»Dieser schamlose Lügner«, grollte Zander in Erinnerung an Sarko Babois Angeberei in Bezug auf seine Herkunft und seine Sprachfähigkeiten. Er wanderte an der Wand entlang bis er hinter Tauro Baboi stand und Iris direkt ansehen konnte. »Gut. Und jetzt frag ihn, was es mit den Haien von Ryba auf sich hat.«

Ungeduldig wartete Zander auf das Ergebnis des folgenden Wortwechsels. Im Halbdunkeln des fensterlosen Kerkers schien die Zeit viel langsamer zu vergehen. Tauros Stammeln wurde immer wieder von Pausen unterbrochen, die dem Schmerz geschuldet sein mussten. Doch Zander hatte kein Mitleid. Er wusste, die Quelle würde versiegen, wenn er den Strick auch nur wenige Zentimeter lockerte.

»Er sagt, sein Bruder habe die Haie rekrutiert, kurz nachdem er seinen Dienst für die Karpis angetreten habe. Angeblich handelt es sich bei ihnen um Söldner aus einem fernen Land.«

»Blödsinn«, grollte Zander und betätigte die Kurbel, die Tauro Baboi an den Händen in die Höhe zog und ihn dann ruckartig wieder ein Stück absacken ließ. Der Mann stieß einen gellenden Schmerzensschrei aus, als der Impuls durch seine Arme und Schultern fuhr.

»Hör auf, Zander!«, protestierte Iris aufgebracht. »Wieso denkst du, dass er lügt?«

»Weil einer der Haie meinen Namen kannte«, entgegnete Zander. »Und auch wenn ich es äußerst schmeichelhaft finde, dass ihr offenbar der Meinung seid, ich wäre auch über die Stadtgrenzen von Myr Ryba hinaus bekannt, muss ich euch in dieser Hinsicht leider widersprechen.« Er fasste das Seil und spannte es mit der Hand, was Tauro gequält aufstöhnen ließ. »Die Haie von Ryba stammen aus der Gegend.«

Iris wischte sich mit einer Hand den Schweiß von der Stirn und wandte sich wieder an Tauro. Diesmal klang ihr Tonfall schärfer. Der Mann wimmerte und jammerte wie ein geprügelter Hund.

»Er gibt zu, dass die meisten Haie in Ryba rekrutiert wurden«, übersetzte Iris. »Von einem Ort, der sich Modderhauven nennt.«

Zander knetete mit den Fingern seine Lippen und nickte. »Das liegt im Osten der Stadt. Elende Gegend.«

»Aber zwei seien von weiter weg gekommen«, fuhr Iris fort und fasste sich, scheinbar ohne es zu merken, ans Brustbein, genau dorthin, wo sich ihr Herz befinden musste.

»Woher?«, fragte Zander interessiert.

Iris schüttelte den Kopf. »Das weiß er nicht.«

»Er sagt, dass er es nicht weiß«, korrigierte Zander und betätigte erneut die Kurbel. 

Während Tauro vor Schmerz wie am Spieß brüllte, presste sich Iris die Hand auf die Brust, senkte den Kopf und wandte den Blick ab.

Als Tauro schließlich verstummte und halb bewusstlos am Haken hing, wandte sich Zander wieder an Iris: »Frag ihn noch einmal.« Sanfter ergänzte er: »Bitte.«

Iris blinzelte Tränen weg. Es war jedoch nicht nur Mitleid, das diese Gefühlsregung auslöste, sondern auch echter Schmerz. Das konnte Zander an ihren Augen erkennen. Trotzdem tat sie, was er gesagt hatte, und wiederholte die Frage. Einmal. Zweimal. Dann näherte sie sich Tauro, um sein Gewinsel besser verstehen zu können. 

»Er sagt, dass sie eine komische Sprache sprächen, die er nicht kenne. Allerdings glaubt er, dass sie vom Wüstenvolk abstammen könnten.«

»Vom Wüstenvolk?«, wiederholte Tuna.

Iris sah sich irritiert nach ihr um. »Ja. Was bedeutet das?«

»Das Wüstenvolk gilt als ausgerottet«, erklärte Zander. »Aber einige der Überlebenden verdingen sich heutzutage als Attentäter.«

»Aciarische Attentäter...«, hauchte Tuna. »Sie könnten hinter dem Anschlag auf Gwydion Dan de Potas stecken. Das wäre genau ihr Stil.«

»Wir sollten keine voreiligen Schlüsse ziehen«, gab Zander zu bedenken, auch wenn er fand, dass diese Theorie recht plausibel klang.

Die Forelli-Dynastie: Göttliches ErbeWhere stories live. Discover now