24 - "Meine engen Grenzen"

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Das Innere Kind - der Sichere Ort

"Meine engen Grenzen" ist ein modernes Kirchenlied des evangelischen Pfarrers Eugen Eckert von 1981. Die Melodie stammt von Winfried Heurich 1981. Die Gruppe Habakuk, deren Kopf Eugen Eckert ist, ist eine der wenigen im modernen kirchlichen Bereich, die sowohl in der evangelischen als auch in der katholischen Kirche fest verwurzelt ist. Dieses Lied mag ich ganz besonders, weil es unser Lebensgefühl in Notlagen so unmittelbar beschreibt und die dazu passenden Sehnsüchte formuliert. Und wie alle anderen Lieder in diesem Buch auch ist es eng verknüpft mit einer besonderen Situation, spricht in das Geschehen hinein. Denn:

Da steht Tina nun. Sie hat für eine Woche Jimin zu Gast. Sie verhilft ihm nicht nur dazu, richtig viel und genussvoll zu essen. Sie ermöglicht ihm über das Tagebuchschreiben und die Gesangsstunden auch, die Türen seiner Seele ganz weit zu öffnen. Sie hört ihm zu, sie verwöhnt ihn, weckt seine Sinne für das Leben und ist ihm so vertraut, dass er sich nicht scheut, mit Tina zu kuscheln, wenn ihm nach Nähe ist. Sie durchschaut auch häufig, warum er grade tut, was er tut. Aber als Jimin dann selbst sein Bedürfnis nach Nähe, nach Kuscheln hinterfragt, weiß sie plötzlich nicht, ob es richtig ist, ihm diese Frage zu beantworten. 

Im März, während der Zeit des Eingesperrtseins, hatte sie keine Wahl. Sie musste ihr Schmalspur-Psychologiewissen zusammenkratzen und irgendwie handeln. Jetzt auf einmal erscheint es ihr unverantwortlich, mit Jimin einen therapeutischen Weg zu beginnen, für den sie nicht ausgebildet ist, den sie nicht gemeinsam mit ihm wird gehen und beenden können. Es ist das Konzept vom "Inneren Kind". Tina muss erst diesen inneren Kampf mit sich selbst austragen, bevor sie die Sicherheit gewinnt und es wagt. Dazu geht sie mal wieder zu ihrem Gebetsteller, fragt Gott - und bekommt als Antwort dieses Lied.

Diese Aufnahme gibt ganz gut wieder, wie sanft diese Melodie die Sehnsüchte eines verunsicherten, eines verletzten Menschen transportieren, dem Ausdruck verleihen kann.  Das Lied taucht mir tatsächlich öfter einfach so aus dem Inneren auf, wenn ich am Ringen und am Suchen bin.

Ich selbst bin im Laufe meines Lebens hilfreich mit dem Konzept vom Inneren Kind in Berührung gekommen, sonst wäre ich nicht auf die Idee gekommen, das hier einzubauen. Dennoch habe ich ausgiebig gegoogelt, damit ich hier keinen Unsinn schreibe. Dann habe ich das sacken lassen. Und schließlich habe ich aus dem Herzen heraus geschrieben, was dieses Konzept für Jimin bedeuten und mit ihm anstellen könnte. Trotzdem muss ich hier mal wieder schreiben: Achtung, ich bin keine Fachfrau!!!!!

Im Kapitel [WU 33.3] geht es darum, Jimin eine Antwort auf seine Frage zu geben und ihn mit diesem Konzept vertraut zu machen. Noch tastet Tina sich nur vor, sucht selbst vorsichtig, ob es einen Anknüpfungspunkt für Jimin geben kann. Aber bereits wenige Stunden später, als die Band trotz aller Vorsicht in Moskau doch heftigem Sirenengeheul ausgesetzt ist und die drei Traumatisierten natürlich wieder ihren Ängsten zum Opfer fallen, ergibt sich ganz akut die Notwendigkeit, mit Jimin einen Schritt weiter zu gehen.

Denn Jimin sieht die Parallele, und so überträgt sich die Panik der anderen auf ihn. Und Tina muss das händeln. Hier kommt ein weiteres Konzept ins Spiel - das Konzept vom Sicheren Ort. Der Sichere Ort ist entwickelt worden für traumatisierte Menschen, die in akuten Triggersituationen eine mentale Möglichkeit haben sollen, den Triggern zu entfliehen, indem sie sich aus der bedrohlichen Situation herausdenken können. Sie üben unter normalen Bedingungen so lange, den Sicheren Ort zu imaginieren, bis sie auch in einer Triggersituation in der Lage sind, sich dahin zu flüchten und so den Triggern zu entkommen. Jimin findet im Laufe des Gesprächs beim Malen seine inneren Zufluchtsorte - als Kind zu Hause war das der Schrank in seinem Zimmer. Darum findet er da auch sein Inneres Kind.

Aber heute - heute ist es ein neuer Ort der Zuflucht. Jimin fängt tatsächlich an, seinem Inneren Kind Gutes tun zu wollen, und darum gibt er dem fröhlichen, unbeschwerten Bild von der Schaukel Raum. Die Schaukel hat den Vorteil, dass sie viel leichter und viel unauffälliger als Hilfsmittel dienen kann, als es das Hocken in einem Schrank tun könnte. Die Schaukel passt so unmittelbar zu Jimins Wesen (wie ich ihn sehe), dass sie ihn von da an bis ganz zum Schluss hilfreich begleitet. Sie wird ganz natürlich zu einer Kraft, die Jimin jederzeit abrufen und für sich nutzen kann, zum Staunen und zur Erleichterung aller anderen.

 Sie wird ganz natürlich zu einer Kraft, die Jimin jederzeit abrufen und für sich nutzen kann, zum Staunen und zur Erleichterung aller anderen

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Die ersten drei Strophen gelten mehr Tinas Verzagtheit. Und die dritte und vierte Strophe spricht ganz unmittelbar Jimin an. Wärme (die Decke!). Heimat. Das Singen wird Jimin im Laufe der Tage bei Tina ganz neu zu seiner Seelenkraft. Und die Schaukel ist luftig leicht, aber sie wird Jimin zur Heimat, zum sicheren Ort.

Als ich das alles so geschrieben habe, war ich längst so weit, selbst zu verstehen, was da beim Schreiben passiert - nämlich, dass ich die angerissenen Themen der Jungs aus [DD] in möglichst logischer Konsequenz fort entwickle. Das hatte ich so nicht geträumt, in meinem Traum kamen nur die erste Woche und das letzte Wochenende vor. Ich hatte mir beim Start keinerlei Gedanken darüber gemacht, wie ich die Zeit dazwischen füllen wollte. Im Zweifelsfalle nur mit den Konzerten in den einzelnen Städten, aber das wäre grottenlangweilig geworden.

Ich wusste auch zu keinem Zeitpunkt, WIE es sich weiter entwickeln würde. Stockholm, Am*dam, Berlin, Warschau. All die inneren Kämpfe und Zweifel, das immer feinere Zusammenspiel und gegenseitige Tragen der Member, das Ausloten von Untiefen und mutige Ausprobieren von Möglichkeiten - das hat immer der Moment geschenkt. Ich habe sozusagen zu jedem Zeitpunkt nur hoffen können für "meine" Jungs, dass am Ende lauter Happy Endings stehen würden. Ob und auf welchem Wege sie dahin gelangen würden - das hat die Zeit mit sich gebracht. Und bei den meisten von ihnen ist einfach der gute Weg vorgezeichnet, eine Lösung in Sicht, aber es ist nicht schwupp alles gut.

Mich selbst hat das ganz am Ende deshalb so überzeugt, weil es den therapeutischen Turbo ja im echten Leben tatsächlich nicht gibt. Das stört mich bei manchen FF's - sie wollen sich umbringen, sie verlieben sich, schwupp, sie sind glücklich. Äh ... Deshalb entschuldige ich mich auch nie für Fillerchaps. Das ist das Leben, es gibt immer wieder, jeden Tag diese "Dazwischens". Mir erschien es natürlich, auch die langweilige Routine aufzuschreiben.  - Selbst meine neun Wochen Tournee, in die ich diese Entwicklungen packe, sind eigentlich unrealistisch kurz. Aber sie machen doch deutlich, dass Seelenarbeit Arbeit ist, dass die Seele das Tempo vorgibt, das es nicht nur vorwärts sondern immer wieder mal ein paar Schritte zurück geht - und dass Dranbleiben sich lohnt, wenn man sich für sein Leben wünscht, dass es irgendwann zufriedener, entspannter, glücklicher ist.

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29.8.2019    -    12.9.2019

Making Of "Daydream" - BTS FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt