KAPITEL ZWÖLF ㅡ the unholy trio

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„Ich kann euch hören", seufzte Jeongguk. „Leider." Er stellte den Bildband zurück und warf Areum durch das breite Atrium einen auffordernden Blick zu, den sie erst erwiderte, als sie von ihrem Handy aufsah. „Sag mir nochmal, wie lange muss ich noch so tun, als würde ich mich brennend für amerikanische Kunst interessieren?"

„Solange bis mein Bruder mit seinem Date durch diese breite Türe dort hinten walzt." Areum schnalzte mit der Zunge und Jeongguk beobachtete sie dabei, wie sie ihre Beine übereinanderschlug. „Wobei es sich nur noch um eine Sache von Minuten halten kann. Er ist gerade auf die Fünfte gebogen."

„Du solltest wirklich aufhören, Leute ohne ihr Wissen über ihr Handy zu orten, Areum. Ich glaube, das verstößt gegen sämtliche Datenschutzrichtlinien." Seokjin hatte sich inzwischen die Regelreihe entlang nach vorne gearbeitet, um sich aus dem Areal zu entfernen, in dem er die Überwachungskamera vermutete. „Hey, kannst du noch sehen was ich tue?"

„Wenn mein Bruder zu dumm ist, um seine Ortungsdienste auszuschalten, ist das quasi eine offene Einladung", antwortete sie ungerührt. „Und ja, ich sehe dich. Dein Schnürsenkel ist offen und du hättest gerade beinahe den Stapel mit den Gummi-Enten zu Fall–"

Ein vielstimmiges Quieken erschallte von der anderen Seite des Museumshops und Jeongguk musste sich ein tiefes Seufzen verkneifen, als er sich umdrehte und Seokjin dabei beobachtete, wie er mit knallroten Kopf versuchte, die zur Hälfte umgestürzte Gummipyramide aus Badeentchen wieder aufzustellen, die er in einem unachtsamen Augenblick von ihrer Ablagefläche gefegt hatte.

„Manchmal", sagte Jeongguk, „frage ich mich, wie ich jemals Angst vor dir haben konnte."

„Wie bitte?", fragte eine junge Frau neben ihm, die gerade durch den Bildband über deutsche Impressionisten geblättert hatte und sich offensichtlich angesprochen fühlte.

Jeongguk war schnell, den Schaden einzudämmen, während er das Buch anhob, in dem er gerade noch als letzte Alibiaktion geblättert hatte. „Pollock", beeilte er sich zu sagen. „Tiefgreifendes Kindheitstrauma von mir. Ganz... belastend, diese Querstriche für mich."

Sie nickte verständnisvoll, als könnte sie dieses Sentiment nur nachvollziehen, und Jeongguk beeilte sich, das Buch zwischen die anderen zu stopfen und das Mienenfeld so schnell wie möglich hinter sich zurückzulassen, indem er Regalreihe wechselte.

„Ganz gut macht ihr beide das", lobte Areum spöttisch. „Wie Profis. Und ihr seid sicher, dass nicht ich die Verfolgung aufnehmen sollte?"

„Nein", beeilte Jeongguk sich zu sagen. „Ich mache das."

Areum und Seokjin schwiegen beide und ihm wurde bewusst, dass er etwas zu rasch geantwortet hatte. Seine vorgetäuschte Apathie für Taehyungs Verbleib besaß ohnehin die Hälfte der Zeit die Stabilität eines wackeligen Kartenhauses; aber seine beiden Freunde waren pietätsvoll genug, ihn nicht darauf anzusprechen. Stattdessen gaben sie seinen schlecht erschwindelten Ausflüchten mit stummer Folgebereitschaft statt und taten so, als bemerkten sie nicht, dass Jeongguk gerade zum wiederholten Male seinen Verstand über Taehyung verlor.

Seit der Begegnung mit der spinnenartigen Person im Korridor des Herrenhauses hatte der Widerspruch von Jeongguks Standhaftigkeit sein Maximum angenommen. Wie ein überzogenes Metronom oszillierte er zwischen Zuständen wütender Gleichgültigkeit und Augenblicken grauenvoller Sorge um seinen ehemaligen Freund. Was niemals nachließ, war der ewig gehegte Beschützerinstinkt für Taehyung, den er auch in seiner Gefühlslage der absoluten emotionalen Verwirrung nicht abzulegen vermochte.

Dass Taehyungs Leben für das Gelingen von Yoongis Herrschaft instrumentalisiert werden sollte, war genug, um die Worte in die Tiefen seines Hinterkopfes zu verbannen, die Taehyung ihm auf der Stiege ins Gesicht geschmettert hatte. Jeongguk konnte sich selbst nicht vorgaukeln, dass er jemals aufhören würde, alles für Taehyung zu empfinden, das ihm möglich war – und die nicht allzu geringe Wahrscheinlichkeit auf seinen verfrühten, ungerechtfertigten Tod war genug, um seinen Puls in die Höhe jagen zu lassen.

SLOWTOWNWhere stories live. Discover now