KAPITEL SIEBEN ㅡ the prodigal son

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„Abführen", befahl der vorstehende Beamte den zwei SWAT-Läufern, die seine Arme festhielten und ihn bei diesen Worten über den Boden nach draußen zu schleifen begannen. Als sie die Tür passierten, sah Jeongguk, dass sie schief in ihren Angeln hing und auf der Seite des Schlosses eine unschöne Kerbung aufwies, die nur von einem Rammbock stammen konnte.

Er versuchte, sich mit keiner verräterischen Regung seines Gesichts die Sorge anmerken zu lassen, als die zwei Beamten ihn die Treppe hinabführten und dabei so laut durch das Treppenhaus stampften, das sich reihum die Türen einen winzigen Spalt öffneten und Jeongguk in die verschlossenen und feindseligen Gesichter seiner Nachbarn blicken konnte. Er war sich nicht ganz sicher, gegen wen die Animosität gehegt war; man sah die Polizei niemals gerne in diesen Breiten und Jeongguk war eigentlich einstimmig beliebt – aber andererseits ließ die Situation nicht gerade viel Raum für Interpretation. Einzig Junyans Tür öffnete sich nicht, und Jeongguk vermutete, dass sein Freund so tief in seinem Schlafkoma lag, dass er genauso gut von einer Herde Elefanten abgeführt werden könnte – er würde es nicht hören.

Unten auf der Straße wartete eine Kolonne von drei Polizeiwägen mit laufenden Motoren; ein SWAT-Gefährt (Jeongguk fragte sich immer noch, wieso sie ihm die Spezialwaffendivision auf den Hals hetzten), und zwei gewöhnliche NYPD-Polizeiautos, wie er sie noch vor drei Tagen arglos vor dem Precinct beobachtet hatte.

Ein unangenehmes Gefühl beschlich ihn, während der eine Polizist seinen Arm losließ, sodass ihn der andere auf die Rückbank des Wagens verfrachten konnte. Nur vor wenigen Tagen hatte er zum ersten Mal die Poster der DEA aushängen sehen und nun wurde er bereits verhaftet? Es schien tatsächlich so, als würde die Drogenvollzugsbehörde unter der neuen Führung dieses J. Blankenships die Handlungslosigkeit ihrer Vorgänger nicht weiterführen wollen.

In jeder anderen Stadt wäre eine Verhaftung um sechs Uhr morgens beinahe unbeobachtet vonstatten gegangen; nicht jedoch in New York City, wo die Menschen vor der Sonne erwachten und zum Licht der Morgenröte die Gehwege und Straßen der Stadt bevölkerten, als sei es bereits Mittag.

Als die Tür hinter Jeongguk zuschlug und die verdunkelte Scheibe den Anblick auf die Fassade seines Wohnhauses trübte, wurde ihm zum allerersten Mal bewusst, dass er eventuell derjenigen Retribution gegenüberstand, die er sein gesamtes Leben lang mit gespannter Nervosität erwartet hatte.

Er konnte die Polizisten nur durch ein winziges Sichtfeld in einer Metallgitterabsperrung dabei beobachten, wie sie zu beiden Seiten des Autos einstiegen und derjenige, der die Fahrerposition bezogen hatte, den Rückspiegel richtete und einen winzigen Moment Jeongguks Blick streifte.

Als sie sich aus der zweiten Reihe in den Verkehr einfädelten, lehnte Jeongguk sich vorsichtig in die gepolsterte Rückbank hinein und versuchte, seinen auf dem Rücken zusammengehaltenen Händen etwas Erleichterung zu verschaffen, indem er sich zum Fenster hindrehte.

Der Unabhängigkeitstag versprach, ein sonniger zu werden.

Ihm wurde schnell bewusst, dass sie nicht auf die Polizeistation in Clinton zuhielten, der er noch vor drei Tagen einen Besuch abgestattet hatte, sondern in die entgegengesetzte Richtung unterwegs waren; in Richtung FDR Drive, der auf kürzester Strecke zur 1 Police Plaza führte – dem Hauptquartier der NYPD. Sie passierten mehrere Straßenverkäufer, die Feuerwerk für heute Abend an diverse Parkbänke und Verkaufsautomaten lehnten und beim Anblick der Polizeieskorte erstaunlich geschickt in den nächsten Keller abtauchten.

In New York war der Gebrauch von explosiven, projektilen Feuerwerk seit mehr als hundert Jahren verboten; erst vor wenigen Jahren waren die Regeln so weit gelockert worden, dass zumindest Funkenschauer erlaubt waren. Dennoch hielt das die New Yorker nicht davon ab, den Unabhängigkeitstag mit so schweren Geschützen zu feiern, die selbst ihre liberaleren Nachbarn in Pennsylvania kaum als legal bezeichnen würden.

SLOWTOWNWhere stories live. Discover now