war also Francs Bruder? Die Schönheit lag also in den Mortello Genen! Franc nickte Ben zu und nahm das Geschenk an sich. "Danke dir", sagte er liebevoll. Ben musste unweigerlich lächeln. „Gerne, gemacht mit Liebe", murmelte er neckend. „Du kannst gerne noch etwas bleiben, aber du kennst die Regeln", sagte Franc erst freundlich, dann mahnend. Benjamin verdrehte die Augen. „Ja... wie immer...", sagte er knapp und mit deutlich genervtem Unterton. Franc wies ihn zum Sofa, wo ihm gleich ein Glas Sekt angeboten wurde, welches er freudig annahm. Ja, etwas Alkohol würde ihm vielleicht helfen, diese Situation durchzustehen. Der Nachmittag verging, mit komischen Gesprächen und peinlichen Fragen und immer mehr Sekt. Gegen frühen Abend war Ben durchaus angetrunken und hatte sich zu Franc gesetzt. Ben war schon etwas abwesend von all den Sektgläsern und hörte nur am Rande zu, was Franc gerade seinen Tanten erzählte.


Müde lehnte er sich an Francs Schulter, doch Franc schüttelte ihn ab. Das gefiel Ben gar nicht und er lehnte sich wieder gegen Franc und begann seine Schulter zu küssen. "Hör' damit auf, das ist echt schwul!", zischte Franc ihn an. Seine Familie durfte nicht glauben, dass die beiden ein Paar waren. Ben sah zu dem Italiener auf. „Nie darf ich dir hier meine Liebe zeigen, willst du ewig eine Lüge leben?", fragte er ein wenig lallend und sah Franc eindringlich in die Augen. „Ben, hör' auf damit", sagte Franc ernst und funkelte ihn wütend an. Um die beiden herum war es still geworden. „Dass ich dich liebe ist also egal? Du willst sie immer anlügen? So wichtig bin ich dir also... wow! Das ist großartig!" Ben stand auf und ballte die Fäuste, Francesco stand ebenfalls auf und zog Ben am Handgelenk in den Flur. „Spinnst du jetzt vollkommen?!", fluchte der Braunhaarige. „Du gehst, jetzt, SOFORT!", schrie er und schob Ben zur Tür hinaus. Franc drückte ihm noch die Jacke und die Mütze in die Hände und schmiss die Tür vor Bens Nase zu. Von drinnen konnte man einen Mann schreien hören und entsetztes Gerede. Ben fühlte sich schuldig, aber auch frei, da er endlich das gesagt hatte, was ihm schon lange auf dem Herzen lag. Müde und mit gesenktem Kopf machte er sich auf zur Bushaltestelle.


Im Bus war es still, außer ihm saß nur noch eine alte Frau im Bus. Es wurde schon dunkel und noch immer fielen dicke Schneeflocken vom Himmel. Was hatte er getan? War es jetzt vorbei? Was war mit ihrem Urlaub? Ein paar Tränen bildeten sich in Bens Augen und liefen ihm heiß über die kalten Wangen. Scheiße. Er war noch immer betrunken und spürte den Schmerz nur stumpf in der Brust, aber er wusste, sobald er wieder nüchtern war, würde sich das ändern.
Zuhause angekommen schmiss er sich in sein Bett und weinte. Was hatte er getan? Wieso konnte es nicht normal sein? Er wollte doch nur so akzeptiert werden, wie er war - Franc verstand das nicht.

In den Tagen darauf meldete Franc sich nicht, bis er eines Abends vorbeikam und sich zu Ben ins Bett legte. „Es tut mir leid", hatte er gesagt und Ben ein paar Strähnen aus dem Gesicht gestrichen. "Ich bin trotzdem sehr enttäuscht und wütend über das was du getan hast. Es tut mir aber auch leid, dass ich nicht gemerkt habe, wie sehr dich das verletzt und was für ein Arschloch ich war. Doch meine Eltern verbieten mir eigentlich dich zu sehen und haben mir die Hölle heiß gemacht." Franc streichelte abwesend Bens Wange, welcher ihm nur gedankenverloren in die Augen starrte. Ben konnte sehen, wie enttäuscht und verletzt Franc noch war, wie sehr er noch damit kämpfte. „Es ist okay", flüsterte der Kleinere und küsste Franc sanft auf die Lippen, ein Versuch Franc ein bissen zu beruhigen. „Ich hätte nicht besoffen so ein Affentheater machen müssen", sagte er, während ihm eine Träne aus dem Augenwinkel die Wange herablief. "Das war wirklich scheiße von dir", bemerkte Franc trocken. Sich ein paar Tränen aus den Augen blinzelnd grinste Ben, "Aber irgendwie war's auch lustig", sagte er amüsiert. „Du warst echt hackedicht", bemerkte Franc schwach lächelnd. Ben nickte. „Ich weiß, furchtbar! Es tut mir SO leid!" Er lachte. „Nicht vergessen, in den Faschingsferien geht's endlich in den Urlaub und dann kann ich dich bestrafen", sagte Franc amüsiert. Ben nickte.


„Da freue ich mich wirklich drauf, das wird schön und du siehst mal was anderes als Italien!" Nun lachten beide. „Ich kann doch kaum Englisch, du willst mich echt foltern, Herr Steiner", beschwerte Franc sich und vergrub sein Gesicht in Bens Halsbeuge. „Ich übernehme das Reden, du siehst einfach gut aus, aber nicht zu gut, ich will dich ja noch eine Weile behalten", sagte Ben grinsend. Wieder lachten beide. „Ich freue mich so darauf...", murmelte Ben glücklich. „Aber vergiss' nicht, ich bin trotzdem noch sauer wegen meines Geburtstages. Damit du das weißt", sagte Franc ernst. Ben nickte, Schamgefühl kam in ihm auf, er wollte sich nicht daran erinnern, denn er hatte wirklich Scheiße gebaut. „Kommt nie mehr vor", sagte er knapp. "Das möchte ich hoffen...das war echt unterirdisch. Das werde ich nicht vergessen." Franc sah den Kleineren ernst an. Die Röte war in Bens Wangen gekrochen und er nickte nur beschämt.
Francs Geburtstag hatte etwas verändert, denn er war jetzt vorsichtiger. In der Schule oder auf offener Straße zeigte er sich ihm nicht mehr zugewandt. Es war, als würden sie ständig beobachtet. Jeder merkte, dass etwas nicht stimmte und außerdem stieg der Druck mit jedem weiteren Tag an, denn das Abitur rückte Näher und machte alle nervös. Doch es gab einen Lichtblick - die vier Tage in London, bis dahin geschah auch nichts spannendes, sie schrieben sehr viele Klausuren, lernten viel - zumindest Ben.

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⏰ Last updated: Oct 15, 2019 ⏰

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