Kapitel 4

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Falls ihr euch jetzt fragt:
Eyyy, wieso ist dieser sexy boi nicht krank im Bett und lässt sich von seiner Mum und seinem Girlfriend behätscheln, sondern geht zur Schule?
Also, erstens – meine Mum arbeitet und kann mir keinen Tee machen.
Zweitens – ich hab keine Freundin.
Und drittens – ich bin nicht erkältet.
Wundert es euch? Ja, mich auch.
Ich meine, wie kann ich keine Freundin haben?!

Belustigt beobachtete ich die Menschen, die sich wild und schnell in den Massen drängelten, um nicht zu spät zum Unterricht zu kommen, die Menschen, die versuchten, nicht überrannt zu werden und die Menschen, die die anderen Menschen überrannten. Gott, so viele Menschen heute.
"Hey Wayne!"
Da war der Mensch, nach dem ich Ausschau hielt.
Kay boxte mir freundlich gegen den Oberarm, weswegen ich diesen lachend wegzog und durch seine Haare wuschelte.
"Ich dachte, du seist krank", stellte Kay eine unausgesprochene Frage auf, auf die ich nur unter seinem skeptischen Blick nicken konnte. "Jep. Dachte ich auch."
Plötzlich herrschte Stille und ich hörte den vielen Stimmen der Schüler zu, während ich fühlen konnte, wie es in Kays Kopf ratterte, denn er hatte noch etwas zu sagen.
"Wie geht's deiner Türklinke?"
Ich wusste es.
"Hm? Ach, der geht es super. Meine Mutter war ganz locker damit und meinte, das sei ihr auch schon passiert", erfand ich schnell eine recht glaubhaftige Geschichte und scannte die Jungs ab, die an uns vorbei liefen. Hatten sie irgendwas auf dem Nacken? Oder die Mädchen?
Wieder schenkte mir Kay einen misstrauischen Blick und obwohl ich recht gut lügen konnte, schien er mir nicht zu glauben und fragte: "Wurde euer Haus nicht erst letztens renoviert? Und sind die Türen nicht neu?"
"Ja klar, aber die Türklinken wurden gerade bei dem Renovierungen nicht gescheit eingebaut."
"Sag mir doch einfach, was los ist, Wayne."
Wütend und ohne aus nur ein Wort von mir zu geben schaute ich ihn aus dem Augenwinkel an und stieß mich von der Wand, denn so eine Konversation wollte ich mir nicht geben müssen.
Zu meiner Erleichterung klingelte es und ab jetzt sollten sich alle Schüler in die Klassenräume begeben, weswegen ich verschmitzt lächelnd meinte: "Entschuldige Kay, ich hab dich wegen des Gongs nicht gehört und jetzt haben wir Unterricht, lass uns das in der Pause besprechen."
Locker pfeifend lief ich neben dem verstummen Kay her und genoss die plötzliche Ruhe, die er von sich gab.
"Was haben wir in der ersten Stunde?", fragte ich Kay, als wir schon zwei Minuten darauf verschwendet hatten, still nebeneinander zu laufen. Mein bester Freund verzog das Gesicht beim Grübeln und ging alle Stundenpläne, die wir bisher hatten durch, ehe er mich mit seinen Augen nach dem Tag befragte.
"Diens-ehhh. Mittwoch", verbesserte ich mich schnell und schaute mich unwohl um, da wir mitten im Gang standen und die Menschen nur so an uns vorbei strudelten.
"Dann haben wir Physik, Wayne."
"Ah. Cool. Komplett falsche Etage, ne'?"
Also prügelten wir uns an den Schülern vorbei in die Bioräume, die im untersten Stockwerk lagen, aber irgendwie doch nicht, weil er ja kein Keller ist- ach, keine Ahnung, Bioräume eben.
Vor dem Zimmer sammelte sich bereits unsere Klasse und wartete auf den Lehrer, der übrigens verspätet kam.
Da war Lis.
Lis glänzte förmlich in der Menge und stach deutlich durch ihre Natürlichkeit hervor. Wie sie ihren Kopf schwang, wie sie lachte, wie sie sich zu mir drehte und mir diesen süßen Hundeblick schenkte.
Ich will sie küssen.
Augenblicklich blieb sie vor mir stehen, hatte eine erwartende Haltung und sah zu mir hoch, weswegen ich mich langsam zu ihr runterbeugte und...
Schnell fing ich das Objekt, was auf Lis zugeflogen kam, auf und pfefferte es zur Seite, bevor ich meine Augen aufgebracht in Richtung des Übeltäters richtete, welcher nun lachend sein Heft zurück vom Boden aufsammelte.
"Sorry", meinte der Siebtklässler und grinste über beide Ohren, während seine Freunde ihn zu sich riefen, "war nicht geplant."
Hasserfüllt schaute ich ihm nach, merkte mir seine Bewegung und überlegte, wie ich ihm das nächste Mal eines Auswischen könnte. Vielleicht das Tablett in der Cafeteria weg reißen? Ihn zurückziehen, wenn er drängeln will?
"Schon okay, pass einfach nächstes Mal auf", rief Lis ihnen nach, als sie bereits in ihren Bioraum eindrangen und senkte entspannt die Schultern, mit einem nachdenklichen Blick auf das Zimmer der Siebtklässler.
"Woran denkst du?", fragte ich Lis und legte vorsichtig meinen Arm um ihre Hüfte, mit leichtem Abstand, ob sie es denn zuließ, aber Lis lehnte sich bereits gegen diesen und kuschelte sich an meine Brust, weswegen Kay mir empörte Blicke zuwarf. Bestimmt dachte er, wir seien zusammen und ich hätte es ihm nicht erzählt.
"Erinnerst du dich, als wir klein waren? Wir waren in der siebten Klasse, da hat plötzlich jemand von draußen genau in den Raum, wo die Siebtklässler gerade sind, irgendeiner einen Böller durch's offene Fenster geworfen."
"Oh Gott, daran erinnerst du dich?" Lachend zog ich Lis näher an mich heran und überschritt damit anscheinend die Grenze, denn sie trat danach einen Schritt auf Abstand, hielt ihr Gesicht bedeckt und holte sich unauffällig aus ihrer Tasche was zu trinken.
Scheiße. Ich hab's sicher übertrieben.
Aber bevor ich ihr irgendwie einen entschuldigenden Blick zuwerfen konnte, erschien der Lehrer hinter uns, arbeitete sich mit mulmiger Miene nach vorne und öffnete uns die Tür, ehe wir alle mit schlechter Laune den Raum betraten.
Es war stickig.
So unangenehm stickig, dass ich es gut verstehen konnte, als ein Mädchen zum Fenster rannte, es panisch aufriss und sich erst einmal aus dem Fenster lehnte.
Kay rammte meine Schulter, offensichtlich absichtlich, weswegen ich fassungslos und mit offenem Mund ihn anstarrte. Aber er sah nicht einmal mehr hin.
Immernoch wütend hockte ich mich auf den hintersten Platz rechts, recht nahe am Fenster und hoffte, dass das Karma Kay erwischt, doch es schien ihm gut zugehen. Okay, kein Instant Karma. Schade, dass man Instant Karma nicht wie Instant Nudeln heiß zubereiten und über den Kopf jemandes schütten kann.
Wäre irgendwie schon cool, oder? So'n heißer und nasser Kay.
Der Lehrer ließ sich auf seinen Stuhl fallen und vergrub das Gesicht in den Händen, ehe er sich plötzlich lächelnd aufstellte und uns grüßte.
Niemand rührte oder sagte auch nur ein Wort. Gerade jetzt war es zu gefährlich dafür.
Normalerweise grüßte uns der Klassenlehrer so nur, wenn etwas Schwieriges zu besprechen war und niemand konnte jetzt in diesem Moment sich auch nur vorstellen, was passiert ist.
"Was ist los, Herr Kunkel?", fragte Lis vorsichtig und schaute sich in der Klasse um, um zu sehen, ob wer fehlte.
"Maya", schoss mir in den Kopf und meine Augen weiteten sich, denn das war die Freundin meines Bruders. Maya.
Sofort brach Gemurmel und Getuschel aus, der Lehrer wirkte, als würde er gleich darunter zerbrechen. Er tat mir verdammt leid. Egal, was passiert war, egal, wie viele Fünfer er mir schon in die Hand gedrückt hatte, jetzt war es egal. Die Klasse verstummte bei seinem zitternden Anblick.
"Soll ich beim Sekretariat fragen..?", stellte Lis die nächste Frage, offensichtlich sehr besorgt um den Lehrer und um Maya.
"Nein, nein. Schon okay, es ist nur, egal, lasst uns den Unterricht fortsetzen."
Herr Kunkel drehte sich um und krallte sich mit schlotternden Fingern den Stift, während die Klasse ihm stumm zusah und ich bereits leichte Panik bekommen hatte. Sein falsches Lächeln erlosch mit jeder Sekunde.
Er wollte schreiben, ließ die Hand aber sinken und ich bemerkte die dunklen Augenringe, die er hatte. Noch nie hatte ich einen Lehrer in dieser Verfassung gesehen und ich fragte mich, woran das lag. Wieso war er so fertig?
"Was war das letzte Thema?"
Mein Herz setzte aus und geschockt weiteten sich meine Augen, als sich seine Mundwinkel kaputt nach unten zogen, ehe er sich seufzend wieder setzte und durch seine Haare fuhr.
Wütend und genervt von sich selber schmiss er den Stift weg und seine Augen wanderten durch die Klasse, ehe er seufzte und sagte: "Hört mal... Wenn ihr wissen wollt, was los ist, gerne, aber ich kann dann meinen Job verlieren, wenn ihr es weitererzählt und ihr wisst, wie schnell das zum Seki sicktert. Also bitte, behaltet alles, was ich euch hier und jetzt sage, für euch."
Gänsehaut bildete sich auf meiner Haut und ich nickte, was viele aus der Klasse mir nachtaten oder eben gleichtaten, keine Ahnung. Mein Kopf macht gerade einfach nicht das, was ich will. Er denkt nicht das, was er will.
"Wisst ihr, ich hab mit meinen dreißig Jahren noch nicht viel erlebt, aber gestern habe ich zwei Schülerinnen und eine Tochter verloren."
Man konnte spüren, wie alles in der Luft quasi zerriss. Alle Schüler hatten denselben, leeren Ausdruck, aber ich wusste, wie viel ihnen gerade durch den Kopf ging.
Wieso verloren?
Wer ist tot?
Wann ist das passiert?
Könnten wir helfen?
Liegt es an uns?
Wie?
In meinem Kopf ratterte es förmlich, bevor ich es wusste. Ich weiß, was denen zugestoßen ist. Verdammt, ich weiß es.
Meine Nackenhaare stellten sich auf und leicht schockiert sah ich aus dem Fenster, als ich ein Geräusch hörte. Sowas wie ein Schreien oder so, ich wusste es nicht genau. Paar Millisekunden nach mir drehten sich die ersten Menschen um und ich überlegte noch kurz, ob es daran lag, dass ich ein gutes Gehör hatte oder weil ich direkt am offenen Fenster saß. Wahrscheinlich zweites.
Die Köpfe drehten sich wieder zum Lehrer, der uns niedergeschlagen anschaute, sich sammelte und dann erzählte: "Meine Tochter ist gestern ausgegangen. Auch meine zwei Schülerinnen anscheinend. Etwas war draußen. Polizisten und Kriminalpolizisten vermuten, ein riesiger Wolf hat sich in der Stadt verirrt, aber statt sich zu verstecken, greift er an. Das Fragliche ist aber, dass der Wolf bisher nur Personen weiblichen Geschlechts getötet hat und die Wissenschaftler fragen sich, ob das nicht etwas Mächtigeres, Größeres sein könnte. Die Schule wird keinen Trauertag oder ähnliches feiern und überlegt, ob wir nicht alle Schüler aus Sicherheitsgründen der Schulpflicht entledigen sollten. Abstimmungen im Lehrerzimmer sagen ja."
"Was vermuten Sie, Herr Kunkel? Was denken Sie, ist diese Kreatur?", fragte ein Junge aus der Klasse - ich glaube er hieß Max - besorgt und schüttelt frustriert den Kopf, "Das ist doch kein Wolf! Überhaupt nicht das Verhaltensmuster eines solchen Tieres, das ist Bullshit."
Kurz musste der Lehrer überlegen und in dieser Zeit beobachtete ich den leeren Sitzplatz von Maya angespannt. Ein Wolf, hm? Und dieser scheiß Wolf hat mir Superkräfte gegeben und dann ein anderes Mädchen in meinem Alter getötet? Ergab das in irgendeiner Art und Weise sind?
"Ich denke, ihr haltet mich für dumm", flüsterte ich und konnte mich kaum aufhalten, weswegen alle Köpfe sich in meine Richtung drehten, "aber ich glaube, es war ein Werwolf."

Oof.
Na? Wie geht's euch?
Hier eine Motivationsstütze für @Wolfsayakashi, weil dieser Welpe nicht an sich glaubt:
Du kannst das.
Boom.
Bin ich nicht motivierend?

Eure
Eule ♠️ (1790 Wörter)

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⏰ Last updated: Jul 13, 2019 ⏰

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well played, mateWhere stories live. Discover now