AKT I

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Der Wecker klingelt. Natürlich klingelt der Wecker. Am Anfang einer Geschichte muss immer der Wecker klingeln, sonst wacht die Mary Sue nicht auf, um ihn aus dem Fenster zu schmeißen.

Also nochmal: Der Wecker klingelt.

RIIIIIIIIIIIIIIIIIING! (Ihr glaubt nicht wie viele „I"s es braucht, um eine Mary Sue zu wecken. Sie schläft tiefer als Dornröschen... Gut, ich bin still.)

Die Mary Sue mit dem einfachen Namen Macciata Ananasia Rosarosellie Yunikorna Sue del Teenagerphantasia XIII, kurz Mary, grummelt im Halbschlaf. Dann reißt sie den Wecker vom Nachttisch und schleudert ihn durchs Fenster, wo zufällig ein Fensterputzer bereit steht, um ihn aufzufangen. Ohne eine Notiz davon zu nehmen, schleppt sich Zombie-Mary ins Badezimmer und verschwindet dort für die nächsten zwei Stunden.

Warte, zwei Stunden?! Was soll ich denn so lange machen? Ihr „dezentes" Make-Up beschreiben? Oder ihr Lieblingstop, das sie heimlich schon seit fünf Tagen trägt? Ich könnte mich darüber lustig machen, dass sie ernsthaft gedenkt, zehn Zentimeter hohe Absätze zum Unterricht anzuziehen- aber sie ist meine Freundin, also lasse ich das. Trotzdem... Wir haben noch was vor heute.

Plötzlich flattert eine flauschige blaue Eule zur Tür hinein, setzt sich auf die Klinke zum Bad und trommelt mit dem Schnabel an das Holz. Mary öffnet nach wenigen Sekunden, ihre Miene von keiner Ahnung getrübt.

„Hallo?", fragt sie unschuldig ins Zimmer hinein. Guck mal, er ist genau vor deiner Nase!

„Hey, vor deiner Nase!", schuhut die Eule und plustert sich auf. „Bin ich hier richtig wenn ich Macciata Ananasia R...avioli Yunikornia del Sue äh... wenn ich Mary suche?"

Mary blinzelt zweimal. „Du meinst Macciata Ananasia Rosarosellie Yunikorna Sue del Teenagerphantasia XIII", fragt sie.

„Ja, genau die."

„Das bin ich! Möchtest du ein Autogramm?"

„Nein, ich- wieso gibst du Autogramme? Du bist doch nicht mal berühmt", sagt die Eule skeptisch. Mary zuckt mit den Schultern.

„Ich dachte, dass du von diesem Stalker geschickt wurdest. Dieser Typ, der mich ständig beobachtet, weißt du?"

„Natürlich, der Erzähler. Natürlich", brüstet sich die Eule- dann hält sie inne, als würde sie das eben Gesagte noch einmal überdenken. „Warte, Stalker? Der Erzähler ist doch kein Stalker!"

„Ach nein?", erwidert Mary überrascht, „Und warum verfolgt er dann jede meiner Bewegungen?" Mary fuchtelt NICHT mit ihren Händen herum.

„Das ist doch gelogen!", faucht die Eule, allerdings nicht an Mary sondern an die Zimmerdecke gerichtet, „Sie hat sehr wohl mit den Händen gefuchtelt. Erzähl keinen Unsinn!"

Die Mary Sue folgt ihrem Blick, entdeckt aber nichts an ihrer Zimmerdecke, weil da nichts ist!

Empört plustert sich die Eule auf, dreht sich zu dem Fenster über Marys Bett und zwitschert: „Stop! Sei mal ein anständiger Erzähler! Du sollst nicht alles bewerten, was hier passiert, du sollst es in Schriftform für andere zugänglich machen! Und du vernachlässigst deine Protagonistin!"

„Aye, das bin ich! Freu!", freut sich Mary. Dann runzelt sie nachdenklich die Stirn. „Gehört es nicht zu den Aufgaben von einem Erzähler-"„Genitiv!", ruft die Eule dazwischen. „-äh, zu den Aufgaben von einem Genitiv-" „Ach, vergiss es..." „..."

Die Eule seufzt. „Verzeihung, Macciata, fang noch mal von vorne an."

Es entsteht eine Gesprächspause, in der Mary mühselig versucht ihre Gedanken zu ordnen.

Mary, die kleine Mary SueWo Geschichten leben. Entdecke jetzt