Untitled

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Er kämpfte. Er kämpfte mit sich selber und der unerträglichen Schwere, die ihn von innen zu erdrücken schien.

Jahrelang hatte er sich sein Weltbild aufgebaut und er wurde immer und immer wieder in seinen Überlegungen gefestigt. Immer und immer wieder opferte er Kraft und Schlaf um sich seinem Selbstbildnis zu unterstellen.

Er – der Stille Beobachter. Der Junge, der am Rand des Geschehens stand und der alle und jeden verstand und Durchschaute und dem sein scharfer Verstand dazu diente jede Gefühlsregung zu analysieren. Der seine eigenen Bedürfnisse, um seines eigenen Wertgefühls wegen, vergessen konnte, um Fürsorge für jeden zu zeigen da er niemanden leiden sehen wollte. Doch ihm blieb verborgen, dass er nicht Selbstlos war. Für den hohen Preis seines eigenen Wohlbefindens, kaufte er sich das Gefühl gebraucht zu werden ohne selbst jemanden zu brauchen. Der stille Held, der immer und ohne alles funktionieren konnte, und der allen Erwartungen immer Gerecht werden konnte, da sich diese meilenweit unter den Forderungen befanden, die er an sich selbst stellte. Jeden zufrieden stellen und immer und überall sich emotional und körperlich zu verausgaben. Er verbannte seine Gefühle in sich, um brauchbar zu bleiben und zog Mauern um sich. Er wurde zu einer kalten Maschine, die jede Belastung aushalten konnte, da die eigene verletzte Seele, hinter dicken Mauern, in einem dunklen Loch kauern konnte. Er zeigte sich kalt und stark. Doch er war nicht stark. Er blieb hinter der schützenden Mauer aus Selbstzweifeln und Hass, und lebte dort recht gut vor sich hin – aber alleine. Maschinen können sich selbst reparieren, sagte er mir. Er könne alleine Trauern und alles Schlucken. Doch jedes Mal, wenn er sich selbst reparierte, litt er an den Ängsten und Schmerzen und die Verzweiflung überschattete alle Gefühle wie Freude, Hunger oder Durst.

Tatsächlich ist er glücklich in seinem schwarzen Raum. Unverwundbar. Aber manchmal - wenn ihn die Gefühle überrennen, dann sitzt er da, und bekommt vor lauter Angst vor der Welt, keine Luft mehr, Panik- und keiner ist da, der ihm helfen könnte. Immer wieder, bis jemand die Anstrengungen unternimmt, die Mauer einzuschlagen. Schmerzvoll ohne Ende für ihn sein, weil sein ganzes Kartenhaus aus Lügen in sich zusammenfallen wird und er nicht weiß was übrig bleibt außer Scherben.

Doch an diesem Abend wurde es zu viel.

Monatelang hatte ich über die Psyche dieses Menschen nachgedacht und immer wieder mehr verstanden. Ich habe aber nie gedacht, dass ich ihn je sehen werde. Das er jemals zulassen könnte, dass die harte Schale begann zu bröckeln.

Doch an diesem Abend, fing er plötzlich an, die überkochenden Gefühle, die so lange in ihm gefangen waren, auszusprechen. Er begann erstmals etwas zu erzählen. Die Mauer ist nicht gefallen. Aber sie hat jetzt einen Riss, der größer ist, als der Riss, der in meinem Herzen entstand, als ich im Schummerlicht der Straßenlaternen sehen konnte, wie seine Augen Rot wurden.

Mein Herz brach, als ich die vereinzelten Tränen sah, die über sein eingefallenes Gesicht rannen und die er erst nach einer Weile, mit einer langsamen Handbewegung wegwischte. Als er ganz plötzlich, wenn auch nur kurz, uns Einsicht in sein verletzliches inneres gab. 

Contact - eine Feier der MenschlichkeitWhere stories live. Discover now