• D E R B R A N D •

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Mein Atem geht keuchend. Meine Lunge brennt. Meine Beine zittern vor Erschöpfung. Völlig kraftlos bleibe ich stehen. Ich habe das Gefühl, gleich umzukippen.

Eine Stunde. So lange saß ich im Haus meiner Tante und habe gewartet. Ich dachte, sie würden vielleicht Einkaufen oder nach den Schafen sehen. Bei so einem Sturm kann es schon Mal vorkommen, dass die Tiere in Panik geraten und einen Zaun niedertrampeln. Um alle Weiden zu checken braucht man mit dem Auto gerade Mal eine halbe Stunde. Da ihr Auto nicht da ist - wie ich festgestellt habe - habe ich angenommen sie, würden bald wieder da sein.

Von Minute zu Minute kroch mir die Sorge langsam in alle meine Zellen. Schließlich konnte ich es nicht mehr ertragen. Die Ländereien sind Hektar groß, man hat nicht überall Empfang und selbst zu zweit kann Mal etwas schiefgehen. Wenn etwas passiert ist, muss ich ihnen helfen!

Also habe ich mich zu Fuß auf den Weg gemacht und bei jeder Weide nach ihnen gesehen. Seit zwei Stunden renne ich also von Wiese zu Wiese. Mittlerweile bin ich komplett durchnässt und durchgefroren. Verzweifelt gebe ich die Suche auf, es ist mittlerweile zu dunkel. Ich muss zum Hotel und Hilfe holen. Schnell gucke ich nochmal zur Farm. Ihr Auto steht immernoch nicht da.

Tränen steigen mir in die Augen, laufen mir über's Gesicht, vermischen sich mit dem Regen. Ich bin erschöpft. Hungrig. Durstig. Müde. Doch die Angst treibt mich, meine Beine weiter voran.

Ich renne wieder über die Weide - nehme die Abkürzung zum Hotel - klettere über den Zaun und renne weiter. Der Sturm wütet immernoch. Er zehrt an meinen Kräften. Doch ich schleppe mich weiter. Immer weiter.

Plötzlich weht mir der Wind pechschwarzen Rauch entgegen. Das Luft holen brennt, ich huste. Was ist hier los? Woher kommt der Rauch? Orientierungslos stolpere ich durch die Rauchschwaden. Ich kann gerade Mal die Hand vor Augen sehen.

Irgendwann muss der Wind die Richtung geändert haben - das fällt mir aber erst später ein - denn auf einmal stehe ich vor dem Hotel. Trotz der Dunkelheit und dem bis dahin unerklärlichen Rauch, kann man es nicht übersehen. Es brennt. Lichterloh. Der ganze Dachstuhl steht bereits in Flammen. Selbst Hundert Meter entfernt, spüre ich die sengende Hitze noch, höre die klagenden Schreie unserer Gäste. Meine Beine geben nach. Ich falle auf die Knie.

Wie - wie kann das sein? Ich gucke in den Himmel, strecke meine Hand aus. Es regnet nach wie vor in Strömen. Wie kann das sein? Ein Feuer? Bei diesem Wetter?

Verwirrt rapple ich mich wieder auf. Trotz der Wärme, die das Gebäude  ausstrahlt, zittere ich am ganzen Körper.

Meine Eltern! Sind sie noch im Hotel? Ich muss sie warnen, schützen, da raus holen. Adrenalin durchflutet mich. Ich sprinte los. Angst und Sorge erfüllen mich, treiben mich an.

Bis ich vor dem Hotel zum stehen komme.

Die hellen Flammen in Kombination mit dem Blaulicht der Feuerwehr schaffen eine surreale Atmosphäre. Es ist laut und geschäftig und gleichzeitig leise und entspannt.

Völlig gespannt starre ich in die Flammen, unfähig mich zu bewegen. Feuerwehrmänner stehen da und halten Wasserschläuche in den Händen. Andere wiederum rennen mit Atemmasken durch die Gegend und haben hustende, weinende Menschen bei sich. Suchend blicke ich in ihre Gesichter, in der Hoffnung meine Eltern zu finden. Einige von unseren Hotelgästen erkenne ich wieder, aber meine Eltern sehe ich nicht.

Der schwere Rauch in der Luft, legt sich auf meine Lunge. Ich bekomme keinen Sauerstoff und Panik steigt in mir auf. Schwarze Punkte tänzeln am Rande meines Blickfeldes und breiten sich langsam aus.

Auf einmal spüre ich eine große, warme Hand auf meiner Schulter.

"Langsam. Versuch langsam zu Atmen", beruhigt mich eine tiefe Stimme und das Gesicht eines jungen Mannes erscheint vor mir.

"Ich bin Johann und wie heißt du?"

"Ly-Lynn", krächtze ich.

Mein Hals kratzt.

"Ok, Lynn. Kannst du laufen? Du solltest von dem Rauch weg", erklärt er mir, obwohl ich das auch selber weiß.

"A-aber", stammle ich: "Meine Eltern."

"Wir finden deine Eltern", verspricht er: "jetzt musst du erstmal in Sicherheit gebracht werden."

Mit diesen Worten zieht er mich weg vom Feuer. Ein paar Meter entfernt stehen Krankenwagen und Autos der Seelsorge. Er führt mich zu letzterem.
Ich soll mich in eines der offenen Autos hinsetzen und weiterhin versuchen langsam zu Atmen. Johann verschwindet murmelnd. Kurz darauf erscheint er mit einer Flasche Wasser wieder bei mir. Dankend nehme ich sie an. Die kühle Flüssigkeit spült endlich das kratzende Gefühl aus meinem Hals.

"Wie alt bist du?"

Ich antworte: "Zwölf."

Er nickt und notiert es auf einem Zettel.

"Dein Nachname ist?", fragt er weiter.

"Janssen."

Auf einmal macht er große Augen in denen sich Mitleid widerspiegelt. Dann wird er ganz still.

"Was ist denn Johann?", wundere ich mich über sein Verhalten: "Weißt du wo meine Eltern sind?"

Er seufzt.

"Deine Eltern wurden leblos aus dem Feuer geborgen."

Das HotelOnde histórias criam vida. Descubra agora