Lass mal nicht mehr so viel denken

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Du sitzt mir gegenüber
Schaust mich an.

„Ist doch nicht so wichtig", antwortest du mit einem künstlichen Lachen auf meine Frage, was seit Tagen mit dir los sei.

Ey lass mal nicht mehr so viel denken, denn irgendwann bleibt uns nicht mehr als das hier.

Doch du kannst mir nicht zuhören, weil deine Gedanken zu laut sind und deine Stimme zu leise.

Du lässt mich allein. Allein' Sitz ich da und warte, bis du zurückkommst aus dem Bad, das du eigentlich schon ungewöhnlich oft betreten hast in den letzten Tagen.

Ich höre ein leises Wimmern während ich mich frage, warum du nur noch Pullis trägst
und sich dein Gesicht immer mehr in Falten schlägt
Warum du so dünn geworden bist,
warum du nur noch selten isst.
Warum du nicht mehr erzählst.
Warum du nicht mehr lachst.
Warum du nicht mehr weinst.
Warum du nicht mehr glücklich scheinst.

Du bist im Bad.
Mit verheulten Augen starrst du in den Spiegel und fragst dich, was aus dir geworden ist,
ob das wirklich noch du bist.
Du schaust dich an, doch nicht wie früher.
Du schaust kritisch, traurig, ängstlich, wütend.

Du willst nicht, doch du musst
Du spürst den Drang etwas zu tun, dass du besser nicht tun solltest
und du weißt das ganz genau.
Doch du hast verlernt, zu kontrollieren.

Du denkst an all die offen geblieben Fragen,
was du dich nicht traust, zu sagen,
du denkst an alles, was mal war.
Und an alles, was geschehen ist.

Du willst nicht, doch du musst
Du spürst den Drang etwas zu tun, dass du besser nicht tun solltest
und du weißt das ganz genau.
Doch du hast verlernt, zu kontrollieren.

Ich klopfe gegen die Tür.
Ich klopfe, doch du reagierst nicht.
Du denkst an alles, nur nicht an dich selbst, während du verzweifelt in den Spiegel schaust.

Eigentlich möchtest du schon,
doch du weißt nicht wie
Seit Tagen, Wochen, Monaten hast du deinen Mut verloren.
Eigentlich bereit aufzugeben, doch irgendwas hindert dich doch noch.

Aus meinem Klopfen wird ein Hämmern, weil allmählich mach ich mir Gedanken, was in deinen vorgeht.

Du reagierst nicht und schaust auf deinen Arm während aus deinem Wimmern ein Weinen wird.
Du schaust auf deinen Arm und weißt nicht, was du tun sollst.

Du willst nicht, doch du musst
Du spürst den Drang etwas zu tun, dass du besser nicht tun solltest
und du weißt das ganz genau.
Doch du hast verlernt, zu kontrollieren.

Ich hämmer' immer weiter und immer schneller, immer lauter mit meinen Händen gegen die Tür.
Aus deinem Weinen wird verzweifeltes Schreien.

Mir bleibt nichts anderes übrig, so hör ich auf, zu hämmern und leg' vorsichtig meinen Mund gegen die Tür und versuche was zu sagen, das für den Moment alles verändert:

Ey lass mal nicht mehr so viel denken
Lass mal nicht von Dingen ablenken,
die so wichtig hätten sein können.
Lass mal die Fragen offen lassen
und nicht nach Antworten suchen.
Lass mal nicht an früher denken.
Lass mal wieder reden.
Lass mal wieder weinen
und lass mal wieder lachen.
Lass mal wieder erzählen.
Denn du bist nicht allein
und das wirst du auch nie sein
auch wenn sich das für dich so anfühlt.
Lass mal nicht immer so viel denken,
denn irgendwann wird uns nicht viel mehr bleiben, als das hier.

Geschriebene WorteOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz