52. Wann ein Monster keines mehr ist

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>>Na dann wird es Zeit für uns zu gehen. Mein guter Freund Hans Kesselflick, war so freundlich uns zu erlauben, mit ihm in seiner Kutsche zu fliegen.<<, erklärte der Professor während sie das Schloss verließen und das Gelände überquerten. Dumbledores langer dunkelroter Mantel der über und über mit kleine goldenen Funken gesprenkelt war schleifte über das feuchte Gras, während er mit großen Schritten vor Felice voranschritt. Dies bemerkte Felice auch nur, weil sie den Blick gesenkt hielt und versuchte nicht daran zu denken, dass sie in wenigen Stunden den Menschen kennenlernen würde, der für die Existenz ihres Vaters verantwortlich war. 

Als ein langgezogenes Heulen über die Schlossgründe erschallte, blieb Felice ruckartig stehen und hob den Kopf. Suchend sah sie sich um und ihr Blick blieb bei der peitschenden Weide hängen. Auch Dumbledore war stehen geblieben, sanft ruhte sein Blick auf Felice, die die Lippen zusammenkniff, alle Muskeln in ihr waren verkrampft um dem Bedürfnis zu wiederstehen, loszurennen um bei Remus zu sein.

>>Man will sich nicht vorstellen, wie sehr er leiden muss.<< Ein Hundebellen, folgte nur dem Ruf des Werwolfs. >>Aber scheinbar hat er das Glück nicht allein zu sein...<<, stellte Dumbledore schon beinahe belustigt fest und schüttelte leicht den Kopf.

Felice rührte sich immer noch nicht, gebannt starrte sie auf die Weide, die sich als eine dunkle Silhouette von dem leuchten des Mondes abhob, so als könnte Remus jederzeit dort auftauchen.

>>Ich verstehe durchaus, dass du gern bei ihm wärst, aber in Anbetracht unseres Vorhabens und der Tatsache, dass ich mir nicht sicher bin, in wie weit uns Mister Lupin erkennen würde, halte ich es für das angemessenste, wenn wir uns langsam aber sicher von hier weg bewegen.<<, schlug der Professor vor, als ginge es nur darum ob Felice lieber Zucker oder Milch zu ihrem Tee nahm und nicht das jederzeit ein Werwolf auftauchen könnte, der für sie beide eine Lebensbedrohliche Gefahr darstellen würde. Immer noch rührte sie sich keinen Zentimeter und starrte gebannt auf den Baum, die Hände zu Fäusten geballt. 

>>Felice, wenn er wüsste, dass du ihm so nah bist, glaubst du er wäre damit einverstanden?<<, fragte der Professor nun leise und einfühlsam. So blieb Felice nichts anderes übrig als die Lippen zusammenzukneifen und den Kopf zu schütteln. >>Na also. Aber sei dir versichert, dass er nicht allein ist.<< Dieses mal war es ein stummes Nicken von Felice, bevor sie dem Professor wieder folgte. 

Unten im Dorf angekommen, wurden sie bereits von einem älteren Zauberer erwartet. Die grauen Haare des Mannes waren ordentlich zurückgekämmt und auf seinem Kopf trug er einen schwarzen Filzhut, der mit einer langen Feder geschmückt war. Dieser Hut und die Weste aus dunkelgrünem Filz, dazu die langen Lederhosen ließen bereits erahnen, dass dies Hans Kesselflick sein musste. Bestätigt wurde dies aber noch, als er breit lächelnd Dumbledore mit starkem Österreichischem Akzent begrüßte und ihm dazu zweimal stark auf den Rücken klopfte.

>>Grüß dich, Albus!<<, rief dieser überschwänglich und strahlte über sein ganzes faltiges, aber gutmütig wirkendes Gesicht, wobei die dicken Tränensäcke stark hervortraten.

>>Hans Kesselflick, es ist zu lange her!<<, war die lachende Antwort des alten Professors. >>Ich danke dir, dass du uns beide dich begleiten lässt.<<

>>Aber sischer do', ich wars dir schuldig. Und Sie müssen das wehrte Fräulein Grindelwald sein, wenns mich ned alles däuscht. Ja ja, die Familienähnlichkeit is schoa vorhande.<<

Felice schluckte und sah beschämt zu Boden. Natürlich, als was hätte dieser Mann sie auch sonst sehen können, als eine Grindelwald? Niemand konnte oder wollte in Felice den Menschen sehen, den sie sich selbst so sehr wünschte zu sein. Stattdessen sah jeder in ihr und schlimmer weise sie auch in sich selbst, Grindelwalds Erbin. Ein Monster.

Weil Felice auf ihre Schuhe starrte, mit denen sie auf der trockenen Erde scharrte, entging ihr der Blick den Professor Dumbledore ihr zu warf, so als kenne er ihre Gedanken. 

>>So wenns des jetzt alle waren die midkomme müsse, dann wärs guat wenn wir dann so langsam ufbrecha.<<

>>Ja, das denke ich auch. Ach Hans, übrigens habe ich als kleine Erfrischung einen kleinen Honigwein mitgebracht. So weit ich weiß, mochtest du den bei deinem letzten Besuch doch so gern.<<, verschmitzt lächelnd zog der Professor eine Flasche aus grünem Glas aus den tiefen Taschen seines Umhangs. >>Ach Albus, du kennscht mich zu guat.<<

Lachend und mit einander alte Geschichten austauschen, schritten die beiden Männer vor Felice in Richtung der abseitsstehenden Kutsche.

Bevor sie in die von Thestralen gezogene Kutsche stiegen, warf Felice einen letzten Blick zurück in Richtung Schloss. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Morgen früh wären sie in Nurmengard. Während die beiden Männer es sich Felice gegenüber bequem machten und jeder bei einem Glas Honigwein in eine noch munterere Stimmung kamen, starrte Felice unentwegt aus dem kleinen Fenster zu ihrer linken.

Fliegen hatte ihr noch nie besonders behagt, aber so lange sie den Boden sehen konnte war es auszuhalten. Mit einem unangenehmen Ruck setzte sich die Kutsche in Bewegung und hob ab, wobei sie einen riesigen Bogen flog und so noch einmal das Schloss umrundete. Der helle Vollmond tauchte alles in silbernes Licht und ließ den See leuchten wie Quecksilber. Felice schreckte auf, als der goldene Kelch von dem Freund Dumbledores zu Boden polterte. Vollkommen zusammengesunken hockte er auf seinem Platz und gab ein tiefes röhrendes Schnarchen von sich.

>>Sir! Was ist passiert?<<, erschrocken hatte Felice die Augen aufgerissen, aber Dumbledore lächelte nur gutmütig und hob den Kelch auf. >>Keine Sorge. Hans wird nur die nächsten paar Stunden schlafen.<<

>>Sie haben den jetzt nicht wirklich vergiftet, oder?<< >>Nein, mach dir keine Sorgen mein Kind. Alles was er bekommen hat, war ein Glas meines besten Honigweins und ein paar Tropfen Schlafmittel. Wir haben noch einiges zu bereden, was er nicht unbedingt wissen muss, allein auch wegen seiner Sicherheit. Und der Gute schläft im Allgemeinen zu wenig, habe es ihm immer wieder gesagt. Äußerst Interessant...<<, fügte der Professor vor sich hinmurmelnd hinzu und blickte ebenfalls aus dem Fenster hinunter auf die Schlossgründe.

Aus dem Schornstein von Hagrids Hütte quoll eine kleine Rauchfahne, ansonsten lag alles in scheinbarem Frieden unter ihnen. Felice folgte seinem Blick und konnte gerade noch so erkennen wie ein Hirsch die Baumgrenze in den verbotenen Wald übertreten hatte, dicht gefolgt von einer Werwolfartigen Kreatur. Jeder andere würde darin ein Monster sehen, keiner war bereit zu sehen, wer der Mensch war der zu diesem Schicksal gezwungen wurde. >>Sir?<<

>>Weißt du wann ein Monster kein Monster mehr ist?<<, fragte Dumbledore sie ohne dabei den Blick von dem Fenster zu nehmen. Das Mondlicht warf durch seine Nase einen scharfen Schatten auf sein Gesicht und man konnte ihm in diesem Moment sein wahres Alter ansehen. >>Sir? Ich glaube ich verstehe nicht...<<

>>Doch, das denke ich sehr wohl. Du bist klug, Felice.<<

Unwissend zuckte Felice mit den Schultern und wich dem Röntgenblick Dumbledores geschickt aus, in dem sie ebenfalls hinunter auf die Baumwipfel blickte, über die sie immer schneller hinweg segelten und dabei stetig höher stiegen.

>>Ein Monster ist genau dann keines mehr, Felice, wenn es geliebt wird. Bedenke das immer.<<

Die Erbin GrindelwaldsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt