Kapitel 9 - Toni

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Am nächsten Morgen weckt Faina mich früh.

Der ganze Tag ist genau durchgeplant und sie will diesen Plan unbedingt einhalten. Also geht es erst einmal in die Wanne, wo sie meine Haut mit einer Paste einreibt, die so grobkörnig ist, dass ich das Gefühl habe, sie würde mir mit einem Schleifstein die Haut waschen.

Danach setzt sie mich als erstes an den Frisiertisch und flechtet mir den Pony zu beiden Seiten nach hinten. Die hinteren Haare steckt sie zu einem unordentlichen Dutt zusammen und lässt einzelne Strähnen lockig heraushängen. Mein Gesicht schminkt sie genauso wie an meinem ersten Tag hier. Auf meinem Kopf steckt sie eine Krone fest, die aussieht als wäre sie tausende von Jahren alt und immer noch neu. Sie besteht aus rankenden Ornamenten und in der Mitte ragt sie wie ein Pfeil nach oben. Viele Steinchen fangen das Licht ein, so dass es auf meinem Kopf blinkt und glitzert. Den Schleier steckt sie über den Dutt fest und legt ihn dann über den Dutt in Falten.

Nachdem Faina mit meinem Kopf fertig ist, steckt sie mich in das Hochzeitskleid. Meine Nervosität steigt ins Unermessliche. Ich merke, dass ich an einem Punkt angekommen bin, an dem es kein Zurück gibt und muss mich stark zusammenreißen um nicht zu hyperventilieren.

Als letzten Schliff bekomme ich noch ein silbernes Armband, das wie ein Lorbeerkranz aussieht, und ein Collier um den Hals gelegt.

Fertig eingekleidet, tigere ich durch den Raum. Den Schleier habe ich mir dabei um den Arm geschlungen, damit er nicht über den Boden schleift und womöglich schmutzig wird. Ich kann einfach nicht still sitzen. Beim Herumlaufen gehen mir tausende Gedanken durch den Kopf, doch sie sind so wirr, dass ich keinen davon richtig fassen kann. Faina hingegen scheint die Ruhe selbst zu sein. Sie räumt die Schminkutensilien zusammen und das Bad auf, dass man denken könnte, heute wäre ein ganz normaler Tag.

Dann klopft es endlich an der Tür und Lope steht davor. Als ich sie erblicke, bleibe ich stehen und bekomme vor Staunen den Mund nicht mehr zu.

Sie trägt heute eine Toga und nicht ihre Kriegeruniform. Die Toga ist bordeauxrot und unterstreicht die Farbe ihrer Haut. Ihre Haare sind in Locken gelegt und fallen über eine Schulter, während sie auf dem Kopf drei dünne Haarreifen trägt, ähnlich denen die ich gestern Abend trug.

»Na? Aufgeregt?«, fragt sie mit einem Grinsen und reißt mich so aus meinem Staunen.

Ich verdrehe die Augen und lasse die Arme an die Seite sinken, wodurch der Schleier zu Boden fällt. »Nein, überhaupt nicht«, gebe ich sarkastisch zurück und entlocke Lope damit ein Lachen.

»Du müsstest mal Kilian sehen«, erwidert sie. »Ich habe eben Silas getroffen und der sagte, er habe den Prinzen noch nie so unruhig und nervös erlebt.«

Ich schnaube kurz auf. Als ob Kilian nervös sein könnte. Selbst die nette Version von ihm wirkte immer so, als ob er alles im Griff hätte.

»Er ist wahrscheinlich einfach nur genervt, dass er mich vom heutigen Tag an, an der Backe haben wird«, gebe ich zurück und Lope grinst.

»Du bist viel zu pessimistisch. Heute ist deine Hochzeit und eine Hochzeit sollte doch der schönste Tag im Leben einer Frau sein, oder? Also versuch doch etwas Spaß zu haben. Hast du dir das Ehegelübde eingeprägt?«

Zu nervös um weiter darauf einzugehen, nicke ich nur. Ich habe mir das Gelübde gefühlte Tausend Mal durchgelesen und sollte damit keine Probleme bekommen.

»Gut«, sagt Lope und hakt sich bei mir unter, während sie mich nach draußen zieht, und Faina versucht meinen Schleier zu raffen, damit sie ihn hinter mir her tragen kann.

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