„Miss Granger, kommen sie bitte mit mir." sagte die volle Bassstimme von Montford Fortescue einen Moment später hinter mir und es war beinahe eine Art Erlösung. Weg von Ron und ich würde endlich hören, was ich praktisch schon wusste, seitdem mich der Stupor des Todessers – Ron - getroffen hatte.

Ich trabte also hinter Fortescue her, der sich trotz seiner Leibesfülle recht schnell bewegte. Am Anfang hatte ich mich gefragt, wie so jemand wie er Auror werden konnte und dann auch noch so lange überlebt hatte. Aber das war nur so lange, bis wir ihn das erste Mal in Aktion gesehen hatten. Es war ganz am Anfang des Aurorentrainings. Wir waren gerade angekommen und standen auf dem Übungsplatz. Er kam heran und sagte, wie sollten ihn alle angreifen. Wir waren mehr als 20, irgendeiner von uns würde ihn erwischen, dessen waren wir uns sicher. Das war das erste Mal, dass ich gesehen habe, wie jemand appariert und in dem Moment, in dem er auftaucht, einen Zauber fertig hat und wieder appariert. Er hat uns abgeräumt. Komplett und so schnell, dass es zu beschämend war, auch nur daran zu denken. Erst später hatte McLaggen gesagt, dass sie das mit allen Neuen so machen. Um ihnen zu zeigen, was ihnen fehlt.

Wir gingen in das kleine Palais, das einsam und verlassen hier stand. Umgeben nur von Felder, Wiesen und Wald. Das ganze Gelände war mit Muggelabwehrzauber umgeben und auch sonst stark geschützt, immerhin war das hier der Ort, in dem zukünftige Auroren trainiert wurden. Oder Möchte-gern-Auroren, wie in meinem Fall. Alles war so vertraut hier. Es ist eigenartig, wie einem der Anblick der Felder vertraut werden kann, wenn man Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat bis zur Erschöpfung übt und immer die gleichen Hügel und Felder vor sich hat. Sie waren Ort und Zeugen meines Scheiterns.

Wir gingen die breite Treppe nach oben und dann nach links. Fortescue blieb vor der Tür stehen und klopfte an. Von drinnen kam eine dünne, aber scharfe Stimme, die „Herein" sagte. Er trat ein und ich folgte ihm, bis wir vor Galatea Merrythought standen. Sie war alt, musste bestimmt schon über hundert sein, sah aber aus wie sechzig. Ich hatte ihren Namen in dem Almanach der Lehrer Hogwarts einmal gelesen, sie war damals Lehrerin für die Verteidigung gegen die dunklen Künste, das war zu Tom Riddles Zeiten gewesen. Sie ist die Leiterin dieses Trainings, auch wenn sie selbst nur noch die fortgeschrittene Verteidigung gegen die dunklen Künste unterrichtete. Sie war eine Legende und ihr Unterricht eine andauernde Erleuchtung. Ich habe von ihr so viel gelernt in den beinahe zwei Jahren wie nie zuvor.

Sie hatte eine kleine Brille, die ihr weit vorn auf der Nase sass und schaute mich über ihre Gläser hin an. Nach einen Moment sagte sie „Miss Granger, sie machen mir Sorgen."

Ich schluckte den Kloss im Hals runter, zumindest versuchte ich das, während sie fortfuhr „Sie sind eine der begabtesten Hexen, die mir je unter die Augen gekommen ist. Sie sind klug, haben eine schnelle Auffassungsgabe, Ausdauer, Mut, eine Gabe im Kampf und brillant in Taktik. Alles was ein Auror braucht. Aber..." sie hielt inne und schaute musterte mich nochmals genauer über ihre Brille hinweg. Sie hatte weisses Haar, das sie zu einem Dutt zusammengebunden hatte und trug ein eng geschnittenes, schwarzes Kleid, was ihr ein strenges Aussehen gab. Ich schluckte nochmals gegen den Kloss an. „Aber... wenn sie einen Todesser sehen, ist es vorbei. Dann sind sie nicht mehr als eine Maus im Angesicht einer Katze. Wenn sie dort draussen wirklich einem Todesser begegnen würden, wären sie schneller tot, als sie Stupor sagen könnten."

Nun half alles Schlucken nichts mehr. Der Kloss würgte mich und mir schossen wieder die Tränen in die Augen. Sie hatte recht. Ich wusste es und sie wusste es auch. Ich versuchte mich zu beherrschen, aber die komisch seufzend-schniefenden Geräusche kamen von mir, keine Chance das zu leugnen. Ich habe die zwei Jahre hier durchgestanden ohne auch nur einmal eine Träne zu vergiessen. Ich habe sämtliche Flüche ausgehalten, die wir aneinander ausprobiert haben. Selbst den Crucitas habe ich ertragen, ohne eine Träne zu vergiessen. Und jetzt laufen sie wie Bäche. Verdammt.

Merrythought sagte nichts, liess mir Zeit, mich wieder einzukriegen. Als ich mir halbwegs sicher war, das meine Stimme nicht sofort wieder versagen würde, krächzte ich „Es wird nicht mehr vorkommen, ich..."

„Es wird sicher nicht mehr vorkommen, richtig." sagte sie ruhig, aber bestimmt. „Ich habe das schon zu oft gesehen, Kindchen. Es kann jedem passieren. Ich habe erwachsene Männer, seit Jahren erfolgreiche Auroren, so zusammen brechen sehen." Sie sah mich eindringlich an und ich... was sollte ich sagen. Vermutlich hatte sie recht. Ziemlich sicher sogar hatte sie recht. Immer wenn bei einem der Manöver jemand als Todesser verkleidet war, setzte es bei mir aus. Blackout. Ich sehe alles, weiss sofort mehrere Sachen, die ich machen könnte, aber es geht nichts. Gar nichts. Ihr Vergleich mit der Maus und der Katze passte ziemlich gut zu dem, wie es sich anfühlte. Trotzdem - oder vielleicht gerade deswegen? - fühlte ich mich mies. Wer ist schon gern die Maus?

„Sie sind raus aus dem Aurorentraining." sagte sie dann und es war das, was sie bisher gesagt hatte, auf den Punkt gebracht. Ich war draussen. Ich war gescheitert. Seltsamerweise lösten sich die Tränen und den Kloss mit einem Male auf. Ich wusste das sie das sagen würde und so war es beinahe eine Erleichterung, es zu hören. Ich nickte, drehte mich um und ging. Es gab nichts mehr zu sagen und eigentlich war es mir davor schon klar. Trotzdem war der Moment wichtig. Ich fühlte mich seltsamerweise erleichtert.

Jetzt, nachdem ich wusste, was zu machen ist, ging alles einfach. Ich ging in den Westflügel des Palais, in dem die Zimmer waren, zog mich um, packte meine Sachen. Es waren nicht viele Dinge, die ich hatte. Hier brauchte man nicht viel. Die Kleidung, eine Art Aurorenuniform, wurde einem gestellt, seinen Zauberstab hatte man eh bei sich und die wenigen Male, in denen wir Ausgang hatten, genügte eine Set Kleidung. Zwei Jahre... zwei Jahre Aurorentraining. Zwei Jahre Erschöpfung, Schweiss, Verletzungen jeglicher Art... für was? Umsonst. Als ich ohne die Uniform, die mir beinahe wie eine zweite Haut vorgekommen war, durch das Palais lief, fühlte sich das seltsam an. Beinahe wie ein Fremdkörper. Ich beeilte mich, hier raus zu kommen, hielt es kaum aus.

Unten an der Tür stand Fortescue und gab mir zum Abschied noch einen Brief mit. Ich nickte ihm zu, bedankte mich und beeilte mich, wen Weg bis zur Apparatitionsgrenze so schnell wie möglich hinter mich zu bekommen. Die anderen hatte Kampfbesprechung, von daher war die Chance klein, dass Harry oder jemand Zeit hatte, mich zu verabschieden. Am wenigsten wollte ich Ron über den Weg laufen. Ich weiss nicht, was ich gemacht oder gesagt hätte. Glücklicherweise war niemand da.

Kaum hinter der Grenze apparierte ich zurück zum Fuchsbau, wo wir alle untergekommen waren bevor das Aurorentraining begonnen hatte. Es war zwar ein ganzes Stück, sodass es mir leicht schwindlig war, als ich ankam. In den letzten zwei Jahren habe ich hauptsächlich im Kampf appariert, ich war die längeren Distanzen nicht mehr gewöhnt.

Mein Zimmer war neben Ron... Augenblicklich hatte ich das Bild von dem Todesser vor Augen und mir lief ein Schauer über den Rücken. Es fühlte sich an, als ob jemand auf meiner Brust kniete und mir die Luft abdrückte. Unwillkürlich blieb ich stehen und apparierte beinahe aus Reflex, diesmal nach London. Winkelgasse.

Ich und DracoWhere stories live. Discover now